Kommunen sehen nur wenig Sparpotenzial
Alles wird teurer (9) Nicht nur Familien und Unternehmen spüren die Inflation. Auch an Kommunen geht sie nicht spurlos vorbei. Nicht nur große Bauprojekte, die teurer werden, machen ihnen zu schaffen, sondern auch die laufenden Kosten, bei denen es wenig Sparpotenzial gibt.
Von Kristin Doberer
Rems-Murr. Im Alltag vieler Menschen ist die hohe Inflation seit Monaten spürbar, an Supermarktkassen, im Restaurant und bei Renovierungen. Aber nicht nur Privatpersonen merken die gestiegenen Kosten, auch die Städte und Gemeinden müssen aufgrund der Inflation mit höheren Preisen kalkulieren. Das schlägt sich sowohl bei den laufenden Kosten als auch bei manchem Projekt nieder. „Wir stehen sehr wahrscheinlich vor der größten Finanzkrise der Städte und Gemeinden seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland“, sagt Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) kürzlich zur finanziellen Situation der Kommunen. Ganz so weit wollen die Kommunen in der Region zumindest bisher noch nicht gehen. Aber besonders die laufenden Kosten seien im vergangenen Jahr deutlich teurer ausgefallen. Das spüre man besonders an einem Posten, sagt Kirchbergs Kämmerer Marius Vogel. „Energie: Strom und Gas sind deutlich teurer geworden.“ Das betreffe zum einen die gemeindeeigenen Gebäude wie Kindergarten, Gemeindehalle und Schule, aber besonders auch die Kläranlage sei sehr energieintensiv. Hier gebe es aber kaum Spielraum für Einsparungen. Zwar halten viele Gemeinden die Temperaturen in Rathäusern und Gemeindehallen niedrig, aber viel mehr Sparmöglichkeiten gebe es aktuell nicht. „Wir haben auch überlegt, die Straßenbeleuchtung nachts zum Teil auszuschalten“, so Vogel. „Aber wir haben ohnehin schon LEDs und der Aufwand wäre höher als der Nutzen.“
Puffer im Haushalt einplanen
Ähnlich sieht es auch in Althütte aus. Die Energiekosten waren im vergangenen Jahr sehr hoch, man hat versucht, mit Stromsparen und damit, weniger zu heizen, Geld einzusparen. „Wir müssen mal schauen, wie der Jahresabschluss aussieht. Für den Haushalt 2023 haben wir pauschal schon mal einen Puffer mit eingerechnet“, sagt Bürgermeister Reinhold Sczuka. Denn die Kalkulation war für die Kommunen deutlich schwerer als in den Vorjahren. „Eine konkrete Kalkulation vieler Ansätze war nicht möglich“, sagt Backnangs Pressesprecher Christian Nathan. Dennoch habe die Stadt für 2023 Vorkehrungen getroffen. „So wurden beispielsweise aufgrund des auslaufenden Stromvertrags Ende 2022 die Ansätze für Stromaufwendungen auf Basis des Strombörsenpreises für 2023 deutlich um 1,3 Millionen Euro auf zwei Millionen Euro erhöht“, nennt Nathan ein Beispiel. Außerdem habe die Stadt die Erhöhung der Schulpauschalen um ein Jahr vorgezogen. Um dann auch noch auf Unwägbarkeiten im Baubereich, bei Tarifabschlüssen und der Flüchtlingskrise reagieren zu können, sei außerdem die Deckungsreserve vorsorglich auf zwei Millionen Euro erhöht worden, „damit die Finanzierung über- und außerplanmäßigen Auszahlungen sichergestellt werden kann“.
Neben den laufenden Kosten merken die Gemeinden die Inflation auch an konkreten Projekten, selbst an kleinen. In Kirchberg an der Murr zum Beispiel wurde vor Kurzem ein Messgerät für das Regenüberlaufbecken ausgeschrieben. Nicht nur wegen der Inflation, sondern auch aufgrund der Lieferschwierigkeiten bei vielen elektronischen Geräten seien die Angebote hier deutlich teurer gewesen als erwartet, berichtet der Kämmerer. „Aber wir müssen die Maßnahmen ja umsetzen.“ Welche Auswirkungen die Inflation auf die Gemeindekasse haben wird, sei schwer einzuschätzen. Doch gerade wenn teure Projekte wie der Neubau der Gemeindehalle anstehen, werde deren Umsetzung nicht einfacher. „Gerade weil wir eine eher steuerschwache Gemeinde sind“, so Vogel. „Wir hoffen nun, dass es der Wirtschaft nicht schlechter geht und die Steuereinnahmen nicht einbrechen.“
Materialkosten auf dem Bau erhöht
In so einem großen und teuren Bauprojekt steckt die Stadt Murrhardt gerade mittendrin: Die Sporthalle wird neu gebaut. „Die Hauptgewerke haben wir zum Glück noch vor dem Ukrainekrieg vergeben, hier hält sich die Kostensteigerung noch in Grenzen“, erzählt Bürgermeister Armin Mößner. Deutlich teurer sei nur das verbaute Holz geworden, weil man die sibirische Lärche gegen die heimische Weißtanne tauschen musste. Trotzdem sei noch alles im Rahmen. „Wir sind in Murrhardt schon immer sparsam gewesen“, meint Mößner und gibt noch einen Tipp: „Wenn man den Gewerken in der Ausschreibung zeitlich einen größeren Rahmen lässt, gibt es immer noch günstigere Preise.“ In Backnang habe man die Materialpreisschwankungen auch gespürt. „Um darauf so gut wie möglich reagieren zu können, werden die Kostenberechnungen ergänzt und stetig angepasst“, meint Nathan. Bisher bestehe deshalb keine Veranlassung, Projekte zu verschieben.
