Klare Regeln für die Heimarbeit gefordert

Im Rems-Murr-Kreis ist Homeoffice laut Gewerkschaft NGG ein großes Thema für 3900 Beschäftigte in der Ernährungsindustrie.

Es könne nicht sein, dass Beschäftigte auf den Kosten für das dienstlich genutzte Telefon sitzen blieben oder den Küchentisch als Schreibtisch nutzen müssen, so die NGG. Foto: NGG

Es könne nicht sein, dass Beschäftigte auf den Kosten für das dienstlich genutzte Telefon sitzen blieben oder den Küchentisch als Schreibtisch nutzen müssen, so die NGG. Foto: NGG

Rems-Murr. Schöne neue Arbeitswelt oder Rund-um-die-Uhr-Einsatz für den Chef? Das Homeoffice ist seit Beginn der Coronapandemie zum Alltag für viele Beschäftigte im Rems-Murr-Kreis geworden. Doch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) vermisst klare Regeln für die Heimarbeit. Sie fordert die nächste Bundesregierung zu Nachbesserungen auf. „Das Arbeiten von zu Hause aus macht manches einfacher und sollte auch nach Corona möglich sein. Allerdings müssen wichtige Punkte für die Beschäftigten geklärt werden – vom Aufzeichnen der Arbeitszeit über die Bezahlung der Büroausstattung bis hin zur Mitsprache von Gewerkschaften und Betriebsräten“, sagt Hartmut Zacher, der Geschäftsführer der NGG Region Stuttgart.

Homeoffice und mobiles Arbeiten seien dabei längst nicht nur ein Thema für Bürojobs, sondern auch in Wirtschaftszweigen wie der Ernährungsindustrie relevant. Die Branche beschäftigt im Rems-Murr-Kreis rund 3900 Menschen, wie die NGG mit Zahlen der Arbeitsagentur erläutert.

„Hier geht es vor allem um Stellen in der Verwaltung, Buchhaltung und Logistik, bei denen seit dem Frühjahr vergangenen Jahres das Homeoffice erprobt wurde. Aber auch im Außendienst und in Teilen der Produktion hat sich die Heimarbeit mittlerweile etabliert“, so Zacher. Entscheidend sei allerdings, dass das Homeoffice für Beschäftigte freiwillig bleibe. Ihnen dürften keine Nachteile entstehen, wenn sie nicht zu Hause arbeiten können – oder zurück in den Betrieb wollen. „Und es kommt darauf an, dass die Arbeitszeiten auch am heimischen Schreibtisch dokumentiert werden. Homeoffice braucht Grenzen und darf nicht dazu führen, dass Beschäftigte rund um die Uhr für den Chef erreichbar sind. Privates und Berufliches müssen getrennt bleiben“, betont Zacher. Die Gewerkschaft NGG sieht nun insbesondere die nächste Bundesregierung in der Pflicht: „Es geht darum, auch über die Pandemie hinaus faire Regeln im Sinne der Beschäftigten zu finden.“ Ein entscheidender Punkt dabei: „Betriebsräte und Gewerkschaft sollten beim Homeoffice stärker mitreden – etwa bei der technischen Ausstattung des heimischen Büros oder bei der Online-Wahl von Arbeitnehmervertretern“, so Zacher. Außerdem könne es nicht sein, dass Beschäftigte auf den Kosten für das dienstlich genutzte Telefon sitzen blieben oder bei einem fehlenden Arbeitszimmer den Küchentisch als Schreibtisch nutzen müssten. „Die Unternehmen sparen hier teilweise enorme Summen ein, während Heimarbeiter mit ihren Problemen oft alleingelassen werden“, kritisiert Zacher. Die von der letzten Bundesregierung geschaffene steuerliche Absetzbarkeit beim Homeoffice sei mit 600 Euro pro Jahr deutlich zu niedrig. Unterm Strich bringe das einem Großteil der Beschäftigten keine spürbare Entlastung. Eine repräsentative Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) aus dem vergangenen Jahr unterstreiche, dass beim Zu-Hause-Arbeiten noch etliches im Argen liegt, so die NGG. Demzufolge gaben 29 Prozent der Befragten im Homeoffice an, häufig außerhalb ihrer Arbeitszeit unbezahlt für die Firma zu arbeiten. Unter allen Beschäftigten waren es nur 13 Prozent. Fast jeder zweite Heimarbeiter berichtete, auch in der arbeitsfreien Zeit nicht richtig „abschalten“ zu können. Gleichzeitig erklärten 85 Prozent der Homeoffice-Befragten, ihre Arbeitszeit selbstständig planen zu können – bei Beschäftigten mit einem festen Arbeitsplatz waren es laut Gewerkschaft nur 65 Prozent. Unter den Menschen, die nicht im Homeoffice arbeiten wollen, gaben 73 Prozent fehlende Arbeitsmittel als Hemmnis an. Fast zwei Drittel befürchten eine Vermischung von Arbeits- und Privatleben. Weitere Infos: https://index-gute-arbeit.dgb.de. pm/bro

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Erstellt:
19. November 2021, 06:00 Uhr

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