Kreis bekommt viel weniger Impfstoff
In der Waiblinger Rundsporthalle ist alles vorbereitet für den Start der Corona-Impfungen. Bis zu 750 Personen könnten hier täglich geimpft werden, doch der Impfstoff reicht zunächst wohl nur für 180 Personen – pro Woche.

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In der Waiblinger Rundsporthalle ist bereits alles vorbereitet: Jetzt fehlt nur noch der Impfstoff.Fotos: J. Fiedler
Von Kornelius Fritz
WAIBLINGEN. Richard Sigel hatte es schon geahnt: „Ich habe meine Zweifel, dass pünktlich Mitte Januar ausreichend Impfstoff im Kühlschrank liegen wird, damit wir die angedachten rund 750 Impfungen am Tag umsetzen können“, hatte der Rems-Murr-Landrat kurz vor Weihnachten erklärt. Seine Skepsis war berechtigt: Am Donnerstag kündigte Sozialminister Manne Lucha (Grüne) an, dass der für 15. Januar geplante Start der Kreisimpfzentren mangels Impfstoff um eine Woche verschoben wird. Eine Nachricht, die im Waiblinger Landratsamt für enttäuschte Gesichter sorgte, denn dort hatten zahlreiche Mitarbeiter auch zwischen Weihnachten und Neujahr mit Hochdruck gearbeitet, damit das Impfzentrum pünktlich fertig wird.
Nun soll es erst am 22. Januar losgehen, aber auch dann werden die begehrten Ampullen wohl bei Weitem nicht in den Mengen verfügbar sein, die eigentlich benötigt würden. „Der Rems-Murr-Kreis rechnet zunächst mit 300 Impfdosen pro Woche für die mobilen Teams und 180 für das Kreisimpfzentrum“, erklärt Leonie Ries, Pressesprecherin des Landkreises. Die mobilen Teams haben bereits kurz nach Weihnachten damit begonnen, Bewohner und Mitarbeiter in Pflegeheimen vor Ort zu spritzen. Nach Angaben des Landratsamtes wurden bei dieser Aktion bis jetzt rund 450 Personen im Rems-Murr-Kreis geimpft.
Über 80-Jährige, die nicht in einem Heim leben, müssen sich hingegen gedulden. Für sie geht es frühestens in zwei Wochen los, und auch dann werden nur die wenigsten das Glück haben, schnell an die Reihe zu kommen. Bleibt es bei der angekündigten Menge an Impfstoff, wird das Kreisimpfzentrum zunächst nur am 22. und 23. Januar für jeweils sechs Stunden öffnen. Danach heißt es Warten auf die nächste Lieferung. Solange die Liefermenge nicht erhöht wird, sollen sich die Türen der Rundsporthalle nur an den Wochenenden öffnen.
Impftermine können ab 19. Januar vereinbart werden.
Dabei ist das Kreisimpfzentrum eigentlich für ganz andere Kapazitäten ausgelegt: Im Zwei-Schicht-Betrieb wären bis zu 750 Impfungen pro Tag möglich, und das an sieben Tagen pro Woche. Die Vorbereitungen sind dafür bereits weitgehend abgeschlossen, auch die für die Abwicklung nötige IT-Ausstattung wurde inzwischen in der Halle installiert. „Das Impfzentrum wäre einsatzbereit“, erklärt Leonie Ries. Lediglich ein paar optische Verschönerungsarbeiten stehen noch an. „Uns ist wichtig, dass die Menschen in einer Umgebung geimpft werden, die den sonstigen Standards entspricht, die wir im Rems-Murr-Kreis bei der medizinischen Versorgung anstreben“, erklärt die Pressesprecherin.

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Handwerker erledigen noch letzte Arbeiten im neuen Kreisimpfzentrum. Ab 22. Januar sollen die Bewohner des Rems-Murr-Kreises hier den ersehnten Coronaschutz erhalten.
Auch personell ist das Kreisimpfzentrum für den Start gerüstet: Aus über 500 Bewerberinnen und Bewerbern hat das Landratsamt einen Personalpool für die administrativen Aufgaben zusammengestellt. Geleitet wird das Team von Führungskräften aus der Kfz-Zulassungsstelle: „Sie haben Erfahrung mit kundenintensiven Bereichen“, erklärt Ries.
Das medizinische Fachpersonal für die Impfungen wollte eigentlich das Land Baden-Württemberg zur Verfügung stellen. Im Landratsamt hat man inzwischen aber Zweifel, ob das wirklich klappt. Damit es nicht noch zu weiteren Verzögerungen wegen Personalmangels kommt, hat der Landkreis deshalb seine zwischenzeitlich gestoppte Personalsuche wieder gestartet: „Gemeinsam mit den Hilfsorganisationen DRK, Malteser und DLRG werden wir nun auch eigenes medizinisches Personal für unser Kreisimpfzentrum einstellen“, kündigt die Pressesprecherin an.
Keinen Einfluss hat der Landkreis hingegen auf die Terminvergabe: Die erfolgt landesweit zentral über die Hotline 116 117 und über die Internetplattform www.impfterminservice.de. Der Wunsch des Landkreises, die Terminvergabe dezentral selbst zu organisieren, wurde abgeschmettert. Termine für die Kreisimpfzentren können nun frühestens ab 19. Januar vereinbart werden. Wer solange nicht warten möchte, hat grundsätzlich auch die Möglichkeit, sich um einen Termin in einem der landesweiten Impfzentren, etwa im Robert-Bosch-Krankenhaus oder in der Liederhalle in Stuttgart zu bemühen. Diese sind bereits seit Ende Dezember in Betrieb. Ob man die begehrte Spritze dadurch schneller bekommt, ist jedoch eine andere Frage, denn auch dort muss man in der Regel längere Zeit auf einen Termin warten.
Rems-Murr-Landrat Richard Sigel und sein Böblinger Amtskollege Roland Bernhard haben sich in einem Brief an Sozialminister Manfred Lucha gewandt. Darin fordern sie, die Impfdosen nach der Einwohnerzahl eines Landkreises zu verteilen, denn die derzeitige Praxis benachteilige bevölkerungsreiche Landkreise.
Bis jetzt soll jedes Kreisimpfzentrum (KIZ) gleich viele Impfdosen erhalten, unabhängig davon, wie viele Menschen im jeweiligen Landkreis wohnen. Lediglich die sechs bevölkerungsreichsten Stadt- und Landkreise hatten zwei Impfzentren zugebilligt bekommen, der Rems-Murr-Kreis und der Kreis Böblingen zählten nicht dazu.
So entstehe gerade in der Anfangsphase ein Ungleichgewicht beim schnellen Erreichen des Schutzes für besonders gefährdete Personengruppen, monieren Sigel und Bernhard. Auch wenn ausreichend Impfstoff vorhanden wäre und die KIZ unter Volllast fahren könnten, wären ihre Landkreise angesichts ihrer Bevölkerungszahlen Schlusslichter in der Region Stuttgart.