„Man weiß nie, was einer durchgemacht hat“
Sechstklässler der Backnanger Max-Eyth-Realschule stellen Oberbürgermeister Maximilian Friedrich ihre selbst gedrehten Kurzvideos zu gesellschaftspolitischen Themen vor und kommen mit ihm ins Gespräch.
Von Carmen Warstat
Backnang. Der englische Begriff Reel hat mehrere Bedeutungen, darunter auch den der Filmrolle. Genau das bezeichnet der populäre Instagram-Trend. Kurze Filmschnipsel, die humorvoll, informativ oder werbewirksam sein können und etwa von sogenannten Influencern verbreitet werden.
Solche heutzutage allgegenwärtigen Produktionen kritisch unter die Lupe zu nehmen und selbst kreativ zu werden hat jüngst die Klasse 6c der Max-Eyth-Realschule in Angriff genommen und dabei tatkräftige Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung erhalten. „Get reel! – Deine Story zählt“ heißt das Format im Rahmen des Programms „Safe! Streiten und anerkennen: Freiheit erleben“, das von den meist 13-Jährigen mit großem Fleiß und eigenen Ideen umgesetzt wurde.
An vier Tagen traf sich die 6c mit Helen Schiff und Nina Wessel von der Landeszentrale für politische Aufklärung und Klassenlehrerin Sabrina Dell’Oso, um zunächst ihr Mediennutzungsverhalten zu betrachten, sich in Gesprächen dem Demokratiebegriff anzunähern und im Anschluss ihre eigenen gesellschaftlichen und politischen Interessen zu sammeln. In Gruppenarbeit wurden Drehpläne für Social-Media-Kurzfilme erarbeitet. Nach ihrer eingehenden Beschäftigung mit dem Komplex Desinformationen und Fake News gingen die Schüler an die Dreharbeiten für fünf Reels. Ausgewählt hatten sie die Themen Umwelt, Leben in der Stadt Backnang, Bodyshaming, Krieg und Flucht sowie Armut. Die Drehbücher für die Kurzfilme wurden selbst erarbeitet. Auch beim Schneiden des Materials legten die Schüler selbst Hand an. Einhellig bezeichneten sie das Drehen und das Schneiden als besonders spannende Arbeitsschritte, die großen Spaß machten.
Die Vielseitigkeit der Themen beeindruckt Oberbürgermeister Maximilian Friedrich
Weitere Themen
Die Präsentation der Ergebnisse im Rathaus am fünften Tag bildete den Höhepunkt und Abschluss der Projektarbeit. Oberbürgermeister Maximilian Friedrich zeigte sich beeindruckt von der Vielseitigkeit der Themen, dem Mut und dem Ernst, mit dem die Jugendlichen diese in ihren Filmen vermittelten und mit ihm besprachen. So wurde sowohl in den Reels als auch in deren Präsentation mehrfach bekräftigt, dass niemand weiß, was etwa geflüchtete Menschen, Obdachlose oder Menschen mit Figurproblemen für eine Geschichte haben und dass sich nicht zuletzt deshalb jegliche Hänselei oder Abwertung verbietet: „Man weiß nie, was ein Mensch durchgemacht hat.“ So waren die Sechstklässler beispielsweise in den Rollen einer ukrainischen Mitschülerin, die ihren Vater im Krieg verlor und einer Obdachlosen, die seit 30 Jahren auf der Straße lebt, zu sehen und hinterfragten jeweils deren Hintergrund. Das Wissen um die Ursachen einer Situation führt zu Verständnis für den Mitmenschen, dies demonstrierten die Filme überzeugend.
Im Austausch mit den jungen Medienschaffenden bestätigte Maximilian Friedrich deren Vorbehalte gegen jede Art von Mobbing und steuerte das Beispiel eines tragischen Schicksals bei, welches die jungen Zuhörer sehr bewegte. Auch zu Fragen der demokratischen Prozesse in seinem Amt und unter anderem über konkrete städtische Projekte für ältere Kinder und Jugendliche gab er Auskunft. Der Oberbürgermeister hakte selbst ebenfalls nach und sprach seinen Gästen Respekt aus. Er sei sehr dankbar für diese Schülerinitiative, betonte Friedrich und gab den Schülern auch einige Denkanstöße mit auf den Weg. Sabrina Dell’Oso bezeichnete es, gerade nach den jüngsten Schmierereien am Schulgebäude, als besonders wichtig, ein Projekt zur Demokratiebildung durchzuführen und ergänzte: „Ich bin als Klassenlehrerin sehr stolz auf meine Schülerinnen und Schüler, die sich für bedeutende und inspirierende Botschaften entschieden haben.“