Kostenlose Klamotten für Geflüchtete
Seit Mitte März arbeiten die sechs Helfer der Kleiderkammer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Backnang eine Schippe mehr. Die kostenlose Erstausstattung der ukrainischen Flüchtlinge finanzieren sie aus Kleiderspenden. Die Zusammenarbeit mit der Stadt könnte besser sein.

© Alexander Becher
Die Ukrainerin Valentyna Luba (vorne links) stöbert mit ihrem Sohn Nazar (rechts) in der Kleiderhalle Backnang. Fotos: Alexander Becher
Von Anja La Roche
Backnang. Statt dreißig Stunden im Monat stehen Kurt Zeller und die weiteren fünf Helfer inzwischen mehr als vierzig Stunden im Monat bereit. Sie arbeiten ehrenamtlich für die DRK-Kleiderhalle in Backnang. Seit Mitte März schafften sie es gemeinsam, bereits über 200 ukrainische Flüchtlinge kostenlos mit Kleidung, Taschen, Schuhen und Co auszustatten. Kurt Zeller vom DRK betont das Engagement der Helfer als Fundament sozialer Hilfe für die Geflüchteten. „Ohne die Hilfe von Privatpersonen würde das alles wegbrechen“, sagt er. Von der Stadt wünscht er sich mehr Unterstützung und eine bessere Kommunikation.
Die Kleiderhalle befindet sich im Öhringerweg und wird von den Geflüchteten dankbar aufgesucht. So auch an diesem Tag: Es herrscht reger Betrieb zwischen den Regalen und Kleiderständern. Unter ihnen eine fünfköpfige Familie aus der Ukraine. Vor etwa einer Woche kam sie in einer Wohnung von Jochen Elzmann in Burgstetten unter. Der 15-Jährige Narza kann neben ukrainisch auch russisch, englisch und deutsch sprechen. Zielsicher hat er sich etwas heraussucht: Eine Jacke zum Sport machen und ein weiteres Oberteil. In einem kleinen Auto ist er mit seiner Mutter, seinen Tanten und dem Ehemann einer der Tanten nach Deutschland gefahren. Da war nicht viel Platz für Gepäck. Narza übersetzt für seine Mutter Valentyna Luba. Die freut sich über das Angebot kostenloser Kleider, immerhin musste sie ihren Beruf in der Ukraine aufgeben.
Von der Möglichkeit zur kostenlosen Erstausstattung erfahren die Flüchtlinge meist von den Familien, die sie unterbringen, so Kurt Zeller vom DRK. So hat auch Nazar und seine Familie den Weg dorthin durch ihren Wohnungsgeber Jochen Enzelmann gefunden. Der wiederum sagt: „Ich habe einen Tipp von einem Bekannten bekommen.“ Doch auch auf dem Amt informieren die dortigen Helfer die Flüchtlinge mit verschiedenen Flyern über die Hilfsangebote, und damit auch über die DRK-Kleiderhalle, teilt Christian Nathan von der Stadt Backnang mit. Kurt Zeller dürfte das wundern: „Bisher waren drei Leute da, die durch die Stadt von uns erfahren haben“.
Die Kleiderhalle in Backnang ist die größte im Rems-Murr-Kreis
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Kleiderhalle sind ausschließlich Rentner. Kurt Zeller etwa, seit vier Jahren dabei, war Gymnasiallehrer; und auch Anne Fix, die mit ihm das Team leitet, ist seit vier Jahren dabei. „Ich freue mich einfach, Menschen helfen zu können“, sagt die ehemalige Ladenbesitzerin. Die anderen Helferinnen arbeiten bereits viele Jahre für die Kleiderausgabe des DRK Backnang. Sie haben auch den Umzug der noch kleineren Kleiderkammer 2018 vom Seehofweg in die neue Halle im Öhringerweg mitgemacht. Die Kammer verwandelte sich damit in eine 140-Quadratmeter-Halle, in der mehr Kleider für mehr Bedürftige gelagert werden können. Damit ist sie die größte im Kreis, neben den Kleiderkammern des DRK in Schorndorf und in Winnenden.

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Diese Helfer sorgen mit ihrem Engagement für das soziale Angebot der DRK-Kleiderhalle (von links nach rechts): Kurt Zeller, Anne Fix, Tatjana Dermer, Irma Reisbich, Ludmilla Schneider und Rose Kraft. Letztere ist nicht auf dem Foto zu sehen.
