Lena Weller möchte den Bürgern zuhören
Bürgermeisterwahl Weissach im Tal Lena Weller möchte die erste Bürgermeisterin der Tälesgemeinde werden. Auf dem Wochenmarkt und beim Verteilen von Flyern informiert sie darüber, was sie in der Gemeinde gern anpacken würde.
Von Melanie Maier
Weissach im Tal. Es ist nicht einfach, sich als Bürgermeisterkandidatin vom Wochenmarkt zu verabschieden. Immer wieder neue Menschen kommen auf Lena Weller zu, die an diesem sonnigen Morgen neben einem Tisch mit Flyern und Marmeladengläsern gegenüber den Marktständen – und zwischen ihren zwei Konkurrenten Daniel Gutmann und Daniel Bogner – steht. Sie möchten mit der 26-Jährigen ins Gespräch kommen, haben Fragen dazu, wie Weller als Bürgermeisterin dabei helfen würde, den vielen Misteln auf den Streuobstwiesen beizukommen, wie sie Fahrradfahrer unterstützen würde – aber auch, warum sie eine Maske trägt. Die sei ja gar nicht notwendig, meint eine Frau. „Da kommen wir leider nicht zusammen“, sagt Weller. „Ich bin geimpft, geboostert und habe mich heute Morgen nochmals getestet.“ Die Coronapandemie nimmt die Wahlkämpferin, die in der Tälesgemeinde aufgewachsen ist und momentan ein staatliches Bildungszentrum im sächsischen Schleife leitet, nicht auf die leichte Schulter.
Auf alle anderen Fragen aber hat sie eine Antwort. Streuobstwiesen, betont Weller, seien „ein ganz wichtiges Thema für die Gemeinde. Sie sind prägend für unsere Landschaft.“ Bezüglich der Mistelproblematik, nach der sich Helmut Erlenbusch aus dem Weiler Aichholzhof erkundigt, informiert sie sich wiederum bei dem 72-Jährigen, der selbst 120 Bäume auf Streuobstwiesen hat: „Welche Hilfe würden Sie sich konkret von der Gemeinde wünschen?“ Den Bürgerinnen und Bürgern zuhören und erst dann auf ihre Anliegen eingehen, ist Weller wichtig.
Vielleicht liegt’s an ihrem Studium. Sie hat einen Master in politischer Psychologie von der britischen Bournemouth University und einen zweiten in Staatswissenschaften mit den Schwerpunkten Politikwissenschaft und öffentliches Recht von der Universität Erfurt. Davor hat sie den Bachelorstudiengang „Governance and Public Policy“ in Passau absolviert. Bei ihrem aktuellen Arbeitgeber ist sie im Bereich Fördermittel eingestiegen. Als eine Führungsposition frei wurde, habe ihr Chef sie gefragt, ob sie das nicht machen wolle, berichtet sie.
Die nächste Fragestellerin wartet schon. Dorothee Knaupp aus Cottenweiler fragt nach der Sicherheit der Radwege. Vor allem in der Welzheimer Straße findet es die 71-Jährige „lebensgefährlich“, Rad zu fahren. „Ich fahre selbst oft mit dem Fahrrad. Da muss man definitiv etwas machen“, stimmt Weller zu. Das Thema Wohnen interessiert Knaupp ebenfalls. Weller erklärt, sie würde gerne etwas gegen den Leerstand tun. Denn Platz für neue Baugebiete stehe in Weissach nicht unbegrenzt zur Verfügung.
