Kreistagsfraktionen kommentieren den Haushaltsentwurf

In den Stellungnahmen der Kreistagsfraktionen zum Haushaltsentwurf für den Rems-Murr-Kreis gibt es nur wenig Kritik in Richtung Verwaltung. Stattdessen wird bemängelt, dass Bund und Land sich in vielen Angelegenheiten aus der Verantwortung ziehen.

Die Kreisräte mahnen Haushaltsdisziplin in den kommenden Jahren im Rems-Murr-Kreis an. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Kreisräte mahnen Haushaltsdisziplin in den kommenden Jahren im Rems-Murr-Kreis an. Foto: Alexander Becher

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Wenn es im Kreistag um die Finanzierung verschiedener Leistungen geht, ist immer wieder vom Konnexitätsprinzip die Rede. Oft wird es auch vereinfacht mit dem Spruch: „Wer bestellt, der bezahlt.“ Dieses Prinzip ist in den vergangenen Jahren in Deutschland zu kurz gekommen, da sind sich die Sprecher der Fraktionen einig. Ein Großteil ihrer Kritik richtete sich daher in den Haushaltsreden der Fraktionen, welche in der jüngsten Sitzung des Kreistags vorgetragen wurden, gegen die Vorgehensweise von Bund und Land, die die Konnexität außer Acht lasse. „Es kann nicht angehen, dass der Bund ständig neue Gesetze und Wohltaten verteilt und es nach guter alter Stammtischmanier heißt: ‚Freibier für alle, der Letzte zahlt‘“, monierte Armin Mößner, Sprecher der CDU-Fraktion. Und auch SPD-Sprecher Klaus Riedel sagte: „Ohne Mittel von Bund und Land für zahlreiche den kommunalen Ebenen übertragene Aufgaben wird es nicht gelingen, ohne finanzielle und wirtschaftliche Schrammen davonzukommen.“ Das Konnexitätsprinzip sei „schon lange aus den Fugen geraten“, so Michael Scharmann, Sprecher der Freien Wähler.

Vor allem bei den Sozialleistungen sahen die Kreisräte Nachbesserungsbedarf, schließlich reichen die Einnahmen aus der Kreisumlage zum vierten Mal in Folge nicht aus, um die Nettosozialaufwendungen zu decken. „Die Entwicklung kennt nur eine Richtung“, hob Armin Mößner im Hinblick auf den Sozialetat hervor. In den vergangenen sieben Jahren sei dieser von 190 Millionen Euro auf nun rund 260 Millionen Euro angestiegen. „Hier ist aus unserer Sicht ein besserer Ausgleich erforderlich.“

Großteil der Aufgaben des Kreises sind Pflichtaufgaben

Überhaupt seien die Eckdaten für 2024 in Zeiten multipler Krisen nicht rosig, war man sich einig. „Umso wichtiger ist es, immer wieder die eigenen Aktivitäten im Sinne einer ständigen Aufgabenkritik und einer strengen Haushaltsdisziplin zu hinterfragen“, forderte Jochen Haußmann stellvertretend für die FDP/FW-Fraktion. „Wir leben von der Substanz, die Liquidität schmilzt ab, die Verschuldung steigt stark an, die Genehmigungsfähigkeit der Haushalte gerät in Gefahr“, hob Michael Scharmann hervor. Er wies jedoch darauf hin, dass der Großteil der Aufgaben des Kreises Pflichtaufgaben oder wichtig für die Daseinsvorsorge seien. Da blieben „relativ wenig Möglichkeiten für Einsparungen“. Anne Kowatsch (Grüne) befand es als schwierig, die Aufgaben und gesetzlichen Vorgaben zu finanzieren. An vielen Positionen seien Einnahmen angesetzt, die ihrer Fraktion nicht realistisch erscheinen. „Wir sehen im Haushaltsplan ein großes Risiko.“ Auch sie verwies darauf, dass die Rücklagen bald aufgezehrt seien.

