„Klimaschutz darf nicht verschoben werden“
Michael Bilharz macht auf seiner Sommertour mit dem Lastenfahrrad auf dem Marktplatz in Backnang Station und trifft auf viele Wettpaten. Bei der Klimawette steht Backnang momentan bundesweit unter 500 Städten auf Platz 6 und in Baden-Württemberg auf Platz 3.
Von Ingrid Knack
Backnang. „Heute schon so leben, wie auch morgen noch alle gut leben können. Das ist nicht nur die Definition von nachhaltigem Konsum. Das ist mein Lebensmotto seit über 30 Jahren. Verantwortung übernehmen für das eigene Handeln. Wir müssen nicht perfekt sein. Aber im Großen und Ganzen sollte die Bilanz stimmen.“ So beschreibt sich Michael Bilharz (Jahrgang 1972) auf seiner Homepage. Der Initiator der Klimawette und Vorstandssprecher beim Verein 3 fürs Klima, der sich gerade auf Sommertour durch zahlreiche Städte in ganz Deutschland, vom hohen Norden bis in den tiefen Süden befindet, machte gestern Nachmittag auf Einladung der Bürgerinitiative Klimaentscheid Backnang nach den Stationen Schorndorf und Waiblingen auch Halt in Backnang. Heute ist er um 9.30 Uhr am Rathaus in Murrhardt anzutreffen.
Am 23. Juni startete Bilharz seine Tour mit dem Lastenfahrrad in Dessau, rund 2200 Kilometer hat er schon hinter sich, das ist etwas mehr als ein Drittel der geplanten Strecke. Bis zum 3. Oktober will er insgesamt 100 Tage lang quer durch Deutschland radeln und für das Unternehmen Klimawette des Vereins 3, für ambitionierteren Klimaschutz, für das 1,5-Grad-Ziel, für die nächste Tonne CO2-Vermeidung werben. Aus den Beiträgen von Einzelnen soll ein gemeinsamer Appell für die Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Glasgow formuliert werden, die wegen Corona um ein Jahr auf 1. November verschoben wurde. Auf einem Roll-up ist in diesem Zusammenhang zu lesen: „Der Klimaschutz darf nicht verschoben werden. Wir erhöhen deshalb unsere Klimaschutzbeiträge und gehen der Politik voraus. Denn Klimaschutz geht besser!“ Und das ist die Wette: „Gemeinsam mit einer Million Menschen sollen bis zu der Konferenz in Glasgow zusätzlich 1 Million Tonnen CO2 gespart werden.“ Die Bürgerinitiative Klimaentscheid Backnang präsentiert die Stadtklimawette: „Wetten, dass wir Backnangerinnen und Backnanger bis zur Klimakonferenz im November 2021 zusätzlich 600 Tonnen CO2 einsparen.“ Wichtig ist Bilharz vor allem, dass die Bürger auf spielerische Art motiviert werden, den nächsten Schritt zugunsten des Klimas zu gehen. Dazu brauche es Menschen, die vorausgehen und die anderen mitnehmen.
Erfreulich viele Backnanger Wettpaten haben sich der Klimawette angeschlossen und wetten eifrig mit. Allen voran OB Maximilian Friedrich. Im Gewinnfall will er einen St.-Martinszug anführen. Wenn die Wette verloren wird, will er sich an einem Samstag im November mit einem Liegestuhl auf den Marktplatz legen, dabei soll ein Schild darauf hinweisen: „Ich spare gerade Energie“. Dies soll insbesondere als Anlass zur Kommunikation über klimafreundliches Verhalten dienen. Wettpaten und Unterstützer wie die Landtagsabgeordneten Ralf Nentwich (Bündnis90/Die Grünen) sowie Gernot Gruber (SPD) gaben Statements ab. Und Bertram Ribbeck (Klimaentscheid Backnang) sprach von einem Gewinnspiel, das Backnanger Geschäftsleute und Institutionen anbieten wollen.
