Lebensmittelkauf im Netz: Wie gut funktioniert’s?
Vier Anbieter im Stuttgart-Vergleich – Auswahl und Preise unterscheiden sich stark
Das Geschäft mit dem Online-Handel von Lebensmitteln wächst. Doch viele Menschen haben solche Dienste noch nie genutzt. Wir haben Bringdienste getestet, die auch in Stuttgart liefern.
Stuttgart Um halb acht abends steht der Paketbote vor der Türe: gelb-rote Jacke, Schildmütze, wie man das von den normalen Paketlieferungen der DHL eben kennt. Der junge Mann, um die 30, nicht besonders kräftig, hat zwei große Boxen dabei: In der schwarzen Styroporkiste sind die gekühlten, frischen Lebensmittel, in der gelben Box ist die nicht verderbliche Ware. „Das schleppe ich zur Not bis in den achten Stock“, sagt der Mann „Es gibt viele, die sich vor allem Getränke und andere schwere Sachen liefern lassen.“ Die Lebensmittellieferungen würden zunehmen, sagt er, das merke man deutlich. Er fährt von 17 bis 21 Uhr, für Rewe, für Real und für ein paar andere auch. Manchmal hat er 48 Stopps. „Es sind vor allem ältere Leute, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, und junge, die kein Auto haben und sich die Getränkekisten lieber liefern lassen.“
Das Geschäft mit dem Lebensmittel-Online-Handel wächst: So lagen im zweiten Halbjahr 2018 die Umsätze der Online-Supermärkte laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel weit über dem Vorjahresniveau. Auch 2017 hatte das Geschäft bereits kräftig zugelegt. Doch trotz der Wachstumseuphorie beträgt der Anteil am gesamten Lebensmittelumsatz noch immer nur um die zwei Prozent. So ganz scheinen die Deutschen den Online-Diensten noch nicht zu trauen – oder sie suchen sich die Produkte lieber im Laden aus statt auf dem Bildschirm.
Was Bioläden mit Gemüsekisten und lokalen Lieferangeboten schon seit Jahren vormachen, versuchen inzwischen auch die großen Supermarktketten, zumindest die meisten. So bietet Rewe einen Lieferservice in 75 Städten an, Real liefert in neun Ballungszentren. Bringmeister, der zu Edeka gehört, bedient bisher nur die Großräume München und Berlin. Bei Lidl kann man online lediglich sogenannte Kochboxen bestellen, und bei Edeka werden keine frischen Lebensmittel verschickt.
Doch die klassischen Supermarktketten haben Konkurrenz: Mytime.de, Getnow, Natur.com, Amorebio oder Allyouneed Fresh heißen die Online-Supermärkte. Neu ist das Start-up Picnic, seit anderthalb Jahren mischt auch Amazon Fresh mit einem riesigen Angebot auf dem deutschen Lebensmittelmarkt mit – beide bisher aber nur in einigen Städten. In Stuttgart sind die beiden neuesten Anbieter nicht verfügbar.
Doch wie funktioniert der Einkauf im Netz? Und wo liegen die Fallstricke? Die Stiftung Warentest hat kürzlichzehn große Lebensmittelhändler im Netzbeurteilt – und fand bei den meisten erhebliche Mängel. Probleme sahen die Tester vor allem bei der Kühlung der Lebensmittel: In 56 Prozent seien kühlpflichtige Produkte bei der Anlieferung zu warm gewesen, berichtet Ina Bockholt von der Stiftung Warentest. „Wenn die Kühlkette unterbrochen ist, können sich Keime vermehren und die Lebensmittel vorzeitig verderben.“ Weil schwer nachvollziehbar sei, wie lange die Produkte unterwegs seien und mit welchem System sie kühl gehalten werden, rät sie, kühlpflichtige Produkte zu prüfen, schnell zu verzehren oder Fleisch heiß zu erhitzen.
Dennoch könne das Bestellen bei Online-Anbietern durchaus eine tolle Sache sein, beispielsweise wenn man schlecht zu Fuß sei oder kleine Kinder habe. „Der Bestellprozess und die Abwicklung klappen reibungslos und pünktlich“, sagt Ina Bockholt. „Die Kühlsysteme werden noch besser werden, da sind die Anbieter noch mitten in der Entwicklung.“ Viele der Online-Anbieter halten dagegen: Mit Kühlfahrzeugen, Kühlakkus oder speziellen Lieferboxen stelle man die richtige Temperatur sicher. Und wer Lebensmittel im Supermarkt einkaufe, müsse diese nach Hause bringen – und unterbreche da die Kühlkette mitunter ebenfalls.
Wir wollten wissen, was in Stuttgart möglich ist – und wie das Bestellen im Netz in der Region funktioniert. Wer in der Landeshauptstadt lebt, hat bisher noch nicht die ganz große Auswahl an Lieferdiensten. Daher haben wir in einem stichprobenartigen Versuch vier Anbieter in Stuttgart getestet: den regionalen Bioanbieter Lieferladen, den Service von Rewe, den deutschlandweit agierenden Dienst von Allyouneed Fresh sowie den von der Stiftung Warentest mit „befriedigend“ noch am besten bewerteten Online-Händler Mytime.de. Anhänger von Edeka können ihre Produkte zwar im Netz bestellen, müssen sie aber in der Bahnhofsbox am Stuttgarter Hauptbahnhof selbst abholen. Viermal bestellten wir möglichst den gleichen Warenkorb: eine Mischung aus frischen Backwaren, gekühlten Waren, leicht zu beschädigenden Produkten – Sahnebecher, Chips und Dinge wie Shampooflaschen, die leicht auslaufen können – sowie schweren Gegenständen wie Sektflaschen.
Schon bei der Auswahl der Lebensmittel zeigen sich Unterschiede. So ist beispielsweise bei Mytime.de die Auswahl an Gemüse recht begrenzt. Schränkt man sich dann auch noch auf das Schlagwort Bio ein, gibt es nur noch wenige Produkte. Regionale oder von Bioland oder Demeter zertifizierte Produkte ebenso wie frische Backwaren finden sich hier im Vergleich zu anderen Anbietern kaum im Angebot wieder.
Für solche Bedürfnisse gibt es dafür den regionalen Online-LebensmittelhändlerLieferladen, der in Stuttgartschon seit acht Jahren überwiegend Bioprodukte aus der Region zu den Leuten bringt, 30 bis 40 Bestellungen sind es inzwischen jeden Tag. Der Service mit frischen Brötchen und Wurst aus der Region hat aber auch seinen Preis, das zeigt unser Vergleich. Ein so weit wie möglich identisch zusammengestellter Warenkorb mit 13 Produkten ist bei Allyouneed Fresh 13 Euro billiger als bei Lieferladen – trotz ähnlich hoher Liefergebühr.
Die Stiftung Warentest sieht Probleme bei der Kühlung
Auch einen regionalen Lieferdienst gibt es in Stuttgart