Manchmal büxen sie auch aus
Seit fast vier Jahrzehnten kümmert sich Heinz Kurz um die vierbeinigen Bewohner im Wildgehege Plattenwald. Alle zwei bis drei Tage kommt er zum Füttern, zur Zaunkontrolle und sieht nach den Tieren, die ihm sehr am Herzen liegen.

© Alexander Becher
Das Damwild und die Mufflons in dem 4,5 Hektar großen Gehege im Plattenwald sind gegenüber Besuchern etwas scheu. Fotos: A. Becher
Von Simone Schneider-Seebeck
BACKNANG. „Kommet, kommet“, ruft Heinz Kurz und wirft ein paar rote, leuchtende Äpfel ins Gehege. Aber heute ist einfach nichts zu machen. Weder die Damhirsche noch die Weibchen wollen heute in die Nähe der Hände, die sie schon seit Jahrzehnten zuverlässig füttern. Und die Mufflons lassen sich auch nicht blicken. „Wahrscheinlich liegen sie irgendwo“, vermutet Kurz. Und wenn sie mal einen gemütlichen Platz gefunden haben, bleiben sie da auch. Vielleicht sind sie sowieso etwas scheuer als sonst, da sie erst vor Kurzem Nachwuchs bekommen haben. Drei Lämmer sind es und sechs Alttiere, die gerade im Wildgehege im Plattenwald zu Hause sind. Und auch beim Damwild wird im Juni Nachwuchs erwartet, zwischen drei und fünf Jungtiere könnten es werden.
Manche Besucher werfen Biomüll oder Südfrüchte ins Gehege.
Noch ein Versuch: „Kommet, kommet!“ Nein, heute will es einfach nichts werden. Während die beiden Hirsche und ihre sechs Damen zunächst noch von der anderen Seite des Geheges zu den Besuchern herübergeäugt haben, ziehen sie sich nun ganz unauffällig zurück. Und auf einmal sind sie nicht mehr zu sehen. Im Wald ist es sehr ruhig. Vögel zwitschern ausgiebig, die Sonne scheint durch die Blätter und malt helle Bilder auf den Waldboden. Leise hört man ein brummendes Geräusch, vielleicht einen Rasenmäher, vom Waldfriedhof herüber, doch das stört den Frieden nicht. Eine Spaziergängerin ist zu dieser frühen Stunde mit ihren Hunden unterwegs.

© Alexander Becher
Füttern, Zaunkontrolle, Gehege überwachen: Der 89-jährige Heinz Kurz ist schon seit 1982 für das Gehege verantwortlich.
Seit dem Winter seien die Tiere ausgesprochen scheu, erzählt Heinz Kurz. Im Dezember war ein Mufflonbock gestorben, auch ein Tierarzt hatte ihm nicht helfen können. Vermutlich hatte er etwas gefressen, das ihm nicht bekommen ist. Die meisten Besucher seien zwar umsichtig, wenn es ums Füttern geht, aber manchmal sei es schon erstaunlich, was die Leute alles ins Gehege werfen. Da waren schon Gartenabfälle dabei, schimmeliges Brot, Südfrüchte... Brot könne durchaus gegeben werden, aber das müsse vollkommen trocken sein. „Frisches Brot geht nicht, das schimmelt schnell“, erklärt er.
Die Tiere liegen Heinz Kurz am Herzen. Immerhin kümmert er sich nun schon seit fast 40 Jahren um das Gehege. 1965 hatte man es errichtet, im Rahmen des Ausbaus des Naherholungsgebiets Plattenwald. Seither tummeln sich auf etwa 4,5 Hektar Damwild und Mufflons. Ein kleiner Bach fließt durch das Gehege. Das ist wichtig, denn „aus den Eimern saufen die nix, da sind sie ganz heikel. Das Wasser ist bisher noch nie versiegt, selbst im trockensten Sommer“, ist Kurz erleichtert.
