Limousinrinder werden beschlagnahmt

Über einen langen Zeitraum hinweg erfüllt ein Kirchberger Rinderhalter die tierschutzrechtlich untermauerten Vorgaben des Landratsamts nicht und erhält nun ein Rinderhalteverbot. Hauptgrund ist ein fehlender Unterstand für die Tiere.

Die Limousinrinder sind grundsätzlich für eine ganzjährige Weidehaltung geeignet. Laut Tierschutzgesetz müssen sie freilich wie alle Tiere verhaltensgerecht untergebracht werden. Das beinhaltet ausreichende Witterungsschutzmöglichkeiten. Das hatten diese Rinder in Kirchberg nicht.

© Ingrid Knack

Die Limousinrinder sind grundsätzlich für eine ganzjährige Weidehaltung geeignet. Laut Tierschutzgesetz müssen sie freilich wie alle Tiere verhaltensgerecht untergebracht werden. Das beinhaltet ausreichende Witterungsschutzmöglichkeiten. Das hatten diese Rinder in Kirchberg nicht.

Von Ingrid Knack

KIRCHBERG AN DER MURR/BURGSTETTEN. Es ist ein bitterkalter Samstag im Februar 2021. Auf einer kleinen Anhöhe zwischen Kirchberg und Rielingshausen pfeift der Ostwind übers Feld. Dort stehen Tiere eines Rinderhalters aus Kirchberg in einem abgegrenzten Grundstück. Es handelt sich um Limousinrinder, die ganzjährig auf der Weide sind. Limousinrinder, die ursprünglich aus der gleichnamigen französischen Region kommen, gelten als robust und genügsam. Sie können laut einschlägiger Literatur auch extremen Witterungseinflüssen wie Hitze oder Kälte trotzen. Weitere Kühe des Kirchberger Rinderhalters befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch auf anderen Weiden in Kirchberg und in Burgstall.

An jenem Samstag, an dem Rind und Mensch ein eisiger Wind um die Ohren pfeift, stehen die Limousinrinder fast regungslos da. Einen Witterungsschutz haben sie nicht. Einige Meter von der Weide entfernt sieht man ein Holzgerüst, Bauteile für einen Unterstand. Daraus ist aber ganz offensichtlich nichts geworden. Es gibt weder ein Dach noch eine Seitenwand. Und genau das ist das Problem.

Ein windgeschützter Rückzugsort fehlt nach wie vor.

Rückblende: Vor knapp einem Jahr ist es nach langem Hin und Her so weit: Die Tiere mit dem so typischen rotbraunen Fell, die auf einem Grundstück an der Murr in Kirchberg untergebracht waren, bekommen eine neue Heimat. Auf einem Hügel oberhalb der Gemeinde Kirchberg. Dort soll alles besser werden: Für die Limousinrinder, die zuvor nach anhaltenden Regenfällen im Matsch standen und obendrein keinen Unterstand hatten, der sie vor Wind und Hitze schützte. Und auch für den Kirchberger Rinderhalter, der sich nicht nur mit nicht enden wollenden Beschwerden wegen seiner Tierhaltung auseinandersetzen musste, sondern auch immer wieder mit dem Veterinäramt zu tun hatte. Im Gegensatz zu den Wortmeldungen vieler Beschwerdeführer aus der Bevölkerung hatten die Tierexperten aber weniger den Matsch im Blick – gleichwohl auch eine trockene Liegefläche für die Tiere unabdinglich ist – sondern vor allem den fehlenden Rückzugsort für die Rinder bei ungemütlichen Wetterbedingungen. Nach dem Umzug der Tiere Ende März 2020 atmen alle Beteiligten auf und in dieser Zeitung ist zu lesen: „Die zwölf Altkühe und die elf Jungrinder bekommen nun noch einen zirka 150 Quadratmeter großen Unterstand.“ Der Kirchberger Tierhalter arbeite momentan daran.

