Kreisbaugruppe spürt Kriegsfolgen
Die Kreisbaugruppe leidet unter den steigenden Energie- und Baukosten. Glück im Unglück ist, dass einige größere Projekte noch nicht in der Realisierungsphase sind und dass viele Gebäude keinen Gasanschluss haben. Auf die Mieter kommen deutlich höhere Heizkosten zu.

Der Abriss des ehemaligen Klinikparkhauses in Backnang hat mit einem symbolischen Baggerbiss bereits begonnen. Foto: Florian Muhl
Von Melanie Maier
Rems-Murr. Der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehenden Preissteigerung im Energiesektor sowie die Inflation wirken sich auch auf die Aktivitäten der Kreisbaugruppe deutlich aus. Zum Glück, sagt Landrat Richard Sigel beim jährlichen Pressegespräch zum Geschäftsbericht 2021, stehe die Kreisbaugruppe in dieser Hinsicht gut da. 40 Prozent des eigenen Gebäudebestands, führt Sigel aus, werden bereits über Wärmepumpen, Fernwärme oder Ähnliches statt mit Gas beheizt. Nichtsdestotrotz sei eine Energiekostensteigerung in Millionenhöhe im nächsten Haushalt eingeplant. Der Gasmangel, sagt Sigel, hänge auch über der Kreisbaugruppe wie ein Damoklesschwert. „Ich halte nichts davon, Horrorszenarien an die Wand zu malen, aber auch die Kreisbaugruppe muss ihre Hausaufgaben machen“, so Sigel. Dazu könnte im Winter auch die Absenkung der Raumtemperatur in den Kreisliegenschaften gehören. Würden die Temperatur der beheizbaren Räume in allen Verwaltungs- und Bildungsobjekten der Gruppe (die sich auf eine Fläche von rund 160500 Quadratmeter summieren) von 21 auf 20 Grad Celsius gesenkt, ließen sich sechs Prozent der Heizkosten einsparen.
Von Mai 2021 bis Mai 2022 sind die Baupreise um 17,6 Prozent gestiegen
Auf die Mieterinnen und Mieter werde das Problem erst später, mit der nächsten Heizkostenabrechnung, zukommen. Dann jedoch mit voller Wucht, schätzt Sigel: „Wir sprechen von Hunderten Prozenten.“ Das Thema werde offen kommuniziert und die Vorauszahlung für die Heizkosten ab September „sehr deutlich“ erhöht. Vor dem Herbst sollen zudem die Heizungsanlagen optimiert werden – sofern Handwerker dafür gefunden werden. „Wir werden viele Millionen Euro in die Hand nehmen müssen, um umzurüsten“, kündigt Sigel an. Die Maßnahmen würden sich langfristig gesehen aber mehr als amortisieren, sagt er.
Was die Verteuerung der Baukosten betrifft, so nehme man diese derzeit noch gelassen wahr, sagt Dirk Braune, Vorsitzender der Geschäftsführung. „Das ist aber ehrlich gesagt mehr dem Zufall oder Glück als der Planung geschuldet“, gibt er zu. Bis die nächsten großen Projekte realisiert werden, werde es etwas dauern. Der Pflegecampus in Urbach etwa soll frühestens ab dem Frühjahr 2023 umgesetzt werden, beim zweiten Bauabschnitt des ehemaligen Klinikareals in Waiblingen stehe die Vergabe erst 2024 an. „Wir können nur hoffen, dass dieser unsägliche Krieg bald vorbeigeht und die Baupreise wieder moderater werden“, so Braune. Sobald sich die Baukosten beruhigt hätten, könne weitergebaut werden. Denn mittlerweile sind es nicht mehr die Grundstückspreise, sondern die Kosten für die Herstellung, die Sorge bereiten: Laut dem Statistischen Bundesamt sind die Baupreise für Wohngebäude von Mai 2021 bis Mai 2022 um 17,6 Prozent gestiegen.
Von den geplanten 500 Sozialwohnungen sind bereits 200 realisiert
Wie bereits Ende 2021 berichtet, hat die Kreisbaugruppe ihre Strategie neu ausgerichtet. Statt entwickelte Flächen nur zu verkaufen, möchte die Gruppe verstärkt selbst Mietwohnungen bauen. So könne das Angebot an günstigen Mietwohnungen auf dem Markt vergrößert werden, die Wertsteigerung verbleibe im Kreiskonzern. Auf dem früheren Klinikareal in Waiblingen und in Kernen (auf dem künftigen Wohnquartier an der Hangweide) etwa sind derzeit rund 290 Wohneinheiten in Planung. Sie sind Teil des bereits 2017 beschlossenen Ziels der Kreisbaugruppe, 500 neue Sozialwohnungen im Rems-Murr-Kreis zu bauen. Von diesen sind mittlerweile bereits rund 200 realisiert. Zielgruppe sind Familien, die nicht mehr als 70.700 Euro Gehalt/Lohn im Jahr zur Verfügung haben. Der Landkreis unterstützt das Vorhaben mit 20 Millionen Euro an neuem Eigenkapital. „Sonst wäre das gar nicht möglich“, sagt Braune. Bis 2027 möchte die Kreisbaugruppe rund 1500 Mietwohnungen im eigenen Bestand haben, darunter etwa ein Drittel Sozialwohnungen. Durch die Mischung soll die wirtschaftliche Balance erreicht werden.
