Mit Volldampf durch die Aspacher Weinlese

Auch im Weinbau hält die Technik Einzug. Mit einem selbstfahrenden Vollernter lässt sich die Lese in wesentlich kürzerer Zeit erledigen. Die Familie Holzwarth in Aspach nutzt ihn bereits seit vielen Jahren und ist in diesem Jahr besonders froh darüber.

Weinküfer Matthias Holzwarth beobachtet das Umfüllen der Trauben aus dem Vollernter. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Weinküfer Matthias Holzwarth beobachtet das Umfüllen der Trauben aus dem Vollernter. Foto: Alexander Becher

Von Carolin Aichholz

Aspach. Die Weinlese ist in vollem Gange und die Winzer müssen in diesem Jahr unter besonders hohen Temperaturen ihre Trauben schneller als üblich lesen. Unter anderem darum ersetzen inzwischen in vielen Weinanbaugebieten Deutschlands sogenannte Vollernter die Handlese.

Das Unternehmen Holzwarth Weine aus Aspach ist das erste und einzige im Backnanger Umland, das solch einen Vollernter einsetzt. Jungwinzer Marco Holzwarth ist von seinem Nutzen überzeugt und fährt den Vollernter inzwischen auch selbst durch seine Weinberge. „Ohne die Maschine wäre die Lese für uns gar nicht mehr zu stemmen“, sagt er. „Von über 13 Hektar Anbaufläche lesen wir ungefähr die Hälfte mit dem Vollernter.“

Vom Aussehen her ähnelt der Vollernter einem schmalen, hohen Traktor. Er kann Weinberge mit bis zu 40 Grad Hangneigung befahren. Gegen ein Wegrutschen ist er zusätzlich gesichert. Mittlerweile gibt es auch noch ausgefeiltere Maschinen, die in noch steileren Lagen wie an der Mosel die Trauben lesen können. Sie erledigen alle Arbeitsschritte in nur einer Fahrt.

Der Vollernter kann in einer Fahrt über die Reben die Reihe abernten. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Der Vollernter kann in einer Fahrt über die Reben die Reihe abernten. Foto: Alexander Becher

Der Vollernter fährt tunnelartig über eine Reihe von Rebstöcken hinweg. Schüttelstäbe aus Kunststoff klopfen mit bis zu 400 Schlägen pro Minute gegen die Reben und schütteln so die Trauben ab.

Die Trauben fallen auf ein Lamellensystem, das die Stämme der Rebstöcke wandernd umschließt. Sie werden weitertransportiert und von einem starken Luftgebläse von Laub und Insekten befreit. Im nächsten Schritt entfernen drehende „Finger“ aus Kunststoff die Rispen der Traube. Diese Überbleibsel wirft die Maschine wieder aus.

Die einzelnen Beeren landen dann in einem Traubentank, je nach Hersteller und Größe des Vollernters passen dort 2000 bis 3000 Liter hinein. Dieser Tank kann hydraulisch ausgefahren werden, um die Trauben in andere Behälter umzufüllen.

Ganz ohne Handarbeit geht es nicht

Trotz maschineller Unterstützung, müssen viele Vorbereitungen nach wie vor händisch erledigt werden, sagt Marco Holzwarth. Der Vollernter unterscheidet nämlich nicht nach der Qualität der Trauben, er erntet alles, was am Rebstock hängt. „Darum gehen wir vor der Fahrt durch alle Reihen und schneiden alles weg, was wir nicht in unserem Wein haben möchten.“ Das sind dann meistens faulige oder unreife Trauben.

Die neuesten Vollerntermodelle erkennen sogar über eine Kamera an der Farbe der Trauben, wie stark die Stäbe eine Rebe schütteln müssen, damit die unreifen Trauben weiterhin an der Rebe hängen bleiben und nicht abgeschüttelt werden.

