Mit der Nähmaschine das Klima schützen
Bürgerpreis-Kandidaten 2018: Der Weissacher Verein „Klimaschutz konkret“ beschäftigt sich unter anderem mit Upcycling
Im „Bazärle“in Cottenweiler gibt es nicht nur Gebrauchtes und Kreatives zu kaufen. Der Markt ist das Zentrum des Vereins „Klimaschutz konkret“ und soll Anlaufstelle für alle sein, die Hilfe benötigen, egal in welcher Lebenslage. Den Vereinsmitgliedern liegt nämlich nicht nur der herkömmliche Klimaschutz am Herzen, sondern auch das Klima der Menschen untereinander.

Von Silke Latzel
WEISSACH IM TAL. An ihrer Halskette ist ein Anhänger aus Kork befestigt, das Oberteil ist aus zwei unterschiedlichen Hemden zusammengenäht, an den Füßen trägt sie zwei verschiedenfarbige Schuhe: Silke Müller-Zimmermann ist die Vorsitzende des Vereins „Klimaschutz konkret“. Und die 53-Jährige lebt Upcycling, ein Thema, das einen großen Teil der Arbeit des Vereins ausmacht.
„Wir sind wie ein großes Puzzle, das sich aus vielen kleinen Puzzlestücken zusammensetzt. Jedes unserer Mitglieder steht für ein individuelles Teil, das zwar nicht dieselbe Form der anderen Teile hat, aber sich mit der eigenen Persönlichkeit und den eigenen Fähigkeiten einbringen und an die anderen anpassen kann“, erklärt Müller-Zimmermann. Deshalb verstehen sich die Vereinsmitglieder auch als „Puzzlerinnen für ein gemeinsames Miteinander“. Ein weiterer Vergleich verdeutlicht zudem den Bezug zum wichtigsten Thema der Gruppe, dem Klimaschutz. „Auch unsere Welt ist wie ein Puzzle: Wir alle sind ein Teil davon. Und es ist auch nicht schlimm, wenn mal ein kleines Teilchen fehlt, die Erde bricht auch nicht auseinander. Aber sie wird fragil, wenn immer mehr Teilchen fehlen.“ Und genau das möchte der Weissacher Verein verhindern und setzt sich deshalb für den Schutz des Klimas im Alltag ein.
Dieser betrifft viele Bereiche, nicht nur das Autofahren oder Fliegen. Auch die Wiederverwertung bereits vorhandener Ressourcen und Produkte ist ein wichtiger Aspekt. Das sogenannte Upcycling ist in den vergangenen Jahren zu einem Trend geworden, dem sich auch die Weissacher angeschlossen haben. Das Prinzip beruht darauf, die Ressourcen nicht mehr der Natur zu entnehmen, sondern Dinge nochmals zu verwenden, die bereits in Gebrauch sind. Dadurch werden nicht nur die ohnehin knappen Ressourcen geschont – Upcycling spart Geld. Den unzählige Möglichkeiten der Wiederverwertung sind dabei keine Grenzen gesetzt.
Alten Gegenständen und Kleidern wird neues Leben eingehaucht
Müller-Zimmermann und ihr 30-köpfiges Team sind ein Querschnitt der Bevölkerung: Männer und Frauen, Rentner und Schüler, Geflüchtete und Einheimische, Junge und Alte. „Bei uns kann sich jeder engagieren, unsere Tür steht allen Menschen offen. Und jeder hilft in dem Rahmen, in dem er kann, zeitlich und fachlich.“ So hat sich vor einiger Zeit eine Gruppe von Männern zusammengetan, die sich einmal im Monat im Repair-Café treffen. „Dort kann dann jeder Bürger vorbeikommen und sich dabei helfen lassen, lieb gewonnene, aber kaputte Dinge reparieren zu lassen, zum Beispiel eine Kaffeemaschine oder einen Toaster“, so die Vorsitzende. Die helfenden Hände der Männergruppe gehören Ingenieuren und Elektrotechnikern mit viel Erfahrung, die sie gerne weitergeben.
