Lokführer aus dem Verkehr gezogen
Ein aktueller Fall aus Sachsen-Anhalt wirft Frage nach Alkohol im Job auf – In manchen Berufen ist Trinken schon am Vorabend tabu
Mal einen über den Durst trinken, das geht in der Freizeit, aber nicht am Arbeitsplatz. Doch nur für wenige Berufe gibt es ein striktes Promilleverbot. Ansonsten gilt: Die Menge macht’s.
Frage: Was ist bei Wittenberg geschehen?
Antwort: Mit 2,49 Promille Alkohol im Blut ist ein Lokführer des ICE 993 von Hamburg nach Leipzig an Wittenberg in Sachsen-Anhalt vorbeigerauscht. Der Zug erreichte mit 65-minütiger Verspätung sein Ziel. Als Grund gab die Deutsche Bahn eine „Verzögerung im Betriebsablauf“ an. Die Reisenden nach Wittenberg seien mit der S-Bahn zurückgefahren, sagte ein Bahn-Sprecher.
Frage: Dürfen Lokführer während ihrer Schicht Alkohol konsumieren?
Antwort: Für Lokführer gilt eine Null-Promille-Grenze. Verstöße dagegen werden der Bahn zufolge nach einem strengen Regelwerk geahndet. Der Triebfahrzeugführerschein wird sofort eingezogen und dem EisenbahnBundesamt übergeben. Um ihn zurückzubekommen, muss der Betroffene anhand medizinisch-psychologischer Untersuchungen belegen, dass kein krankheitsbedingter Alkoholmissbrauch vorliegt und eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen ist.
Frage: Ist dies ein Einzelfall?
Antwort: Nein. Es werden aber nur wenige Fälle bekannt, weil sich die betroffenen Firmen aus Imagegründen bedeckt halten. Zwei Beispiele: Juni 2017: Ein Lokführer wird in Stolberg aus dem Verkehr gezogen. Zwei Fahrgäste hatten sich auf der Fahrt von Aachen nach Stolberg über das abrupte An- und Abfahren des Regionalzuges gewundert und den Lokführer direkt angesprochen. Weil der 30-Jährige betrunken wirkte, alarmierten sie die Polizei. Ein Alkoholtest ergab einen Wert jenseits der zwei Promille. März 2017: Zwei Mitarbeiter des BMW-Werkes in München sorgen für einen Produktionsstillstand. Die Männer hatten in ihrer Pause reichlich Alkohol getrunken und einen Joint geraucht. Noch vor Ende ihrer Spätschicht kollabierten sie, ihre Kollegen riefen den Notarzt. Das Fließband musste für 40 Minuten gestoppt werden.
Frage: In welchen Berufen darf man gar keinen Tropfen Alkohol zu sich nehmen?
Antwort: Kraftfahrer, Taxifahrer, Busfahrer, Piloten, Rettungsdienstfahrer, Polizisten sowie Ärzte im Dienst oder Bereitschaftsdienst dürfen keinen Tropfen trinken. Dieses strikte Verbot gilt schon für den Vorabend, sonst droht eine Abmahnung oder Kündigung – unabhängig davon, ob es sich um eine aktuelle Promillezufuhr oder Restalkohol handelt.
Frage: Was ist mit anderen Berufsgruppen?
Antwort: Ein unausgesprochenes Alkoholverbot existiert für solche Berufe, in denen mit gefährlichen Stoffen oder Maschinen hantiert wird. Handwerker müssen während der Arbeit auf der Baustelle genauso nüchtern sein wie Kran-, Bagger- oder Anlagenfahrer.
Frage: Wann ist Alkohol bei der Arbeit erlaubt?
Antwort: In Deutschland herrscht kein generelles Alkoholverbot am Arbeitsplatz. Mitarbeiter dürfen trinken, solange sie ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht verletzen und ihre Leistung nicht beeinträchtigt wird. Der Arbeitgeber kann ein allgemeines Alkoholverbot aussprechen. Wer dagegen verstößt, kann abgemahnt oder gekündigt werden.
Frage: Wie viel Alkohol darf man zu sich nehmen?
Antwort: Jeder Arbeitnehmer unterliegt einem relativen Alkoholverbot. Das heißt: Er ist verpflichtet, dass seine Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigt ist. Da die Verträglichkeit von Alkohol individuell sehr unterschiedlich ist, gibt es keine gesetzlich festgelegten Promillewerte.
Frage: Sind Beschäftigte, die trinken, versichert?
Antwort: Ja, aber das gilt nur für die gesetzliche Unfallversicherung. Private Versicherer zahlen nicht, wenn ein Unfall auf Alkoholkonsum zurückzuführen ist. Ansonsten springt die Berufsgenossenschaft ein, die bei grober Fahrlässigkeit Regress fordert. Wer „säuft“ und vorsätzlich grob fahrlässig handelt, haftet für einen Teil des Schadens. Es ist aber immer eine Frage des Einzelfalls oder richterlichen Ermessens, ob der Verursacher und in welcher Höhe er zur Kasse gebeten wird.
Frage: Steht auch der Arbeitgeber in der Pflicht?
Antwort: Dem Arbeitgeber obliegt die Fürsorgepflicht für die Beschäftigten. Er muss betrunkene Mitarbeiter auffordern, den Arbeitsplatz umgehend zu verlassen, damit er sich und andere nicht gefährdet.