Geheime Pläne veröffentlicht

Mehrere Notfallpraxen in der Region Stuttgart sollen schließen

17 Notfallpraxen in Baden-Württemberg sollen Medienberichten zufolge geschlossen werden, betroffen ist auch die Region Stuttgart. Welche Konsequenzen könnte das für die Patienten haben?

Mehrere Notfallpraxen in Baden-Württemberg sollen Medienberichten zufolge schließen (Symbolbild)

© IMAGO/Funke Foto Services/JakobxStudnar

Mehrere Notfallpraxen in Baden-Württemberg sollen Medienberichten zufolge schließen (Symbolbild)

Von Lea Krug

Heftige Schmerzen oder Verletzungen, aber kein Fall für den Rettungsdienst? In solchen Fällen stehen vielerorts Notfallpraxen zur Verfügung. Doch nun sollen offenbar 17 dieser Anlaufstellen in Baden-Württemberg geschlossen werden, wie der SWR berichtet. Nachdem in den vergangenen Jahren bereits mehrere der Notfallpraxen dichtgemacht wurden, plant die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) nun offenbar, damit fortzufahren.

Auf einer Liste der betroffenen Praxen sollen beispielsweise Backnang (Rems-Murr-Kreis), Herrenberg (Kreis Böblingen) und Kirchheim Teck (Kreis Esslingen) stehen. Offiziell bestätigen will der KVBW-Pressesprecher die Details bislang nicht. Erst am Montag sollen die Standorte bekannt gegeben werden.

Die Debatte ist trotzdem entfacht. Vielerorts äußern sich Bürgermeister und Landtagsabgeordnete. Unter anderem Backnangs Bürgermeister Maximilian Friedrich kritisiert die Pläne. „Ärztliche Versorgung darf keine Frage des Wohnorts sein.“, so Friedrich. Er rief die Bevölkerung auf, die Kassenärztliche Vereinigung und die Politik zu kontaktieren, um deutlich zu machen, wie wichtig der ärztliche Bereitschaftsdienst vor Ort sei. Erst vor einigen Jahren wurde das lokale Krankenhaus geschlossen, nun soll auch die Notfallpraxis zumachen.

Das Problem ist dabei kein lokales, die ärztliche Versorgung wird zunehmend zentraler organisiert. Vor allem in den ländlichen Teilen des Landes dürften die Anfahrtswege zu den Ärzten im Bereitschaftsdienst länger werden. Die Situation in den Notaufnahmen könnte sich dadurch verschärfen, befürchten Experten.

Der Hintergrund ist eine Neuplanung der ärztlichen Bereitschaftsdienste. Ziel soll es laut den Berichten sein, dass 95 Prozent der Bevölkerung die verbliebenen Notarztpraxen innerhalb von 30 Minuten Fahrtzeit erreichen können, während die maximale Fahrzeit für den Rest bei 45 Minuten liege.

Ein Arzt spricht über die Hintergründe

Betroffene Ärzte in der Debatte zu befragen ist schwierig, sie sind offenbar dazu angehalten, die Veröffentlichung der KVBW abzuwarten. „Wir haben ein Redeverbot bekommen“ drückt es Jürgen Nüßle, ein Allgemeinmediziner aus Herrenberg im Landkreis Böblingen aus. Dass es in Zukunft wohl weniger Notfallpraxen geben soll, sei schon lange bekannt, lediglich welche es konkret betreffe, sei noch nicht offiziell. Nüßle koordiniert den ärztlichen Notdienst in Herrenberg, laut Medienberichten soll auch diese Anlaufstelle von der Streichung betroffen sein. Ob das stimmt, dürfe er nicht sagen.

Mediziner Nüßle versucht aber, auf die Hintergründe der Debatte einzugehen: „Die Belastung der einzelnen Ärzte ist hoch und der Personalmangel groß. Sie zu reduzieren, ist deshalb eine gute Idee, die Frage ist, wie die Versorgung sichergestellt wird“, so der Arzt. Er geht davon aus, dass künftig mehr Telemedizin – also etwa Sprechstunden übers Smartphone – eingesetzt werden soll, um Ressourcen zu schonen. Erfahrung gebe es damit bislang aber nur wenig.

Eine Pressesprecherin im Sozialministerium Baden-Württemberg unterstreicht seine Ausführung: „Für die Zukunft der medizinischen Versorgung gilt der Grundsatz: digital vor ambulant vor stationär. Daran werden wir uns alle gewöhnen müssen.“ Ressourcen müssten zielgenau eingesetzt werden, erklärt sie.

Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) will das Thema offenbar nächste Woche im Sozialausschuss besprechen. Seine Pressesprecherin versucht aber wohl schon jetzt, die Erwartungen zu dämpfen und verweist darauf, dass die Länder nur wenige Möglichkeiten hätten, konkrete Vorgaben zur Erreichbarkeit der Bereitschaftspraxen gebe es nicht. „Die Notfallversorgung in Baden-Württemberg ist gesichert“, erklärt sie.

Hauk spricht von „Kaputtsparen“

Weniger diplomatisch und deutlich kritischer äußert sich Landwirtschaftsminister Peter Hauk: „Ein weiteres Kaputtsparen und eine weitere Verschlechterung der medizinischen Versorgung des Ländlichen Raums ist für mich indiskutabel und nicht hinnehmbar“, betonte der Konservative.

Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha äußerte sich persönlich bislang nicht zum Thema. Kritik gibt es daran von der Opposition: „Es kann doch nicht sein, dass der zuständige Gesundheitsminister Lucha seit Tagen nichts zu den angedrohten Schließungen sagt. Der Minister verbarrikadiert sich, und lässt das ganze Land seit Tagen im Unklaren“, so Sozialdemokrat Florian Wahl, Gesundheitssprecher der SPD-Fraktion im Landtag.

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Erstellt:
16. Oktober 2024, 17:11 Uhr
Aktualisiert:
16. Oktober 2024, 17:42 Uhr

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