Doch nicht nur kaputten Geräten wird in Weissach, wenn möglich, neues Leben „eingehaucht“. Auch getragene und alte Kleidung, Stoffe von Flaggen, die nicht mehr benutzt werden, und vieles mehr wird wiederverwertet. „Es ist uns wichtig, zu zeigen, dass aus Altem etwas Neues entstehen kann, dass sich mit Kreativität und ein bisschen Geduld wunderschöne, individuelle und einzigartige Stücke fertigen lassen“, so Müller-Zimmermann. Auch geht es ihrem Team um die Wertschätzung der Ressourcen, die zur Verfügung stehen, und um das Bewusstsein, dass diese nicht unendlich sind.
Mit dieser Botschaft besucht die Gruppe auch Kindergärten und Schulen, zeigt dort, was sich aus alten T-Shirts alles noch machen lässt, und hilft beim Nähen. „Wir hatten zu Beginn schon ein paar Zweifel, ob wir die Kinder und vor allem auch die Jugendlichen mit unserem Thema erreichen“, gibt die 53-Jährige zu. „Aber alle Sorgen haben sich als unbegründet erwiesen. Die Schüler gehen total mit und lassen sich auf alles ein.“
Nicht nur durch Upcycling-Projekte wollen die Puzzlerinnen junge Menschen erreichen. „Wir bringen beispielsweise Messgeräte mit, die zeigen, wie viel Strom ein Elektrogerät im Stand-by verbraucht.“ Das Wissen, das vermittelt wird, ist anschaulich, wenig abstrakt und hat einen konkreten Bezug zum Alltag.
Die Upcycling-Produkte werden im „Bazärle“ in Cottenweiler zum Verkauf angeboten. Auch Auftragsarbeiten übernimmt die Gruppe gerne. Zudem sind sie deutschlandweit auf Messen unterwegs und zeigen, dass man mit vermeintlich kleinen Dingen Großes erreichen kann.
Derzeit gehen alle Einnahmen des „Bazärles“ an die Spendenaktion „Spendet Robin Lebenszeit“. Der 18-jährige Robin wohnt in Unterweissach und hat eine unheilbare Krankheit. Aber es gibt eine kostspielige Therapie, die ihm seine Lebenszeit verlängern kann. Dafür werden Spenden gesammelt. Auch krebskranke Kinder in Kiel bekommen Hilfe von den Puzzlerinnen: Sie nähen Katheterbeutel aus gebrauchter Bettwäsche, die sie nach Norddeutschland in ein Krankenhaus schicken.
Das „Bazärle“ ist allerdings weit mehr als ein Secondhandladen. „Wir wollen eine Anlaufstelle für alle sein, die niederschwellig Hilfe brauchen, egal ob Geflüchtete oder Einheimische.“ So habe man regelmäßige Öffnungszeiten, um Kontinuität zu vermitteln. „Ob Hilfe bei Behördengängen, einem Arztbesuch, einer Wohnungs- oder Ausbildungsplatzsuche: Wir können auf ein großes Netzwerk zurückgreifen und kennen immer jemanden, der weiß, wo Hilfe gefunden werden kann.“ Da passiere es auch schon einmal, das mitten in der Nacht das Handy klingelt. „Aber wir sind alle mit ganzem Herzen dabei und freuen uns, wenn wir helfen können“, sagt Müller-Zimmermann und lacht.
In einer Serie stellt unsere Zeitung die acht Kandidaten vor, die beim Bürgerpreis Rems-Murr für den Leserpreis der Backnanger Kreiszeitung und der Murrhardter Zeitung nominiert sind. Ab morgen, 16. Juni, können die Leser abstimmen und ihren Favoriten wählen.

© Pressefotografie Alexander Beche
Silke Müller-Zimmermann mit einer kleinen Auswahl der Upcycling-Projekte. Foto: A. Becher