Hobby Horsing: Mit dem Steckenpferd über die Hindernisse
Das sogenannte Hobby Horsing, also das Reiten mit dem Steckenpferd, ist eine Trendsportart, die auch in der Region angekommen ist. Es geht unter anderem darum, Kindern früh und ohne große Hürden den Zugang zum Reitsport zu ermöglichen. Vor allem soll es aber Spaß machen.
Von Kristin Doberer
Rems-Murr. Mit eleganten Bewegungen absolvieren die drei Reiterinnen im Dressurviereck ihre Aufgabe. Die verschiedenen Hufschlagfiguren werden mit gerader Haltung ausgeführt, die Zügel sind fest im Griff, das Reittier macht leichte Nickbewegungen und die Glitzersteine am Zaumzeug funkeln bei jedem Schritt. Sieht nach einer ganz normalen Dressurstunde aus. Nur dass die Reittiere eben keine vier Beine und einen Puls haben, sondern Plüsch und einen Stock.
Das sogenannte Hobby Horsing, hergeleitet vom englischen Namen für „Steckenpferd“, ist eine Trendsportart, die mittlerweile auch in der Region angekommen ist. Am Wochenende findet sogar das erste Hobby-Horsing-Turnier in der Umgebung statt. Veranstaltet wird es vom Reit- und Fahrverein Murrgau in Rielingshausen. Und für genau diese Turnier trainieren die rund zwölf Mädchen fleißig mit ihren Steckenpferden. Der Trendsport aus Finnland (siehe Infotext) wird auch in Deutschland immer beliebter. Das zeigt sich auch an den Meldezahlen für das Turnier in Rielingshausen. 109 Steckenpferdreiterinnen und ein Steckenpferdreiter haben sich angemeldet. „Manche fahren auch von weither“, sagt die Sportwartin Jessica Holzwarth.
2021 kam man im Reitverein erstmals auf die Idee
Das Hobby Horsing gibt es bei dem Reitverein schon fast zwei Jahre, wenn auch erst seit nicht ganz einem Jahr als regelmäßiges Training. Zum ersten Mal auf die Idee kam man im Vorstand, als 2021 das jährliche Weihnachtsreiten anstand. Dabei gibt es ein Fest, bei dem unter anderem eine einstudierte Reitvorführung stattfindet, bei der verschiedenen Figuren abgeritten werden. Doch die jüngeren Kinder konnten dort meist nicht teilnehmen, erklärt die Sportwartin. „Mit sechs oder sieben Jahren haben sie das Pferd oft noch nicht so im Griff, dass sie da mitmachen können“, sagt Jessica Holzwarth. „Und dann kamen wir auf die Idee, eine Steckenpferdquadrille zu machen.“ Zunächst habe die Gruppe sich nur zum Üben für die Quadrille getroffen, seit knapp einem Jahr finden aber regelmäßige Trainingseinheiten statt.
Auch Kinder, die selbst gar nicht reiten, machen beim Hobby Horsing mit
Weil es als Zusatzaktion zum Weihnachtsreiten gedacht war, waren zu Beginn nur Mädchen dabei, die bereits im Reitverein reiten. Mittlerweile, so die Sportwartin, gibt es aber auch Teilnehmerinnen, die tatsächlich nur mit den Steckenpferden reiten. Zum Teil gibt es auch schon eigenständige Hobby-Horse-Vereine, die gar nicht an einen Reit- und Fahrverein angegliedert sind, wie es in Rielingshausen der Fall ist.
Auch bei Tanjas Pferdeparadies auf dem Dresselhof in Unterweissach gibt es seit Kurzem den Spaß mit den Steckenpferden. Die Idee dazu kam Tanja Schierle aber nicht, weil der Trend aus den nordischen Ländern nach Deutschland geschwappt war. Vielmehr kam sie gewissermaßen aufgrund von Kapazitätsproblemen dazu, die Sportart an einzelnen Samstagen anzubieten. Denn den Hof führt sie alleine, Angestellte gibt es nicht und auch die Anzahl der Pferde ist begrenzt. „Aber die Nachfrage ist sehr groß, es wollen viel mehr Kinder reiten als einen festen Platz bekommen können“, sagt Tanja Schierle.
Besonders für recht junge Kinder gebe es in der Region nicht viele Reitangebote. „Aber mit den Steckenpferden können auch ganz kleine Kinder spielerisch den Einstieg lernen.“ Die Jüngsten bei ihr sind sogar erst zwei Jahre alt. Kindern will sie so möglichst früh der Zugang zu den Tieren ermöglichen, selbst wenn diese keinen festen Platz in den regelmäßigen Reitstunden bekommen.
Auch echte Ponys werden eingebunden
Möglich wird das auch deshalb, weil bei ihren Hobby-Horse-Kursen tatsächlich nicht nur die Holzpferde zum Einsatz kommen, zudem gibt es zwischendurch Führübungen oder Schreckübungen mit den echten Ponys. Denn die Kinder sollen beim Kurs nicht nur „bespaßt“ werden, sondern von dem Kurstag auch etwas mitnehmen. Zum Abschluss gibt es deshalb für alle auch eine Urkunde.
