Rems-Murr-Landfrauen feiern 75-Jahr-Jubiläum
Seit 75 Jahren gibt es die Landfrauen im Rems-Murr-Kreis, am morgigen Samstag feiern sie ihr Jubiläum im Backnanger Bürgerhaus. Argula Bollinger ist die erste Vorsitzende der Kreislandfrauen und beobachtet, wie sich die Mitglieder und ihre Interessen im Lauf der Zeit verändert haben. Sie sagt: „Landfrau zu sein bedeutet Zugehörigkeit“
Von Carolin Aichholz
Rems-Murr/Burgstetten. Als Argula Bollinger als „Neigschmeckte“ für ihren Mann nach Burgstetten zog und 2001 die Landfrauen kennenlernte, wusste sie über die Damen nur eins: „Dass sie auf den Festle in der Umgebung einen prima Salzkuchen machen, den ich sehr liebe.“ Sie ist in Calw geboren und ihr Vater arbeitete als Pfarrer, darum sei sie viel herumgekommen. Bei ihren ersten Besuchen bei den Landfrauen in Burgstetten wurde sie von vielen „gestandenen Bauersfrauen“ so herzlich empfangen, dass sie dabeiblieb und 2003 sogar den Vorstand der Ortsgruppe Burgstetten übernahm. Seit 2017 ist sie zudem Kreisvorsitzende für den gesamten Rems-Murr-Kreis.
Auf 38 Ortsgruppen mit rund 5000 Mitgliedern (auch Männer können Fördermitglieder werden, doch sie dürfen nicht in ein Amt gewählt werden und auch selbst nicht wählen) ist sie sehr stolz, denn: „Die Pandemie hat auch uns zu schaffen gemacht.“
Mitglieder und Vorstände werden jünger
Mittlerweile geht es jedoch wieder bergauf und vor allem die Altersstruktur der Landfrauen verändert sich. Die Ortsgruppen Klein- und Großheppach etwa haben einen guten Zugang zu jungen Frauen gefunden und unter anderem mit Erziehungsseminaren speziell junge Mütter angesprochen. Und die bringen dann oft noch weitere potenzielle Landfrauen aus ihrem Bekanntenkreis mit. „Viele jüngere Frauen interessieren sich auch wieder für die herkömmlichen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. Vor allem Brotbacken, aber auch Fermentieren oder Sockenstricken sind gefragt“, freut sich Argula Bollinger.
Sportkurse, kreative Angebote und exotischere kulinarische Exkurse wie die Zubereitung von Sushi oder ein Gintasting geraten ebenfalls ins Blickfeld der Damen. „Jede Ortsgruppe kann sich bei den Planungen ihrer Veranstaltungen an den Interessen ihrer Mitglieder orientieren.“ Der Generationswechsel erreicht auch die Vorstandsebene der Ortsgruppen. Bei Argula Bollinger in Burgstetten ist inzwischen die 21-jährige Hannah Schwaderer das jüngste Vorstandsmitglied. Die breit gefächerte Altersstruktur bringt frischen Wind in die Programme der Landfrauen. Line Dance, also Linientanz, ist dort inzwischen ein beliebter Kurs. „Und die jüngeren Mitglieder können an den gesammelten Lebenserfahrungen der älteren Landfrauen teilhaben“, sagt die 59-Jährige. So profitieren beide Seiten voneinander. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl macht für Argula Bollinger die Landfrauen aus. „Man kommt mit vielen unterschiedlichen Menschen zusammen. Und viele sagen zu uns, sie fühlen sich auf einmal daheim.“ Darin sieht sie auch den Grund, warum die Landfrauen seit mittlerweile 75 Jahren noch immer ordentlich Zulauf haben.
Die Landfrauen sind schon immer politisch
Profitierten die Bauersfrauen früher noch recht praktisch von den Gruppen, indem sie Tipps und Hilfe für ihre Arbeit in der Landwirtschaft bekamen, bleibt heute noch das Ziel, unterschiedliche Frauen miteinander zu verbinden und zu vernetzen. „Die modernen Landfrauen stehen anders als früher meistens noch im Arbeitsleben und müssen ihre Arbeit, Freizeit und die Familie unter einen Hut bekommen“, sagt Argula Bollinger. Dementsprechend bleiben einige Interessen wie die Ernährung zwar erhalten, Sportkurse haben inzwischen jedoch auch großen Zulauf. Ein weiterer Aspekt war damals ebenso wichtig wie heute, findet Argula Bollinger: „Die Landfrauen waren schon immer politisch.“ Viele Gesetze und Maßnahmen zum Wohl der Frauen haben die Landfrauen mit auf den Weg gebracht oder unterstützt. Und auch das politische Engagement der Kreisvorsitzenden hat es beeinflusst: „Ohne die Landfrauen wäre ich vielleicht nie Gemeinderätin geworden“, sagt Argula Bollinger.
Eine breite Zielgruppe erreichen
Den Sprung in die digitale Welt haben viele Landfrauen ebenfalls gewagt, die meisten Ortsgruppen haben mittlerweile eigene Internetauftritte und Facebook- oder Instagram-Accounts, durch die sie Interessierte über ihre Aktivitäten mehr oder weniger regelmäßig auf dem Laufenden halten.
Sichtbarkeit und Präsenz sind für die Landfrauen nach wie vor die beste Werbung. Im November waren sie auf dem Nachhaltigkeitsmarkt mit einem Stand vertreten. „Das sind natürlich auch Themen, die für junge Menschen interessant sind und mit denen wir sie erreichen können“, sagt Argula Bollinger.
Alle drei Jahre wird vom Landesverband ein Motto gewählt, das die einzelnen Kreisverbände und Ortsgruppen dann mit Leben füllen. Ab 2024 lautet es „Gemeinsam Zukunft gestalten“. Mehr dieser Gestalterinnen wünschen sich Argula Bollinger und ihre Mitstreiterinnen gerade für die Ortsgruppe in Backnang. „Wir möchten gerne für die Landfrauen und auch fürs Ehrenamt begeistern“, wünscht sich Argula Bollinger. „Das bedeutet zwar schon etwas Arbeit, aber es macht vor allem sehr viel Spaß.“
Jubiläumsfeier Die Kreislandfrauen feiern am Samstag um 17 Uhr im Backnanger Bürgerhaus ihr 75-jähriges Bestehen. Es soll ein Abend der Begegnungen werden. Über 300 Gäste werden erwartet und alle Landfrauen sind herzlich dazu eingeladen.