Monat um Monat verstreicht und das Thema fehlender Rückzugsort für die Tiere bleibt und bleibt aktuell. Bis Ende vergangener Woche. Wie Rems-Murr-Veterinäramtsleiter Thomas Pfisterer und Gerd Holzwarth, Dezernent im Bereich Veterinärwesen und Landwirtschaft beim Landratsamt Rems-Murr, bestätigen, sind insgesamt 28 Tiere des umstrittenen Tierhalters von vier Weiden „eingezogen“ worden. Das heißt, die Rinder wurden an andere Standorte gebracht. Mit der „Einziehung“, wie sich Pfisterer ausdrückt, seien sie auch gleich veräußert worden. Nach Abzug der für die Aktion angefallenen Kosten erhält der bisherige Besitzer das übrige erlöste Geld. Pfisterer versichert: „Wir wollen ihm möglichst viel geben.“ Vorausgegangen war zuletzt ein Verwaltungsverfahren mit dem Ziel, dass der Kirchberger seine Rinderhaltung freiwillig auflöst. Dazu hatte er eine Frist erhalten, die er aber verstreichen ließ. Rinder darf er nun nicht mehr halten. „Es gab viele verwaltungsrechtliche Kommunikationen mit dem Tierhalter“, sagt Pfisterer. Diese seien nun in dem Verbot gemündet. Das bedeutet, dass der Kirchberger fortan Rinder weder halten noch betreuen darf. Dabei habe es sich die Behörde nicht leicht gemacht, versichert Holzwarth. Aber nach einer langen Geschichte mit vielen Chancen für den Tierhalter sei nun das Fass übergelaufen.

Thomas Pfisterer: „Die Wegnahme von Tieren ist im Rahmen des Verwaltungsvollzugs das letztmögliche Mittel, das wir haben. Alles andere ist vorher auszuschöpfen. Das haben wir in diesem Fall auch getan.“ Der Rinderhalter sei sogar mehrfach unterstützt worden. Der Veterinäramtsleiter spricht von einem gemeinsamen Weg, den seine Behörde und der Rinderhalter gegangen seien. Zwei Beispiele: Auf zwei Weideflächen seien mit inhaltlicher Unterstützung des Landratsamts Rahmenkonstruktionen angebracht worden. Es sei nur noch darum gegangen, Planen anzubringen. „Dazu ist er nicht in der Lage gewesen. Es wäre eine kleine Aufgabe gewesen“, ergänzt Holzwarth. Holzwarth erinnert sich auch daran, dass einmal – übers Veterinäramt organisiert – eine Lastwagenladung Holzhackschnitzel auf eine Weide geliefert worden sei. „Das ist nicht unbedingt die Aufgabe des Veterinäramts.“

„Tiere obliegen dem Prinzip der Bedarfsdeckung und der Schadensvermeidung“, erklärt Veterinäramtsleiter Pfisterer. Es gehe darum, Leiden von den Tieren fernzuhalten. Wenn ein Rind wie in diesem Fall ganzjährig auf der Weide gehalten werde, erfordere dies, dass das Tier diese Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung auch leben könne. „In der natürlichen Umwelt wäre es so, dass das Tier freizügig in der Natur unterwegs ist und zum Beispiel bei anhaltend schlechter Witterung in einen dichten Fichtenwald geht.“ Wenn auf einer Ganzjahresweide aber ein natürlicher Bewuchs nicht zur Verfügung stehe, dann bedürfe es entsprechender Einrichtungen, beispielsweise eines Unterstands. Werde ein solcher nicht zur Verfügung gestellt, führe dies bei den Tieren zu Leiden. „Das ist im Tierschutzgesetz definiert“, so Pfisterer.

Bei den Rindern, um die es in diesem Fall geht, seien „dauerhafte Unlustgefühle“ festgestellt worden. Denn sie seien nicht nur immer wieder schutzlos Starkregen, sondern auch großer Hitze ausgesetzt gewesen. Zudem führt Pfisterer Versorgungslücken an und betont, dass eine trockene Liegefläche für die Tiere unbedingt notwendig sei. Würden einem Tier erhebliche und länger anhaltende Leiden zugefügt, könne dies sogar als Straftat verfolgt werden. Im Verwaltungsrecht sei geregelt, dass solche Fälle begleitet werden müssten, um den „Tatbestand“ zu beheben. Thomas Pfisterer: „Das ist auch hier der Fall gewesen.“

Gerd Holzwarth sagt: „Einerseits sind die Tiere sein Ein und Alles. Andererseits gibt er aber nicht das, was man geben würde, wenn sie das Ein und Alles von einem wären. Das ist ein Widerspruch in sich selber.“ Und was sagt der Mann, dessen Tiere beschlagnahmt wurden? „Kein Kommentar.“

Eine Rahmenkonstruktion für den Witterungsschutz auf der Weide zwischen Kirchberg und Rielingshausen wurde erstellt, allein haltbare Abdeckplanen fehlten bis zuletzt. Fotos: I. Knack

Eine Rahmenkonstruktion für den Witterungsschutz auf der Weide zwischen Kirchberg und Rielingshausen wurde erstellt, allein haltbare Abdeckplanen fehlten bis zuletzt. Fotos: I. Knack

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Erstellt:
15. März 2021, 11:30 Uhr

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