Am vergangenen Freitag hat der Kurs zum zweiten Mal stattgefunden – und die Nachfrage ist definitiv da, so Schierle. Beide Kurstage waren ausgebucht, sie kann sich gut vorstellen, das Hobby Horsing nun regelmäßig alle zwei Wochen anzubieten. Zum Teil haben sich Kinder nach dem ersten Kurs auch gleich wieder für den nächsten angemeldet. Geeignet ist der Kurs für Kinder ab zwei bis drei Jahren, aber auch ältere Kinder waren begeistert. „Zum Teil machen dann auch die Eltern oder Omas mit“, berichtet Schierle.
Die Steckenpferde sind übrigens so verschieden wie auch echte Ponys in einem Reitstall. Viele basteln ihre Steckenpferde nämlich selbst, erzählt Jessica Holzwarth. Mittlerweile gebe es schon in den Reitsportgeschäften zahlreiche Artikel fürs Hobby Horsing. Zum Beispiel glitzernde Stirnbänder für die Plüschpferde, sogenannte Hilfszügel oder sogar spezielle Gebisse zum Tauschen sowie sogenannte Fliegenohren für die Plüschpferde. Selbst eigene Sprünge gibt es bereits. In Rielingshausen allerdings nutzt man aktuell noch Sprünge aus dem Hundesport, die seien deutlich günstiger. „Für das Turnier wollen wir sie aber etwas schmücken, damit sie besonders aussehen“, so Holzwarth.
Auch bei Turnieren soll der Spaß am Sport im Vordergrund stehen
Denn auch preislich soll der Einstieg in das Hobby niedrig sein, das regelmäßige Training übernimmt eine Ehrenamtliche, die Teilnahmegebühren halten sich dadurch gering. Und man brauche kein eigenes Pferd oder keinen eigenen Stall. „Hier sind alle gleich, nur die Leistung zählt. Und es ist zwar kein Mannschaftssport, aber die Kinder haben doch mehr miteinander zu tun als in der Reitstunde“, so die Sportwartin. Außerdem sei der Einstieg deutlich leichter als beim Reiten, schnell seien Fortschritte zu sehen.
Trotzdem ist die Trendsportart ganz schön anstrengend. Runde um Runde wird bei der Dressurübung gedreht, auch im Trab oder Galopp – also in deutlich erhöhtem Tempo – und mit ausufernden Schritten, zum Teil hochgezogenen Beinen, gestreckten Zehenspitzen und gespannter Körperhaltung. Dabei müssen die Kinder auch auf die richtige Zügelhaltung achten – bei einem Richtungswechsel muss nämlich umgegriffen werden – und darauf, dass im Galopp der richtige Fuß vorne ist, wie eben bei einer echten Dressurübung auch.
Und beim Springen müssen dann noch dazu mehrere Hindernisse gemeistert werden. Bei dem anstehenden Turnier gibt es zwei Hindernishöhen, 40 und 60 Zentimeter, die mit dem Steckpferd und in der richtigen Reihenfolge übersprungen werden müssen. Aber es geht noch höher, ihr Rekord sei 1,05 Meter, berichtet eine Reiterin aus Rielingshausen stolz. Bei manchen Prüfungen geht es auf Zeit, bei anderen um möglichst schönes Springen. Trotz dieser Herausforderung steht aber eines im Vordergrund: das Miteinander, der Spaß am Sport – und den haben die Kinder mit ihren Steckenpferden auf jeden Fall.
Herkunft Finnland gilt als Ursprungsland für Hobby Horsing. Dort üben bereits über 10000 Menschen die Trendsportart aus. Dort gibt es mittlerweile neben zahlreichen regionalen Wettkämpfen auch eine nationale Meisterschaft.
Kategorien Die verschiedenen Möglichkeiten, die Trendsportart auszuüben, orientieren sich stark an den üblichen Reiterprüfungen. So gibt es Springen auf Zeit und mit Fehlerpunkten, wenn Stangen gerissen werden. Es gibt Stilspringen, bei dem es vor allem um Haltung und eine saubere Ausführung geht. Und in den Dressurprüfungen wird Wert auf elegante Bewegungen, die richtige Haltung und Schrittfolge gelegt.
Leistungsordnung Noch gibt es keine offizielle Leistungsordnung, in der die genauen Regeln und Bewertungskriterien festgelegt sind. 2024 soll aber eine erste Fassung des „Deutschen Hobby-Horse-Regelwerks“ vorliegen.
Turnier Das Turnier des Reit- und Fahrvereins Murrgau ist das erste seiner Art in der Region. Es findet am 22. Oktober in der Reithalle des Vereins in Rielingshausen statt. Los geht es um 10 Uhr mit dem Reiterwettbewerb, anschließend folgen die Dressurprüfungen und das Springen in mehreren Schwierigkeitsgraden sowie Reiterspiele. Bei Letzteren können gegen 16.30 Uhr Interessierte den Trendsport ausprobieren. Weitere Infos gibt es unter www.pferdesportrielingshausen.de.