Praktischerweise können drei der Ehrenamtlichen im Team der Kleiderhalle Backnang russisch sprechen, denn sie kommen ursprünglich aus Kasachstan. Die Kommunikation mit den Ukrainern ist dadurch viel einfacher – „ein Glück“, findet Kurt Zeller. Neben der Ausgabe von Schuhen, Taschen oder T-Shirts, fällt allerdings auch einiges an Arbeit an, welche die sechs Helfer im Hintergrund stemmen: Kleiderspenden annehmen, sortieren, Mangelware wegwerfen, gute Ware zum Verkauf auslegen und den Überschuss zur Verwertungsgesellschaft nach Schwäbisch Hall transportieren. Diese Fahrt nach Schwäbisch Hall erledigt Kurt Zeller zwei bis drei Mal im Monat; für den vollen Transporter mit über einer Tonne gespendeter Klamotten erhält die Kleiderhalle 165 Euro. Damit und mit dem Erlös durch die verkaufte Ware vor Ort finanzieren sie die Kleiderhalle. So bekommen beispielsweise die Mitarbeiter eine Aufwandsentschädigung von 70 Euro im Monat. Die Kleiderspenden sind damit die einzige Geschäftsgrundlage, Gewinn wird keiner erwirtschaftet.
Und dieses Konzept ermöglicht es eben, Menschen mit geringem Einkommen sehr günstige Kleidung anzubieten. Dass die ukrainischen Flüchtlinge, wie auch die syrischen Flüchtlinge 2015, eine kostenlose Erstausstattung erhalten, ist die Ausnahme. „Uns ist wichtig, dass wir die Leute als Kunden behandeln“, erklärt Vorstandsvorsitzender des DRK Backnang, Klaus-Dieter Fackler. Es gehe dabei um mehr Wertschätzung. Bei anderen Kleiderausgaben des DRK ist es möglich, bei nachgewiesener Bedürftigkeit kostenlos an die Ware zu gelangen.
Der DRK-Mitarbeiter wünscht sich von der Stadt Backnang mehr Unterstützung
Bei der Stadt sieht Kurt Zeller Potenzial zur Verbesserung. Nicht nur die Kommunikation sei ausbaufähig, sondern er wünscht sich eine – überhaupt existierende – Zusammenarbeit. „In Schorndorf hat die Kleiderhalle bessere Zahlen. Das liegt auch daran, dass die Stadt sie mehr unterstützt.“ Der 70-Jährige schlägt vor, die Stadt könnte den Flüchtlingen beispielsweise Gutscheine vom Stadtmarketing schenken, damit auch diejenigen an Schuhe kommen, deren Größe gerade nicht in der Kleiderhalle zu finden ist. Seiner Meinung nach werde zu sehr auf das ehrenamtliche Engagement gebaut.
Der Pressesprecher der Stadt, Christian Nathan, hält dagegen: Die Stadt habe im Zuge des Ukraine-Kriegs für das Krisentelefon und die Wohnungsvermittlung zwei neue Stellen geschaffen, einen Krisenstab eingerichtet und das Gespräch mit sozialen Einrichtungen gesucht. „Daneben arbeiten zwei der rund 20 ehrenamtlichen Sprachbegleiter als Teilzeitkräfte für die Stadt“, ergänzt er. Doch scheint die Stadt Backnang mit Kurt Zeller zumindest dahingehend einig zu sein, dass die Ehrenamtlichen mehr Unterstützung benötigen. „Nach der ersten Soforthilfe war klar, dass im zweiten Schritt Fachkräfte für die Sozialbetreuung der Menschen aus der Ukraine und auch Unterstützung der Ehrenamtlichen gefunden werden sollen. Die Stadt Backnang beabsichtigt, dafür drei halbe Stellen zu besetzen“, teilt Regine Wüllenweber mit, Amtsleiterin für Familie, Jugend und Bildung.
„Solange die Grundsicherung der ukrainischen Flüchtlinge ungeklärt ist, werden sie weiter zu uns kommen“, prognostiziert derweil Kurt Zeller. Er und sein Team stellen sich auf weiterhin erhöhte Nachfrage ein. Und da auch die allgemeine Zahl an Bedürftigen gestiegen sei, heißen sie jede Kleiderspende willkommen.
Geldspenden Erhält die DRK-Kleiderhalle Geld, könnten davon Kleider extra vor Ort eingekauft werden, die nicht ausreichend gespendet werden. Besonders betroffen sind die Größen, die Kinder und Jugendliche benötigen.
Gezielte Kleiderspenden Doch auch extra eingekaufte Kleiderspenden, besonders von Unterwäsche oder Socken in bestimmten Größen, können den Mangel an bestimmten Klamotten lindern. Ansprechpartner findet man unter www.drk-backnang.de.