„Gemeinsam für ein gutes Klima“. Der Aufdruck auf den gelben T-Shirts der Backnanger Klimaentscheid-Mitglieder macht es einmal mehr deutlich: Jeder kann etwas fürs Klima tun und im Alltag an Stellschrauben drehen, um tonnenweise CO2 einzusparen. Zum Beispiel durch einen speziellen Beitrag bei der Klimawette. Auf der Homepage www.dieklimawette.de kann man zwischen zwei Möglichkeiten wählen: Entweder man spendet für Klimaschutzprojekte oder man meldet persönliche CO2-Sparmaßnahmen über den CO2-Avatar, erklärt Bilharz. „Die durch den CO2-Avatar eingesparten Tonnen CO2 werden direkt der CO2-Städteliga zugeordnet und fließen in die Gesamtzahl der eingesparten Tonnen CO2 der Klimawette ein“, so die Erklärung dazu. Damit man auch bis November umsetzt, was man angegeben hat, bekommt man noch eine Erinnerungsmail. Die Backnanger schneiden nach den Worten von Martin Fischer (Klimaentscheid Backnang) bei den Stadtklimawetten ziemlich gut ab: „Stand 30. Juli 2021 liegt die Backnanger Stadtklimawette mit den 119,1 Tonnen CO2-Einsparungen unter 500 beteiligten Städten auf dem 15. Platz, normiert auf Tonnen pro 10000 Einwohner mit 34,6 Tonnen auf dem 6. Platz, in Baden-Württemberg sogar jeweils auf dem 3. Platz. Trotzdem haben wir erst rund 20 Prozent unseres 600-Tonnen-Ziels erreicht – wir müssen uns in den kommenden Wochen bis zum Weltklimagipfel in Glasgow also gemeinsam anstrengen, noch mehr Backnanger für die Teilnahme an der Stadtklimawette zu gewinnen.“ OB Friedrich sprach in diesem Zusammenhang von einem außerordentlich großen Erfolg. Die CO2-Städteliga ist auf der Klimawetten-Homepage einsehbar. Jeder kann also jederzeit schauen, wie es mit dem Ranking gerade aussieht. Auch dies kann Ansporn sein, noch einen Zahn zuzulegen, damit die Wette gewonnen wird.
Übrigens: Michael Bilharz hat sich schon im Greta-Alter, wie er sagt, für Klima- und Umweltschutz engagiert. Mit 16 Jahren gründete er eine lehrerunabhängige Umwelt-AG. Er lebt klimapositiv, ist noch nie geflogen und hat keinen Führerschein.
Gewinnspiel/ Wettpaten Backnanger Geschäftsleute (etwa Bettenhaus Windmüller und Café Weller) sowie das Bandhaus-Theater wollen Gutscheine für ein Gewinnspiel unter den Teilnehmern der Klimawette ausgeben. Weitere pfiffige Ideen hatten beispielsweise die Wettpaten ADFC, die Matthäusgemeinde Backnang, die Plaisirschule, das Tausgymnasium, die Initiative Klimaentscheid Backnang, die Drogeriekette dm und die Firma Bauphysik 5. Auch der Gemeinderat gehört zu den Unterstützern.
Backnanger Wette Wegen des geplanten Klimaschutzkonzepts der Stadt Backnang war Baudezernent Stefan Setzer auch auf die Bürgerinitiative Klimaentscheid Backnang zugegangen. Die Initiative befürwortet das Konzept. Allerdings wollte sie noch auf andere Weise die Bürger zu klimafreundlichem Verhalten anregen: Ziel war es nach den Worten von Sprecher Bertram Ribbeck, die Herzen der Backnanger zu gewinnen. Die Klimawette bot sich da an.
Michael Bilharz Der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Michael Bilharz verantwortet den CO2- Rechner des Umweltbundesamtes und promovierte über das Thema „Key Points nachhaltigen Konsums“, er ist Vorstandssprecher beim Verein 3 fürs Klima.