Seit 1982 ist er für das Gehege verantwortlich. Damals ist er „zur Stadt gekommen“, erzählt der ehemalige Leiter der Grünflächenabteilung. Das Gehege wurde ihm mit unterstellt. Allerdings hat er die Pflege zunächst nur überwacht. 15 Jahre später hatte ihn dann der damalige Stadtbauamtsleiter gebeten, das selbst zu übernehmen. „Ich probiere es und mache es, solange es geht“, war die Antwort.
Und so ist es bis heute geblieben. Dabei ist Kurz mittlerweile 89 Jahre alt, auch wenn man ihm das Alter keineswegs ansieht. Unterstützung gibt es vom Bauhof. Seine Aufgaben sind das Überwachen des Geheges, das Füttern und die Zaunkontrolle. Gibt es etwas zu reparieren, übernimmt das aber der Bauhof, der ihn auch beim Füttern vertritt, wenn er einmal nicht kann. Etwa alle zwei bis drei Tage kommt er raus und sieht nach „seinen“ Tieren, egal zu welcher Tageszeit. „Nur nachts nicht“, schmunzelt er. Sie liegen ihm schon am Herzen und es ist ihm wirklich arg, dass der Mufflonbock es im Winter nicht geschafft hat. Der war nämlich zahm und ließ sich gern streicheln. „Wenn ich gekommen bin, ist er schon dagestanden. Der wollte seine Streicheleinheiten“, so Kurz. Überhaupt seien die Mufflons etwas zutraulicher als das Damwild, bis auf einen Meter kommt man an sie heran. Doch habe es auch schon einen Hirsch gegeben, der sich streicheln ließ.
Ob die Tiere Namen haben? Er lacht. Den ersten Hirsch hatte man Hugo genannt. Und das wurde zur Tradition. Allerdings wurde der erste Hugo gestohlen, niemand weiß, was aus ihm geworden ist. Die anderen tierischen Mitbewohner bleiben namenlos. Damit der Bestand nicht zu groß wird und es keine Inzucht gibt, steht man in Kontakt mit anderen Städten, um Tiere auszutauschen, vor allem mit Pforzheim.
Wie wichtig die Zaunkontrolle ist, zeigt sich nach jedem Sturm. Denn herabfallende Äste haben schon so manche Lücke hineingerissen. Und das Damwild nutzt gern die Gelegenheit für einen Ausflug in die nähere Umgebung, während die Mufflons noch nie ausgebüxt sind. Heinz Kurz rät, keine Fangversuche zu machen, wenn das Rotwild außerhalb des Geheges unterwegs ist. „Sie müssen von selbst wiederkommen.“ Und das hat bisher auch meistens geklappt, bis auf zwei Ausreißer sind in den vergangenen Jahren alle wieder zurückgekommen, auch wenn es manchmal bis zu zwei Wochen gedauert hat.
„Man muss zu den Tieren eine Beziehung haben.“
Übrigens braucht man sich nicht wundern, wenn man ab Mai nur noch geweihlose Tiere sieht. Um den 27./28. April herum werfen die Hirsche ihre Geweihe ab. Bis Ende August wachsen sie dann wieder nach. Heinz Kurz schaut immer, dass er sie aufsammelt, allerdings sind sie im Laub nicht immer so leicht aufzufinden. In der Heuhütte bewahrt er sie auf. Und wenn er eine Kindergartengruppe oder Schulklasse durch das Gehege führt, dürfen die Geweihe auch angefasst werden. Das gefällt den Kindern.
Gar keine Frage, Heinz Kurz möchte die Pflege des Geheges und seine Tiere noch lange nicht abgeben: „Ich mache das gern, man kommt raus, sieht andere Leute und kommt ins Gespräch. Und man muss zu den Tieren eine Beziehung haben.“ Gerade hapert es daran zwar ein wenig, doch er ist zuversichtlich, dass sich das bald wieder ändert.