Illegaler Bergbau in Südafrika

Massensterben unter Tage

In Südafrika werden Dutzende illegale Goldgräber tot geborgen, nachdem sie monatelang von der Polizei in den Schächten belagert wurden. Die Nation ist entsetzt – und fühlt sich an düstere Kapitel ihrer Geschichte erinnert.

Ein völlig entkräfteter Bergarbeiter wird von Rettungskräften auf einer Trage transportiert, nachdem er aus der Goldmine gerettet wurde.

© dpa/Themba Hadebe

Ein völlig entkräfteter Bergarbeiter wird von Rettungskräften auf einer Trage transportiert, nachdem er aus der Goldmine gerettet wurde.

Von Christian Putsch

Die Wut ist Mametlwe Sebei anzumerken. Mehrfach hat der Menschenrechtsanwalt gerichtlich erstritten, dass immerhin etwas Wasser und Haferflocken die Schächte des südafrikanischen Bergbauorts Stilfontein hinabgelassen werden dürfen. Seit dem vergangenen August belagert die Polizei dort die Ausgänge der Bergwerke, versucht so, ein Syndikat von Tausenden illegalen Goldgräbern zu stellen, das in den stillgelegten Schächten agiert.

Dieser Versuch endete in einem „Massenmord“, sagt Sebei am Telefon, es handele sich um eine „der schlimmsten humanitären Katastrophen seit Ende der Apartheid“. Die Polizei habe immer wieder versucht, selbst die genehmigten Rationen zu blockieren.

Medien sprechen von bis zu 100 Toten

In den vergangenen Tagen wurden nun Dutzende Tote aus den Schächten geborgen. Manche Medien berichten von mehr als 50 Toten, andere von bis zu 100 Opfern.

Mehr als 100 Zama Zamas, wie sie in Südafrika umgangssprachlich genannt werden, wurden mit Spezialgeräten völlig abgemagert, aber lebend ans Tageslicht gebracht und umgehend verhaftet. Die meisten stammten aus den Nachbarländern Mosambik, Lesotho und Simbabwe, nur zwei der Inhaftierten haben die südafrikanische Staatsbürgerschaft.

Die Behörden hatten Operation „Vala Umgodi („Das Loch schließen“), die größte ihrer Art in der Geschichte des Landes, mit dem jährlichen Schaden in Höhe von umgerechnet knapp vier Milliarden Euro begründet, der durch das verbotene Handwerk in Südafrika entsteht. Das gilt für die Branche, aber auch die Infrastruktur. Durch die Explosionen unter Tage sacken bisweilen ganze Straßen ein.

Bis in die 1970er Jahre war das Land der wichtigste Goldproduzent der Welt. Doch die einst unendlich erscheinenden Reserven sind zunehmend erschöpft. 6000 Bergwerke wurden stillgelegt. Kommerzielle Förderung lohnt sich dort nicht mehr, aber Reste des Goldrausches gibt es noch. Sie locken weiter Menschen in die Tiefe.

Südafrikas Regierung geht rigoros gegen illegalen Bergbau vor

Rund 30 000 illegale Bergarbeiter von Gold und anderen Mineralien gibt es in Südafrika. Die Regierung geht seit einem Jahr so entschieden gegen sie vor wie nie – dafür wurden auch 3300 Soldaten abgestellt.

Die Polizei behauptet, die Männer in Stilfontein hätten jederzeit herauskommen können. Menschenrechtsanwalt Sebei widerspricht entschieden. Am Eingang von zumindest einem der Schächte habe die Polizei einen Seilzug gekappt, der für das Herausklettern notwendig gewesen sei. „Die Männer mussten stundenlang durch überflutete Gänge kriechen und stürzten in dunklen Schächten ab, da ihre Lampenbatterien erschöpft waren“, behauptet er. „Die Polizei hat wie zu Zeiten der Apartheid agiert“, sagt der Anwalt.

Die südafrikanische Polizei bestritt diese Darstellung, kritisierte Menschenrechtsaktivisten wie Sebei dafür, die Regierung „wegen illegaler Aktivitäten“ vor Gericht zu zerren – das führe zu „Chaos und Gesetzlosigkeit“ im Land. Tatsächlich wurden seit August über 1500 illegale Goldgräber verhaftet, die es offenbar auch ohne die erst seit dem Wochenende eingesetzte Spezialausrüstung an die Oberfläche geschafft hatten. Doch spätestens, seit eine Regierungssprecherin zu Beginn des Einsatzes drohte, man werde die Zama Zamas „ausräuchern“, da war klar, dass auch Tote in Kauf genommen wurden.

Erinnerungen an das Massaker von Marikana

Entsetzt nimmt die Nation nun die Bilder Dutzender Leichensäcke zur Kenntnis. Sie erinnern an das Massaker von Marikana. In dem rund 200 Kilometer von Stilfontein entfernten Ort erschoss die Polizei vor 14 Jahren 34 streikende Bergarbeiter – die Aufarbeitung bestimmte über viele Jahre die Debatte, brachte sogar Präsident Cyril Ramaphosa in Bedrängnis, weil er damals als Aufsichtsratsmitglied der betroffenen Mine mehr Polizeipräsenz gefordert hatte.

Ganz so sehr wie damals stehen die Behörden in Südafrika trotz der noch höheren Todeszahlen bislang nicht unter dem Druck der Öffentlichkeit, wohl nicht zuletzt, weil anders als in Marikana überwiegend Migranten aus den Nachbarländern betroffen waren. Und weil den Zama Zamas der Ruf anhaftet, auch für andere Verbrechen in der Nähe stillgelegter Schächte verantwortlich zu sein. Doch als sich südafrikanische Minister am Mittwoch ein Bild von der Lage machen wollten, wurden sie von Angehörigen regelrecht verjagt. Und Menschenrechtsanwalt Sebei prüft eine Klage: „Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“ Dass sich die illegalen Bergarbeiter nachhaltig von den Ereignissen abschrecken lassen, darf derweil bezweifelt werden. Zama Zama bedeutet in der Sprache der Zulu so viel wie: „Probiere es weiter“.

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Erstellt:
15. Januar 2025, 17:40 Uhr

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