Eigentlich, so Kowatschs Folgerung, wäre es daher erforderlich, die Kreisumlage entsprechend anzupassen, zumindest aber nicht zu senken. Allerdings, so Kowatsch weiter, sehe man auch die Schwierigkeiten der Städte und Gemeinde, weswegen sich die Grünen „trotz großer Bedenken“ dem Vorschlag der Verwaltung zur Senkung der Kreisumlage anschlossen. Auch vonseiten der Fraktionen gab es keine großen Diskussionen um die Kreisumlage. Dass es kein Tauziehen gebe, „liegt am sehr fairen Vorgehen unseres Landrats“, führte Armin Mößner an. Denn obwohl der Hebesatz um einen Prozentpunkt gesenkt wird, erzielt die Kreisumlage einen neuen Rekordwert, wie verschiedene Fraktionssprecher betonten. „Eine Rekordumlage in Zeiten, in denen negative ordentliche Ergebnisse im Haushaltsplan der Kommunen inzwischen zur Regel geworden sind“, hob Michael Scharmann hervor. Jochen Haußmann wies darauf hin, dass dies für die Städte und Gemeinden ein großer Kraftakt sei.

Rems-Murr-Kreis als „leuchtendes Beispiel“

Die Investitionen des Kreises seien dank der stabilen Steuerkraftsumme im Landkreis noch zu schultern, ordnete Klaus Riedel ein. Das könne jedoch nur funktionieren, „wenn wir die Solidarität in der kommunalen Familie bewahren“. Geld, das über die Kreisumlage abgetreten wird, komme den einzelnen Kommunen schließlich auch zugute. „Jede sanierte Kreisstraße ist eine kommunale Förderung.“ Anne Kowatsch bezeichnete den Rems-Murr-Kreis als leuchtendes Beispiel dahingehend, dass viele aktuelle Probleme angepackt würden – etwa durch Investitionen in die Klimaneutralität. Armin Mößner mahnte jedoch an, Standards in allen Bereichen zu überdenken und die Digitalisierung zu nutzen, um Wünschenswertes von Leistbarem zu trennen. „Aus unserer Sicht sollten wir wieder mehr Maß halten in den kommenden Jahren, um Schulden über die Abschreibungen wieder abzubauen.“

Ein wachsendes Defizit verzeichnete Michael Scharmann bei den Rems-Murr-Kliniken. Hier wird vonseiten der Kreisverwaltung mit einem Verlust von 20,8 Millionen Euro kalkuliert, „dabei sind weitere Risiken in Höhe von 13,8 Millionen Euro noch gar nicht eingepreist“. Die Rahmenbedingungen seien von Unsicherheit und ständigen Veränderungen geprägt, die Entwicklung gelte es kritisch im Auge zu behalten, so Scharmann.

Kritik wurde auch laut in Sachen Flüchtlingsunterbringung – wenn die Kreisräte hier auch vor allem den Bund in der Pflicht sahen. Die Flüchtlingsbewegungen müssten besser organisiert sein, so Klaus Riedel. Die Hilfsbereitschaft sei groß, aber die Kräfte sind begrenzt, fügte Jochen Haußmann an. Er lobte die Veranstaltung von Kreis und Arbeitsagentur „Ausländische Fachkräfte aus Gesundheitsberufen“ und regte eine Wiederholung an. Überhaupt waren andere Länder in den Haushaltsreden sehr präsent – die Ukrainekrise etwa, allem voran aber Israel. Hier wurde unter anderem zur Solidarität aufgerufen, Jochen Haußmann forderte, jüdisches Leben hierzulande sichtbarer zu machen. Klaus Riedel verwies darauf, dass Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung und soziale Ausgrenzung keine neuen Gefahren seien. „Mehr denn je ist in dieser Zeit der gesellschaftliche Konsens gefragt. Dieser ist gefährdet.“

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Erstellt:
15. November 2023, 06:00 Uhr

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