Landwirte unter Druck

Der Bauernverband hofft, dass die Ernte, die nicht so gut ausfällt wie erwartet, sich nicht durch anhaltenden Regen noch verschlechtert. Bei einem Treffen mit Landwirtschaftsminister Hauk werden auch politische und gesellschaftliche Themen diskutiert, die die Bauern umtreiben.

Bürgermeister Armin Mößner, CDU-Bundestagskandidatin Inge Gräßle, Landwirtschaftsminister Peter Hauk und Bauernverbandsvorsitzender Jürgen Maurer schauen sich im Milchviehbetrieb von Harald Wurst (von links) in Hinterwestermurr um. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Bürgermeister Armin Mößner, CDU-Bundestagskandidatin Inge Gräßle, Landwirtschaftsminister Peter Hauk und Bauernverbandsvorsitzender Jürgen Maurer schauen sich im Milchviehbetrieb von Harald Wurst (von links) in Hinterwestermurr um. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

Murrhardt. Grasende Kühe auf den Hängen in der Nähe des Waldes, Kolleginnen, die sich im Stall am bereitgelegten Futter gütlich tun: Harald Wurst hat bei seinem Hof den Schwerpunkt auf Milchwirtschaft gelegt, die Hälfte der Tiere ist auf der Weide, die andere in den Stallungen des Guts bei Hinterwestermurr. Seine rund 65 Hektar bewirtschaftet er zu 85 Prozent als Grünland, hinzu kommen Mais- und Getreideanbau (acht und sieben Hektar).

Der Landwirt hat am Abend eine ganze Reihe Besucher – neben Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) weitere Vertreter aus Politik und Verwaltung und zahlreiche Mitglieder des Bauernverbands Schwäbisch Hall/Hohenlohe/Rems. Zum einen informieren die Verbandsleute über Ernte und Anliegen, zum anderen tauscht man sich über Entwicklungen und Probleme aus. In dieser Hinsicht sind für Hauk widersprüchliche Phänomene augenfällig: Die öffentliche Wertschätzung gegenüber der Landwirtschaft sei zurückgegangen, gleichzeitig der Wunsch nach regionalen Produkten in Zeiten von Corona groß. „Der Konsument ist ein seltsames Wesen“, sagt der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Zwar plädiere er für Tierwohl, beim Einkauf entscheide er sich aber letztlich meist anders. Die Bereitschaft, viel Geld für einen Grill oder eine Kücheneinrichtung auszugeben, kontrastiere mit dem Kauf von Billigprodukten im Lebensmittelbereich. Allerdings hält Hauk nichts davon, den Menschen mit erhobenem Zeigefinger zu kommen, sondern setzt auf Argumente. „Wir müssen überzeugen.“ Das bedeutet eine kontinuierliche Aufklärungs- und Informationsarbeit. Insgesamt müsse die Wertschätzung der Leistung übers Produkt oder Transferleistungen umgesetzt werden, sprich Ausgleichszahlungen bei bestimmten Härten. Bei Ansprüchen wie Tierwohl und Emissionsschutz gelte es, die Interessensfelder gegeneinander abzuwägen, auch wenn ein Austarieren nicht immer ganz leicht sei.

Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner unterstreicht, dass er um das Engagement der Landwirte, die sich um die Landschaftspflege durch Nutzung verdient machten, froh sei. Er nimmt ein gewisses Auseinanderdriften der Lebenswelten beispielsweise bei Besuchen von Touristen des Schwäbischen Waldes wahr und appellierte an das gegenseitige Verständnis.