Für Geflüchtete sollen dauerhaft nutzbare Standorte entwickelt werden
Sorgen könnte der Gruppe im Lauf des Jahres auch noch die Unterbringung von Geflüchteten bereiten. In den Landeserstaufnahmestellen würden so viele Menschen wie lange nicht mehr ankommen, so Sigel. Mittelfristig möchte die Kreisbaugruppe dauerhaft nutzbare Standorte entwickeln, um weg von teuren Bestandsimmobilien und Containeranlagen zu kommen.
Ein weiteres wichtiges Thema für die Kreisbaugruppe ist die Nachhaltigkeit. Bis 2030 strebt sie das Ziel Klimaneutralität für die Kreisverwaltung an. Der erste Schritt dafür ist bereits getan: Der Immobilienbestand sei untersucht worden, momentan werde ein Maßnahmenpaket zusammengestellt, so Sigel. Durch nachhaltigen Neubau sowie die Sanierung bestehender Gebäude könne langfristig CO2 eingespart werden.
Bis 2040 sollen 40 Millionen Euro in die Sanierung investiert werden
Als Beispiel für ein besonders nachhaltiges Neubauprojekt führt Torsten Demand, Geschäftsführer der Gesundheitsgesellschaften, die neue Parkgarage und sieben Wohngebäude in der Karl-Krische-Straße in Backnang an. Die sieben dreigeschossigen Gebäude mit gesamt 48 Sozialwohnungen werden in Holzhybridbauweise gebaut. Das Dach soll mit Fotovoltaikanlagen bestückt, die betonierte Parkplätze begrünt werden. Geplant sind zudem überdachte Fahrradstellplätze und Ladesäulen für E-Autos. Das Gesamtinvestitionsvolumen umfasst rund 28 Millionen Euro. Fünf Millionen Euro steuert der Landkreis bei.
Im Gesamtbestand der Gruppe sollen bis 2040 etwa 40 Millionen Euro in die Sanierung investiert werden. Für reine Klimaschutzmaßnahmen sollen rund 4,6 Millionen Euro pro Jahr statt wie bisher etwa zwei Millionen Euro eingesetzt werden.
Mit den Zahlen aus dem vergangenen Jahr sind die Geschäftsführer und Aufsichtsrat Sigel zufrieden. Im Vergleich zum Jahr 2002 habe sich die Bilanzsumme etwa verzehnfacht, verdeutlicht Geschäftsführer Dirk Braune: „Damals lag sie noch bei 31 Millionen Euro. Das ist schon beachtlich.“
Die Gesellschaften Die Kreisbaugruppe mit ihren 86 (demnächst rund 100) Mitarbeitern ist ein Verbund aus drei Gesellschaften. Dazu gehören die Kreisbaugesellschaft Waiblingen, die Rems-Murr-Kreis-Immobilien-Management GmbH (RMIM) sowie die Rems-Murr-Gesundheits GmbH&Co. KG (RMG). Die RMG betreibt auch die Gesundheitszentren in Backnang, Schorndorf und Winnenden. Hauptgesellschafter der Kreisbaugruppe ist der Rems-Murr-Kreis mit Landrat Richard Sigel als Aufsichtsrat.
Geschäftsbericht 2021 Die Bilanzsumme belief sich zum Jahresende auf knapp 302 Millionen Euro (Vorjahr: rund 294 Millionen Euro), der Jahresüberschuss auf 4,5 Millionen Euro. Die Investitionssumme betrug 2021 etwa 28 Millionen Euro. Das Anlagevermögen lag bei rund 225 Millionen Euro.
Aufgabengebiet Die Kreisbaugruppe kümmert sich nicht nur um bezahlbaren Wohnraum, sondern betreut auch die Liegenschaften des Kreises, die Kreisschulen und die Flüchtlingsunterkünfte. Auch die Gesundheitszentren des Kreises (etwa in Backnang) sowie die Entwicklung von Bauland und Parkraum (etwa an den Rems-Murr-Kliniken) gehören zum Aufgabenbereich.
Immobilien Die Kreisbaugruppe hatte Ende des vergangenen Jahres 914 Mietwohnungen und etwa 116 Gewerbeeinheiten im Bestand. Dazu betreut sie 3359 Immobilien in einer Wohnungseigentümergemeinschaft.