„Für mich ist aber nicht das Alter das Entscheidende, sondern, dass ich die Qualifikation habe“
Dann kommt eine indirekte Frage auf, die ihr vermutlich öfter, als ihr lieb ist, gestellt wird: „Sie sind ja mutig, so jung und als Frau zu kandidieren!“ Alle drei Bewerber seien sehr jung, bejaht Weller. „Für mich ist aber nicht das Alter das Entscheidende, sondern, dass ich die Qualifikation und die notwendige Ausbildung für das Amt habe.“ Eine zweite Frage fügt sie selbst gleich an: Ob sie und ihr Partner Kinder haben wollen. „Ja“, sagt sie, „auch deshalb möchten wir nach Weissach zurückkommen. Ich habe mich hier nicht zufällig beworben, sondern weil ich genau hier Bürgermeisterin werden möchte.“ Dafür, dass es funktioniert, den Beruf und die Familie unter einen Hut zu bringen, sei Burgstettens Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz das beste Beispiel. „Wir hätten hier die nötige Unterstützung – meine Eltern leben in Weissach, die meines Partners in Allmersbach.“ Die Gemeinde habe zudem eine „tolle Infrastruktur“ für Familien mit Kindern, findet Weller. Dass der Beruf Bürgermeisterin keiner sei, bei dem man von 9 bis 17 Uhr im Büro sitze und danach nach Hause gehe, wisse sie. „Genau das gefällt mir daran!“
Gegen 10.15 Uhr kommt Wellers Partner Richard Gebauer, um den Stehtisch mitzunehmen. Er ist am Karlsruher Institut für Technologie tätig. Für den Wahlkampf seiner Freundin hat er sich zwei Wochen frei genommen. „Ohne ihn wäre das alles gar nicht möglich“, sagt Weller. Auch von Freunden, Bekannten, der Familie und von Menschen, die sie bisher gar nicht gekannt habe, erfahre sie viel Unterstützung, für die sie „wahnsinnig dankbar“ sei. Den Wahlkampf bezahlt Weller, die sich seit Jahren als SPD-Mitglied kommunalpolitisch engagiert, zum Großteil zwar aus der eigenen Tasche. Finanzielle Hilfe bekommt sie aber auch von Menschen, die ihr nahe stehen, von Parteimitgliedern und von Bürgern, die sie bei ihrem Vorhaben unterstützen wollen. „So ein Wahlkampf ist sehr teuer“, sagt sie. Deshalb versuchen sie und ihre Helfer auch, so viel wie möglich selbst zu machen. Ihre Webseite zum Beispiel hat Weller selbst gestaltet, ihr Partner kümmerte sich um die Technik. Dass sie als SPD-Mitglied neutral sein kann, steht für sie außer Frage. „Das stelle ich als Leiterin eines Bildungszentrums täglich unter Beweis“, sagt sie.
Viel Unterstützung von Parteimitgliedern und der Familie
Momentan hat die Kandidatin Urlaub – eigentlich. „Als Führungskraft muss man natürlich immer für Entscheidungen bereit stehen“, erklärt sie. Im Bildungszentrum, in dem sie tätig ist, werde gerade geschaut, wie ukrainischen Geflüchteten geholfen werden kann, zudem müsse die Rückkehr aus dem Homeoffice organisiert werden. Zeit für Freizeitaktivitäten bleibt Weller deshalb gerade wenig. Wenn sie nicht bei Vereinen, Gewerbetreibenden oder Wahlkampfterminen ist, beantwortet sie E-Mails aus Sachsen und aus der Tälesgemeinde. „Viele Bürgeranfragen kommen auch über Whatsapp und Instagram“, erzählt sie und fügt hinzu: „Der Schlaf kommt gerade ein bisschen zu kurz.“ Wenn sie es zeitlich schafft, dreht sie abends gerne noch eine Spazierrunde. Aber auch das Flyerverteilen sieht sie als sportlichen Ausgleich.
Mit einer braunen Umhängetasche, in der sich Broschüren und weitere Gläser mit Apfelgelee verstecken („selbst gemacht, mit Saft von Streuobstwiesen aus dem Täle“, so Weller), macht die Bürgermeisteraspirantin sich auf den Weg in die Wohngebiete. „Mein Anspruch ist es schon, mit möglichst vielen Menschen in Kontakt zu kommen“, betont sie. Bei Häusern, bei denen niemand die Türe öffnet, wirft sie eine Broschüre in den Briefkasten. Wellers Marmelade wird von allen gerne genommen, ein Gespräch kommt nicht immer zustande. „Ich bin gerade in einem Meeting“, sagt ein junger Mann mit Bart im Türrahmen. „Wir wissen, wer Sie sind – unsere Stimme haben Sie!“, teilt ihr ein älteres Ehepaar mit. Eine Frau mit Hund begrüßt sie: „Ah, unsere neue Bürgermeisterin macht einen Rundgang!“
Auf die Frage, warum die Bürgerinnen und Bürger sie wählen sollten, sagt Weller, sie habe die nötige Verwaltungs- und Führungserfahrung – nicht nur durch ihre aktuelle Stelle, sondern auch durch ihr jahrelanges ehrenamtliches Engagement. Zudem kenne sie sich mit Fördermitteln aus, sei in ihrem Beruf für einen großen Haushalt zuständig und arbeite regelmäßig mit Rathäusern, Landkreisen und Ministerien. „Ich bin hier aufgewachsen, ich kenne das Täle von klein auf. Aber ich war lange genug weg, um frischen Wind mitzubringen“, fügt sie hinzu. Sie könne sich selbstverständlich nur mit ihren Ideen vorstellen, „das ist eine demokratische Wahl mit drei gut geeigneten Kandidaten.“ Für sie selbst spreche nicht zuletzt ihre soziale Kompetenz. „Als Bürgermeisterin lautet die Aufgabe, zu vermitteln und Menschen zusammenzubringen.“