Was die Ernte anbelangt, so dämpft Jürgen Maurer, Vorsitzender des Bauernverbands Schwäbisch Hall/Hohenlohe/Rems, allzu große Erwartungen. Entgegen der Hoffnung fielen die Erträge beispielsweise bei der Wintergerste eher ernüchternd aus. „Vermutlich fehlen einfach die Sonnenstunden“, sagt Maurer. Die Einschränkungen bei der Düngung und wegfallende Pflanzenschutzmittel seien ein enges Korsett, das den Landwirten zu schaffen mache und einen verlässlichen Acker- und Futterbau erschwere. „Ich appelliere an die Politik und Gesellschaft, diese Bereiche mit Vernunft zu regulieren“, sagt er. Die Bauern wüssten sehr wohl, dass sie mit ihrem Grund und Boden pfleglich umzugehen haben, er sei ihr Kapital. Angesichts mancher Darstellungen in den Medien oder von NGOs sei er erschreckt, wie Landwirte an den Pranger gestellt würden. Auch er halte die Bewahrung von Biodiversität für wichtig, aber ein Umsteuern in die komplett gegenteilige Richtung sei für die Landwirte schwierig, er setze auf Kompromisse. Man dürfe sie nicht überfordern. Eines seiner Beispiele: Schweinebauern, die mit sinkenden Preisen kämpften, teils am Existenzminimum kratzten und gleichzeitig bei Stallbauprojekten Probleme hätten. Eine zentrale Aufgabe für Maurer ist die Nahrungsmittelsicherung im Land, und er sieht die nachlassende Motivation von Kollegen mit Sorge, weil sie in ihrem Handlungs- und Gestaltungsspielraum immer mehr eingeschränkt würden. Für den Bauernverbandsvorsitzenden geht es darum, dass die Landwirte nicht als Randgruppe wahrgenommen werden, sondern ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft verteidigen, und insofern ruft er die jüngeren Kollegen dazu auf, für (lokal-)politische Ämter zu kandidieren, um ihre Interessen entsprechend zu vertreten.

In der offenen Runde kommen viele Themen, Probleme und Streitpunkte zur Sprache. Die Palette reicht von der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete und deren Festlegungskriterien über sich verändernde Märkte bis hin zu Tierwohl- und gesellschaftlichen Zukunftsfragen.

Nachfrage bei Schweinefleisch geht massiv zurück

Ernte Die ersten Ergebnisse zeigen, dass das Getreide vom Regen profitiert hat, die Qualität und Kornfülle aber schlechter als erwartet sind. Die Erntephase verschiebt sich wohl um rund vier Wochen – bis Ende August/Anfang September. Beim Mais reicht das Spektrum von sehr schwachen bis sehr guten Beständen. Besonderheit ist ein Drahtwurmbefall (regional), dessen Bekämpfung wegen wegfallender Beizmittel laut Bauernverband nicht möglich war.

Märkte Während der Verband bei Getreide und Raps auf gute Preise hofft, stehen die gestiegenen Rohstoffkosten dem an sich nicht schlechten Milchpreis entgegen. Der Schweinefleischverbrauch geht in Deutschland massiv zurück, man rechnet mit einem dramatischen Einbruch im Verbandsgebiet. Die Rindfleischpreise sind ordentlich, Probleme gibt es infolge der Blauzungenkrankheit beim Transport/Export. Der Bauernverband empfiehlt, die Chancen der regionalen Vermarktung zu nutzen. In Verbindung mit der Förderpolitik des Landes Baden-Württemberg über das Fakt-Programm gibt es beispielsweise Zuschüsse für die Erhaltung regionaler Rassen, die in den meisten Fällen den Mehraufwand für besondere, vom Verbraucher gewünschte Haltungsmethoden ausgleichen können. Gleiches gilt für Tiere, die über das Programm „Initiative Tierwohl“ vermarktet werden können. Es lassen sich nennenswerte zusätzliche Prämien erzielen.

Entwicklung Die Trends in der Bevölkerung gehen weiter in Richtung Förderung und Forcierung der Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele. Dem Tierwohl kommt eine zunehmende Rolle in der öffentlichen Diskussion zu. Doch trotz des Rufs nach höheren Tierwohlstandards erhalten bei der Einkaufsentscheidung die preisgünstigen Produkte den Vorzug, so der Bauernverband.

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Erstellt:
7. August 2021, 06:00 Uhr

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