Verdi-Kritik: Kliniken wollen Personaluntergrenzen aussetzen

dpa/lsw Stuttgart. Die Kliniken wollen in der Corona-Krise ihr Personal flexibler einsetzen. Deshalb sollen die Betreuungsschlüssel in der Intensivmedizin vorübergehend verändert werden können. Das halten nicht alle für sinnvoll.

Ein Stethoskop hängt um den Hals eines Arztes einer internistischen Intensivstation. Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/ZB/Symbolbild

Ein Stethoskop hängt um den Hals eines Arztes einer internistischen Intensivstation. Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/ZB/Symbolbild

Die Personaluntergrenzen für die Intensivpflege sind aus Sicht der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) bei weiter steigender Zahl von Corona-Fällen nicht mehr haltbar. „Die Kliniken brauchen in der Pandemie mehr Flexibilität beim Personaleinsatz“, betonte der BWKG-Vorstandsvorsitzende Heiner Scheffold am Mittwoch. Wenn Kliniken, von denen viele rote Zahlen schreiben, die Vorgaben unterschreiten, drohen ihnen laut BWKG empfindliche Strafen. Die Vorgaben müssten ausgesetzt werden, um gemischte Teams bilden zu können und insgesamt bei weiterem Anstieg der Fallzahlen noch möglichst viele Patienten versorgen zu können.

Die Gewerkschaft Verdi kritisierte die Forderung, die zu weiterer Arbeitsverdichtung führe. Die Verdi-Gesundheitsexpertin Irene Gölz sagte: „Wer fordert, die Personaluntergrenzen auszusetzen, ohne eine Entlastung zu schaffen, versucht die Probleme auf dem Rücken der Beschäftigten auszutragen.“

Nach den Mindest-Vorgaben kümmert sich in der Intensivmedizin und pädiatrischen Intensivmedizin in der Tagschicht eine Pflegekraft um zwei Patienten, in der Nachtschicht um drei.

Diese Personaluntergrenzen sollten lediglich eine gefährliche Versorgung verhindern, erläuterte Gölz. Ein wirklich entlastendes Konzept, orientiert am Pflegebedarf der Patienten, von Verdi, Deutschem Pflegerat und der Deutschen Krankenhausgesellschaft liege dem geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seit Anfang 2020 vor, ohne dass er darauf reagiert habe. Das Personal leide nicht unter zu geringer Bezahlung - Intensivkräfte an Unikliniken verdienten bis zu 4600 Euro brutto -, sondern unter Stress. Um den Exodus aus dem Beruf zu verhindern oder Rückkehrer zu gewinnen, müssten mehr Stellen geschaffen werden. Bundesweit fehlten 100 000 Stellen

Die BWKG fordert eine Finanzierung, wenn Kliniken auch über den eigenen Bedarf Pflegekräfte für die Arbeit in der Intensivstation weiterbilden. Darüber hinaus bräuchten die Kliniken im Jahr 2021 vom Bund und vom Land finanzielle Hilfen im gleichen Umfang wie 2020, sagte Scheffold. „Wer fordert, wieder mehr Intensivbetten für Covid-19-Patienten vorzuhalten, muss auch für eine auskömmliche Finanzierung sorgen.“. Das Versprechen Spahns im März 2020, dass wirtschaftliche Folgen für die Krankenhäuser ausgeglichen werden, sei nicht erfüllt worden. Es könnte der Eindruck entstehen, dass er die Corona-Krise für Krankenhausschließungen nutze. Laut BWKG sind in den vergangenen Jahren zwei bis drei Kliniken geschlossen worden. Das Tempo nehme zu.

© dpa-infocom, dpa:211103-99-849717/5

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Erstellt:
3. November 2021, 13:45 Uhr

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