Lebensretter zu Gast bei Aktenzeichen XY
Wie ein Vater aus Baden-Württemberg den Mord an einem Baby verhinderte
Andreas Bichert findet im Oktober 2023 einen ausgesetzten Säugling in einem Altglascontainer. Später wird der Familienvater aus Langenau bei Ulm mit dem XY-Preis ausgezeichnet. An diesem Mittwoch erzählt er von seiner Rettungstat live im Studio.
Von Florian Dürr
Auf dem Heimweg vom Männerabend hört Andreas Bichert Geräusche, die er nicht zuordnen kann. Es ist gegen 1.30 Uhr, eine kühle Oktobernacht im vergangenen Jahr in der 16 000-Einwohner-Stadt Langenau bei Ulm (Alb-Donau-Kreis). Vielleicht doch ein Bier zu viel, wie seine Frau zu Hause scherzt? Doch den 40-jährigen Familienvater lässt sein unangenehmes Bauchgefühl – auch nach mehreren Schlucken Wasser – nicht los.
Er macht sich deshalb noch einmal auf den Weg zu der Stelle, an der er die Geräusche zuvor vernommen hatte. Dieses Mal wird ihm klar: Es sind die Schreie eines Babys, die aus einem der Altglascontainer kommen. Als Bichert mit der Taschenlampe seines Smartphones genau nachschaut, kann er nicht glauben, was er dort sieht: Zwischen Scherben, weggeworfenen Weinflaschen und Glasbehältern liegt ein hilfloser, erst mehrere Stunden alter Säugling. „Als ich da an dem Container stand, war ich echt überfordert. Ich wusste nicht, wie ich handeln soll“, berichtet Bichert später in einem Beitrag, der in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ ausgestrahlt wird.
„Andreas Bichert hat den Mord an einem Neugeborenen verhindert“
Der 40-Jährige macht aber instinktiv das Richtige, wählt sofort den Notruf. Doch die Minuten des Wartens fühlen sich für ihn in dem Moment an wie eine Ewigkeit. Also handelt der Familienvater selbst, zieht das Baby vorsichtig aus der kleinen Öffnung und wickelt es in sein T-Shirt ein, um es bis zum Eintreffen der Rettungskräfte vor der Kälte zu schützen.
An diesem Mittwoch nun berichtet Andreas Bichert von seiner Rettungstat live im Studio bei „Aktenzeichen XY“. „Ich bin aufgeregt, vor der Kamera ist nichts für mich“, sagt der Familienvater am Dienstag. Der Langenauer ist einer von mehreren mit dem XY-Preis ausgezeichneten Menschen, die in Notsituationen mutig eingegriffen haben. „Andreas Bichert hat den Mord an einem Neugeborenen verhindert“, heißt es in der Begründung der Jury: „Sein Handeln folgte beispielloser Umsicht und Aufmerksamkeit, wodurch er ein noch so junges Menschenleben bewahrt hat.“
38-jährige Mutter zu zehn Jahren Haft verurteilt
Auch die Stadt Langenau hat den 40-Jährigen gewürdigt: In einer Art Goldenem Buch durfte sich der Familienvater verewigen. „Die Stadt dankt Andreas Bichert für seine aufmerksame Wahrnehmung und sein beherztes Eingreifen. Dieser Einsatz verdient Respekt und größte Anerkennung“, heißt es auf der Internetseite.
Die Mutter hatte den Säugling ausgesetzt, kurz bevor Bichert ihn fand. Das Landgericht Ulm hat die 38-Jährige wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu zehn Jahren Haft – inzwischen rechtskräftig – verurteilt. „Meine Frau hat zu mir gesagt: ‚Das ist wie unser drittes Kind’“, sagt Bichert im ZDF.
Nächste Woche ist ein Treffen mit der Adoptionsfamilie geplant. „Ich will das Kind sehen und ein kleines Geschenkle überreichen“, sagt Bichert. Ein Kissen, das mit dem Namen des Jungen beschriftet ist. Er hat den Zweitnamen Andreas bekommen – in Erinnerung an seinen Lebensretter.