Krähenjagd verschreckt Anwohner
Eine Krähenjagd bei Schöntal sorgt am Samstagmorgen für Aufregung und Entsetzen unter Anwohnern. Einige von ihnen kritisieren die Jagd auf die Vögel, sie sei sinnlos und unethisch. Vertreter der Jägerschaft rechtfertigen das Vorgehen, der Schaden durch Krähen nehme überhand.
Von Kristin Doberer
Backnang. Mehrmals knallt es am frühen Samstagmorgen bei Backnang, einige Bürgerinnen und Bürger rund um Schöntal werden mit einem ganz schönen Schrecken aus dem Schlaf gerissen. Schon um sechs Uhr morgens ertönen Schüsse, laut mehreren Anwohnern lassen sie bis etwa acht Uhr kaum nach. „Die ständige Schießerei hat gar nicht mehr aufgehört. Die Leute haben sich gewundert, was da los ist“, erzählt Jürgen Kemmler. Auch eine weitere Anwohnerin der Backnanger Lichtensteinstraße meint: „Das war richtig beängstigend“. Von einem „beklemmenden Gefühl“ spricht eine andere Anwohnerin.
Grund für die frühmorgendliche Unruhe war eine Krähenjagd eines örtlichen Jagdpächters. In Baden-Württemberg dürfen unter anderem Rabenkrähen in der Zeit zwischen dem 1. August und dem 15. Februar geschossen werden. Eine Genehmigung oder Vorankündigung müssen die zuständigen Jäger nicht einreichen, heißt es von der Stadt Backnang. Die Anwohner, die morgens von den Schüssen geweckt wurden, waren zunächst also ahnungslos, was hinter den Schüssen steckt. Erst nach einem Anruf bei der Polizei, die im Voraus über die Krähenjagd informiert wurde, hat Kemmler davon erfahren.
Als das Schießen auch eineinhalb Stunden später kaum nachließ, wollte sich der Anwohner selbst ein Bild von der Lage machen – und er war entsetzt von dem Anblick, der sich ihm bot. „Da saßen die Jäger in kompletter Tarnmontur mit Sturmhauben und Tarnnetzen“, berichtet Kemmler. Auf dem Feld hatten sie täuschend echt aussehende Attrappen von Artgenossen aufgebaut und Maiskolben verteilt, um die Krähen anzulocken und aus nächster Nähe abzuschießen. Vor Ort sei es auch zu Diskussionen mit den Jägern gekommen, erzählt Kemmler. Für deren Argumente habe er kein Verständnis. „Für mich sah das aus, als hätten sie viel Spaß an dieser widerlichen Ballerei auf Vögel. Als würden sie ein Videospiel in der Realität spielen. Die Tiere hatten gar keine Chance.“
Jäger wehren sich gegen die Vorwürfe: Der Abschuss der Krähen sei nötig
Die Jägerschaft wehrt sich gegen die Vorwürfe. „Die Krähen nehmen langsam überhand. Sie sind starke Nesträuber und mit dafür verantwortlich, dass die Zahl der Singvögel zurückgeht“, sagt Markus Laiblin, Vorsitzender der Kreisjägervereinigung Backnang. Er selbst sei bei der Jagd am Samstag zwar nicht dabei gewesen, betreibe aus oben genannten Gründen aber auch immer wieder Krähenjagd. Auch seien die Rabenkrähen für Niederwild, zum Beispiel Junghasen, gefährlich. Immer wieder gebe es nach Angaben des Landesbauernverbandes außerdem Schaden bei Landwirten, wenn sich die Tiere über Saatgut oder Pflanzen wie Mais oder andere Gemüsesorten hermachen oder Silofolien und Plastikplanen durchlöchern. Und wenn sie sich in größerer Zahl in Städten sammeln, komme es außerdem zu Belästigung durch Kot und Lärm, ergänzt Laiblin.
