Kretschmann besteht auf mehr Geld für Ganztagsbetreuung

dpa Stuttgart. „Übergriffig“ sei der Bund, schimpft der grüne Regierungschef. Ständig plane Berlin etwas, was Länder und Kommunen dann umsetzen und auch bezahlen müssten. Kretschmann will ein Stoppschild setzen.

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Baden-Württemberg dringt wegen des vom Bund geplanten Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Kinder in den Klassen 1 bis 4 auf mehr Geld aus Berlin. „Auch das Gute muss man bezahlen können“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. „Das ist völlig unterfinanziert.“ Er werde versuchen, den Vermittlungsausschuss des Bundesrats anzurufen, damit die Länder mit dem Bund neu über die Finanzierung verhandeln können. Im Finanzausschuss des Bundesrats seien sich die Länder sehr einig gewesen. „Wer bestellt, muss auch bezahlen“, sagte Kretschmann. „So geht es einfach nicht.“ Auch Hessen und Niedersachsen haben Widerstand angekündigt.

Die Pläne sehen vor, dass die Eltern von Kindern, die ab dem Sommer 2026 eingeschult werden, in den ersten vier Schuljahren einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung bekommen. Kretschmann sagte, zwar befürworte seine grün-schwarze Landesregierung den Ausbau der Betreuung, doch der Bund wolle von den Personal- und Betriebskosten nur zwölf Prozent übernehmen. „Es ist klar, dass es zumindest hälftig finanziert werden muss.“ Er habe intern schon signalisiert, dass er bei einem Anteil des Bundes von unter 30 Prozent das Gesetz nicht mittragen könne.

Der Bundestag hatte den Rechtsanspruch vor knapp zwei Wochen mit den Stimmen der großen Koalition beschlossen. An diesem Freitag soll der Bundesrat sich damit beschäftigen. Kretschmann sagte auf die Frage, was er tue, wenn es keine deutliche Erhöhung der Bundesmittel gebe: „Höchstwahrscheinlich muss ich das dann ablehnen.“

Der Bund stellt den Bundesländern Investitionshilfen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung und will sich langfristig mit knapp einer Milliarde Euro pro Jahr an den laufenden Betriebskosten beteiligen. Es sei immer das Gleiche, sagte Kretschmann. Der Bund locke mit relativ hohen Investitonsmitteln, doch bei den Betriebskosten sei dann „Feierabend“. Auf Baden-Württemberg kämen im Endausbau im Jahr 2030 Kosten von einer Milliarde Euro zu.

Um überall Ganztagsplätze für Grundschüler zu garantieren, sind Investitionen in Räume und Ausstattung nötig und es müssen genügend Erzieherinnen und Erzieher gefunden werden. Der Gemeindetag geht für Baden-Württemberg davon aus, dass bis 2025 etwa 200 000 zusätzliche Plätze in der Ganztagsbetreuung bei rund 400 000 Grundschülern geschaffen werden müssen.

Gemeindetags-Präsident Steffen Jäger begrüßte Kretschmanns Ankündigung, den Vermittlungsausschuss anrufen zu wollen. „Sonst werden durch eine gesetzliche Rechtsgrundlage Ansprüche und Erwartungen geweckt, die unter den bisherigen Bedingungen nicht erfüllt werden können“, sagte Jäger. „Allein für die Kommunen in Baden-Württemberg erwarten wir nach Daten des Deutschen Jugendinstituts jährliche Kosten in Höhe von 817 Millionen Euro Kosten für Personal und Räume.“

Kretschmann beschwerte sich, der Bund werde grundsätzlich immer „übergriffiger“. Ständig würden Programme aufgelegt wie der Digitalpakt, bei dem es eine Anschubfinanzierung gebe, aber die Unterhaltungskosten bei den Ländern hängen blieben. „Der Bund legt ja solche Programme auf, damit er uns reinreden kann.“ Der Grünen-Politiker sprach sich dafür aus, diesen Trend aufzuhalten und in einer Förderalismuskommission die Zuständigkeiten neu zu sortieren.

Er plädierte dabei auch für einen neuen Anlauf, dass Länder Zu- und Abschläge bei Gemeinschaftssteuern wie der Einkommens-, Umsatz- oder Körperschaftsteuer erheben könnten. Dann könnten die Länder auch selbst größere Investitionsprogramme auflegen. Er wäre „höchst vergnügt“, wenn diese Idee wieder aufgenommen würde. Zuletzt seien insbesondere die ostdeutschen Bundesländer dagegen gewesen, weil sie einen „Steuerdumpingswettbewerb“ befürchteten. Auch der Bund müsse sich darüber klar werden, was er wolle. „Mit Leuten wie dem Finanzminister (Olaf) Scholz kommt man keinen Millimeter voran.“

© dpa-infocom, dpa:210622-99-97312/3

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Erstellt:
22. Juni 2021, 14:26 Uhr

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