Auch Althütte hatte mit der Sanierung seiner Ortsdurchfahrt im vergangenen Jahr ein größeres Projekt, aber auch hier habe die Gemeinde die Aufträge vor dem Krieg vergeben. „Dadurch hatten wir zum Glück Fixpreise und mussten auch keinen Aufschlag zahlen“, so Sczuka. Was die Baupreise angeht hatte auch Oppenweiler ziemliches Glück: „Wir sind bisher gut durchgekommen“, meint Bürgermeister Bernhard Bühler. Das liege aber auch daran, dass im vergangenen Jahr wenige eigene Projekte tatsächlich in die Umsetzung gegangenen sind. Und bei den Projekten, die angegangen wurden, sei man gut weggekommen. Zum Beispiel bei der Verlegung der Gasleitungen oder bei der Vergabe eines Löschwasserbehälters gab es überraschend gute Angebote. Und beim ersten Bauabschnitt des Hochwasserrückhaltebeckens sei man ebenfalls im geschätzten Bereich geblieben. Bühler hofft, dass das gerade bei den weiteren Bauabschnitten für das Rückhaltebecken so bleibt. „Aber hier scheint es schon wieder besser zu werden“, meint der Bürgermeister. Das bestätigt das Ifo-Institut für Wirtschaftsförderung. Laut einer Umfrage der Forscher sei die Welle der Preiserhöhungen zumindest in der Baubranche weitgehend abgeebbt. Im Bauhauptgewerbe wollen demnach nur noch die wenigsten Unternehmen gestiegene Einkaufspreise an ihre Kunden weitergeben. „Hier dürfte sich der Rückgang der Nachfrage nach Bauleistungen am deutlichsten bemerkbar machen“, hieß es dazu von den Ifo-Forschern.
Zurückhaltung bei freiwilligen Themen
Während die Gemeinden bei den Pflichtaufgaben kaum Einsparpotenzial sehen, gibt es da natürlich auch noch die zusätzlichen und freiwilligen Themen. Bei der Finanzierung für Jugend- oder Seniorenprojekte zum Beispiel will aber noch keine Gemeinde knauserig sein, zumindest bisher. Leicht fällt das nicht immer. „Man tut sich schon schwer mit den freiwilligen Themen“, meint zum Beispiel Oppenweilers Bürgermeister Bernhard Bühler.
Tatsächliches Einsparpotenzial sieht Großerlachs Bürgermeister Christoph Jäger für kleine Gemeinden aber selbst hier kaum. „Wir mussten schon immer sparen. Wenn Zeiten kommen, in denen man den Rotstift ansetzen muss, ist unser Potenzial, zu sparen, deutlich kleiner.“ Sehr viele freiwillige Aufgaben konnte man in den vergangenen Jahren ohnehin nicht erfüllen und an der Jugendarbeit wolle er noch nicht sparen. Im Notfall müsse die Gemeinde das eine oder andere Projekt verschieben. „Die Vielzahl der gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben sind ein Problem.“ Nicht nur finanziell, sondern auch personell seien diese für kleine Gemeinden nur schwer zu stemmen. Als Beispiel nennt er den Umbau zu barrierefreien Bushaltestellen. Dieser werde zwar gut gefördert, aber die bürokratischen Anforderungen seien hoch. Oder auch Kanalsanierungen, „die Tiefbauarbeiten sind nicht erst seit der Inflation extrem teuer“. In dem Bereich musste die Gemeinde eine Ausschreibung im vergangenen Jahr sogar wieder aufheben. Der Grund: Nur ein einziges Angebot ist eingegangen und dieses lag so deutlich über den geschätzten Kosten, dass der Bürgermeister damals vermutete, die Firma wolle den Auftrag gar nicht. „Das ist mir in 20 Jahren vorher noch nicht passiert“, meint Jäger.
Mehr Geld für den öffentlichen Dienst
Außerdem blicken viele Bürgermeister mit Sorgen auf die aktuellen Tarifverhandlungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Die Personalkosten machen einen großen Kostenpunkt in den Kommunen aus. Das Angebot der Arbeitgeber würde für die Stadt Backnang einen Mehraufwand von rund 1,7 Millionen Euro bedeuten. „Bei der Forderung der Gewerkschaft müssten wir mit einem Mehraufwand von zirka vier Millionen Euro rechnen“, so Pressesprecher Christian Nathan. Denn die Gewerkschaften fordern angesichts der hohen Inflation eine Gehaltserhöhung von zehn Prozent. „Einerseits habe ich Verständnis für die Forderungen“, meint Althüttes Bürgermeister Sczuka, nicht nur angesichts der Inflation, sondern auch beim Blick auf die Diskrepanz zur Privatwirtschaft. „Aber irgendwie muss das auch finanziert werden können.“
Wie es finanziell für die Kommunen weitergeht, das „ist wie ein Blick in die Glaskugel“, meint Mößner. Es komme nun auf die weltpolitische Entwicklung an. „Wir haben die Hoffnung, dass sich die Inflation bis zum Ende des Jahres abflacht. Aber das kann sich natürlich auch ganz anders entwickeln. Wir müssen jetzt auf Sicht fahren.“ Sczuka stimmt zu: „Man weiß nicht, wie sich das entwickelt. Wir schauen genau hin und wollen vorsichtig vorgehen.“