Dass es sich bei der Jagd um eine reine Spaßaktion handelt, das streitet Laiblin aber ab. „Spaß ist das sicher nicht. Es ist vielmehr ein Riesenaufwand.“ Denn die schwarzen Rabenkrähen sind unter anderem für ihre Intelligenz bekannt, die Tiere fallen auf viele Vergrämungsmethoden nicht herein. Vogelscheuchen und ähnliche Einrichtungen durchschauen sie schnell. Laut Laiblin sind deshalb besondere Jagdmethoden gefragt, die sowohl viel Zeit in Anspruch nehmen, als auch einiges an Kosten für die Jäger bedeuten. So benötigt man Plastikattrappen ihrer Artgenossen, die man auf einem Feld aufbaut, um die Vögel anzulocken. „Das muss man in der Dunkelheit aufbauen. Die Krähen sind so schlau, dass sie es durchschauen, wenn man das tagsüber macht“, erklärt Laiblin die frühmorgendliche Jagdzeit. Die Intelligenz der Tiere sei auch der Grund für die komplette Tarnausrüstung. Häufig finde die Jagd auch im Winter statt, wenn Schnee liegt und die Attrappen mehr auffallen – bei Minusgraden sei das kein Spaß.
Dass es bei den Anwohnern zu Aufregung kam, dafür hat Laiblin zum Teil Verständnis. „In drei bis vier Stunden schießt man rund 60 Stück. Die Geräuschkulisse ist da natürlich extrem, aber auch einmalig“, sagt der Vorsitzende der Kreisjägervereinigung. Diese sogenannte Intervalljagd – also ein hoher Abschuss in einem sehr kurzen Zeitraum – sei aber deutlich stressfreier. „Man betreibt einen Riesenaufwand, damit man andere Vögel und Kleintiere schützt“. Schließlich habe der Jäger selbst kaum etwas davon, die wenigsten können Krähen verwerten.
Vogelschützer sehen keinen Sinn in der Krähenjagd
Vogelschützer, darunter auch Jürgen Kemmler, zweifeln an dem Sinn der Krähenjagd. „Was bringt es denn, hier ein paar Vögel abzuschießen? Das führt nur dazu, dass die Tiere ihre Bruttätigkeit verstärken“, meint Kemmler und bezieht sich damit auf Aussagen des NABU-Vogelschutzexperten Heinz Kowalski. Laut dem Ornithologen gibt es außerdem keine Überpopulation, die Bestände der Raben- und Nebelkrähen seien bundesweit seit zwei Jahrzehnten konstant, mit nur geringen regionalen Schwankungen. Auch das Argument, dass andere Singvögel durch die Krähenjagd geschützt werden, leuchtet Kemmler nicht ein. Schließlich seien auch Katzen eine Gefahr für eben diese Singvögel. Unverständlich findet er außerdem, dass die Anwohner nicht über die Jagd informiert wurden. Nicht nur, weil es für einiges an Aufregung gesorgt hat. „Ich habe auch Hundebesitzer getroffen, die unterwegs waren. Die Hunde haben sich bei den Schüssen erschreckt. Wären sie nicht gerade an der Leine gewesen, wären sie weg gelaufen.“
Rabenvogel Die Rabenkrähen gehören zur Familie der Rabenvögel. Man erkennt sie an ihrem glänzend schwarzen Gefieder. Sie sind sowohl in Wäldern und landwirtschaftlichen Kulturen anzutreffen, als auch in Gartenanlagen in Städten und Dörfern. Sie ernähren sich von Insekten, Larven, Würmern, Schnecken, kleineren Wirbeltieren, aber auch von Abfällen, Aas, Wurzeln und Vogeleiern – auch die der eigenen Artgenossen.
Jagd Laut Naturschutzbund werden in Deutschland tausende, teils sogar mehr als hunderttausend Rabenvögel abgeschossen. Krähen können in fast allen Bundesländern von August bis Mitte Februar gejagt werden.
Ausnahmen Nur für Kolkraben gibt es eine ganzjährige Schonzeit. Auch Saatkrähen sind besonders geschützt, nur bei erheblichen landwirtschaftlichen Schäden werden in besonderen Einzelfällen Ausnahmen zum Abschuss einzelner Saatkrähen zugelassen.