Marina Giordano ist Stipendiatin von „Talent im Land“
Die Backnangerin Marina Giordano hat als eine von insgesamt 54 Schülerinnen und Schülern ein Stipendium des Programms „Talent im Land“ gewonnen. Neben der Schule engagiert sich die 16-Jährige in verschiedenen Bereichen. Seit Kurzem arbeitet sie beispielsweise in der städtischen Galerie.
Von Simone Schneider-Seebeck
Backnang. Blitzende Augen, strahlendes Lächeln und voller Energie – ein Blick in Marina Giordanos Gesicht und eines ist klar: Diese junge Frau wird ihren Weg machen. Die Backnangerin gehört zu den 54 Stipendiatinnen und Stipendiaten des Programms „Talent im Land“, mit dem besonders begabte Schülerinnen und Schüler gefördert werden. „Meine Klassenlehrerin hatte die Idee, mich anzumelden“, erzählt die Schülerin des Max-Born-Gymnasiums (MBG). Auch ihre Bratschenlehrerin habe sie dabei unterstützt.
Eigentlich ein Wunder, dass die 16-Jährige so gute Noten hat, denn neben der Schule engagiert sie sich noch in vielerlei Bereichen. Musik und Literatur haben es ihr angetan, seit vier Jahren nimmt sie Bratschenunterricht und spielt auch im Schulorchester. Seit Kurzem arbeitet sie zudem in der städtischen Galerie. Die Schriftstellerinnen und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts haben es ihr besonders angetan: Oscar Wilde, Jane Austen, Emily Brontë – feine Beobachterinnen und Beobachter der damaligen Gesellschaft, die es verstanden, ihre Kritik an den herrschenden Umständen in gewandte Sätze zu kleiden und die auch selbst nicht den herrschenden Konventionen entsprachen. Zudem interessiert sie sich für feministische Sachbücher.
Sie hilft bei den Hausaufgaben und liest Jüngeren vor
Wann sie genau angefangen hat, sich sozial zu engagieren, kann Marina Giordano gar nicht sagen. Etwa in der Schulbibliothek. Oft sei sie dort gewesen und schließlich habe die Bibliothekarin sie angesprochen. Ob sie nicht Lust hätte, in ihrer Mittagspause dort aufzupassen? Seither achtet sie nicht nur auf die Bücher, sondern auch auf die Schülerinnen und Schüler, die hier ihre Zeit verbringen. Sie hilft bei den Hausaufgaben und liest den Jüngeren vor.
Auch beim sozialen Warenhaus trifft man sie an. Hatte sie ursprünglich die vielfältige Bücherauswahl dort angezogen, war sie immer öfter mit den Mitarbeitern ins Gespräch gekommen und half irgendwann einfach mit. Die Unterstützung der Menschen dort mache ihr Spaß, sagt sie. Sie übersetzt etwa Briefe oder unterhält sich mit denen, die einfach mal reden möchten.
Berührungsängste hat sie keine, war sie doch auch Klassensprecherin und Teilnehmerin der Debating AG. Sprachen fallen ihr leicht, sie besucht den bilingualen Zug am MBG. Neben Deutsch und Italienisch hat sie den englischen Erdkunde-Leistungskurs gewählt. Giordano ist dreisprachig aufgewachsen. Ihre Mutter stammt aus Nordmazedonien, ihr Vater aus Italien. Gemeinsam mit Eltern und jüngerer Schwester lebt sie in Backnang-Steinbach. Besonders stolz ist sie darauf, dass sie neben ihrem Onkel die Erste in der Familie ist, die das Gymnasium besucht. Und dafür tut sie einiges. Nicht alle Fächer fallen ihr leicht, dennoch liegt ihr Notendurchschnitt bei mindestens 1,2. „Ich sitz dann auch, bis ich es kann“, sagt sie. Denn ihr war schon früh klar: „Ich wollte immer schon aufs Gymnasium.“
Die Musik ist für sie ein guter Ausgleich
Auch wenn die Schule sie nun in der 11. Klasse mehr in Anspruch nimmt – sie hat an vier Nachmittagen Mittagsschule – möchte sie ihre anderen Aktivitäten nicht einschränken. Die Musik etwa sei ein guter Ausgleich zum Lernen.
Über das Stipendium ist sie sehr dankbar. Nicht nur die finanzielle Unterstützung sei ihr wichtig, sondern auch die Chancen, die sich dadurch bieten – etwa das Kennenlernen interessanter Menschen, das Netzwerken, die Seminare, die man besuchen kann. „Die anderen Stipendiaten sind auch tolle Leute“, findet sie. Was ihr gut gefällt, ist das Studieninformationsangebot. Da könne man sich mit Studenten austauschen und von ihren Erfahrungen lernen. „Ich habe gemerkt, dass ich mich glücklich schätzen kann, dass ich hier in Deutschland geboren bin“, meint sie nachdenklich. Durch ihren Kontakt zu Geflüchteten habe sie viele Geschichten mitbekommen und so ist der Wunsch entstanden, ihnen zu helfen.
Ursprünglich wollte Marina Giordano deshalb nach der Schule Psychologie oder Jura studieren. Doch sie hat festgestellt: Einen Anwalt oder Psychotherapeuten kann nur der aufsuchen, der sich das auch leisten kann. „In die Schule kommen eigentlich alle“, meint sie. Daher möchte sie diese Menschen nun zukünftig als Lehrerin unterstützen. Außerdem ist es ihr Wunsch, etwas zurückgeben, denn während ihrer Schulzeit hat sie ebenfalls viel Unterstützung erfahren: „Mir geben meine Lehrer viel, da kann ich auch etwas zurückgeben.“
Programm Das Stipendienprogramm „Talent im Land“ unterstützt begabte Schülerinnen und Schüler aus Baden-Württemberg, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft Hürden zu überwinden haben, auf ihrem Weg zum Abitur oder zur Fachhochschulreife. Bewerben können sich Schülerinnen und Schüler ab Klasse 7 bis zu 21 Jahren.
Unterstützung Eine monatliche finanzielle Förderung für Bildungsausgaben sowie Einzelzuschüsse etwa für Klassenfahrten, ein begleitendes Seminarprogramm und individuelle Beratungen helfen den Jugendlichen dabei, die eigenen Begabungen zu entfalten und ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.
Geschichte „Talent im Land“ wurde 2003 von der Robert-Bosch-Stiftung und der Baden-Württemberg-Stiftung initiiert. Beide Stiftungen fördern die gemeinsam aufgenommenen Stipendiatinnen und Stipendiaten bis 2022. Seit 2019 tragen die Baden-Württemberg-Stiftung und die Josef-Wund-Stiftung das Programm.
Preisträger 2022 wurden 54 Stipendiatinnen und Stipendiaten ausgezeichnet. Drei Stipendien wurden von der Menold-Bezler-Stiftung, eins wurde von der Elisabeth-Stiftung übernommen. Weitere Infos gibt’s unter https://talentimland.de/programm. Die nächste Bewerbungsrunde beginnt am 1. Februar und endet am 15. März 2023.