Für die Vorarbeiten an sich wird der Zeitaufwand größer. Durch die hohe Geschwindigkeit geht die eigentliche Lese trotzdem viel schneller und Helfer braucht man für diese Flächen dann auch nicht mehr, das schätzt Marcos Vater Matthias Holzwarth sehr. „Eigentlich lesen zehn bis 15 Erntehelfer einen halben Tag lang Trauben. Der Vollernter erledigt das in einer halben Stunde.“ Zudem wird man von Wetterumschwüngen weniger getroffen, weil man deutlich schneller fertig ist.

Trockeneis für kühlere Trauben. Foto: privat

Trockeneis für kühlere Trauben. Foto: privat

Außerdem bietet der Einsatz des Vollernters noch einen weiteren Vorteil: Man kann auch nachts mit ihm zur Weinlese rausfahren. „Dann stehen die Trauben nicht wie bei der Handlese üblich den ganzen Tag in der prallen Sonne, bis sie am Ende des Tages in die Kelter gefahren werden. In diesen vielen Stunden kann es wegen der Hitze auch zur Spontangärung kommen“, sagt Weinküfer Matthias Holzwarth. Das könne vor allem bei bereits leicht angefaulten Trauben schnell passieren.

Gründliche Reinigung ist wichtig

Wegen all dieser Vorteile kann sein Sohn Marco den schlechten Ruf, den der Vollernter eine Zeit lang hatte, nicht mehr nachvollziehen. „Inzwischen ist die Technik sehr fortgeschritten und gut ausgereift. Wenn gut vorgearbeitet wurde, stimmt die Qualität der Trauben und die Maschine kann alles, was nicht weiterverarbeitet wird, vorab aussortieren. Das muss dann gar nicht mehr weitertransportiert werden, sondern landet einfach wieder hier im Weinberg.“

Das Problem der Bodenverdichtung, das dem Vollernter manchmal zugeschrieben wird, kann Marco Holzwarth in diesem Jahr nicht sehen, denn dafür gab es in diesem Jahr ohnehin zu wenig Feuchtigkeit. „Und viele Weinbauern lockern den Boden dann ebenfalls mit einem Traktor wieder auf.“

Dass der Einsatz der Maschine zu mehr statt weniger Qualität führt, davon ist der 22-Jährige überzeugt. „Alle Trauben für unsere drei Premiumsorten ernten wir nur noch mit dem Vollernter.“

Nach dem Abliefern der Trauben ist eine gründliche Reinigung der Maschine natürlich besonders wichtig, vor allem wenn unterschiedliche Traubensorten, möglicherweise noch in unterschiedlichen Farben, gelesen werden. Bislang arbeiten die Holzwarths mit einem geliehenen Vollernter und das funktioniere gut, darum sieht Marco Holzwarth auch keinen Grund, selbst einen anzuschaffen.

Rekordherbst im Wengert

Stetig warme bis heiße Temperaturen sorgten in diesem Jahr dafür, dass die Weinbauern in Rekordzeit ihre Trauben ernten mussten. Liegen normalerweise drei bis vier Wochen Reifezeit zwischen den Sorten Dornfelder und Trollinger, wurden sie nun fast gleichzeitig gelesen. „So etwas gab es noch nie“, bestätigt auch Seniorchef Martin Holzwarth, der zwar Rentner ist, aber dennoch jeden Tag im Weinberg mitarbeitet. Bei den Holzwarths wird am Ende dieser Woche fast die gesamte Anbaufläche abgeerntet sein. „Hätte mir zu Beginn der Lese jemand gesagt, dass wir unsere 13 Hektar in zwei Wochen lesen müssen, hätte ich gesagt, das ist unmöglich“, sagt Jungwinzer Marco Holzwarth.

Schwieriger machten es auch die anhaltend warmen bis heißen Temperaturen. Darum wurde fast ausschließlich nachts gelesen. Bei der Handlese kam darum erstmals bei einigen Sorten Trockeneis zum Einsatz. So sollten die Trauben bis zur Weiterverarbeitung kühl gehalten und vor Oxidation geschützt werden. „Das soll noch mal für ein intensiveres Aroma sorgen und wir sind sehr gespannt auf das Ergebnis.“

Der Vollernter war in dieser Zeit umso wichtiger für Marco Holzwarth. Ohne die Maschine könnte die Lese nicht so schnell erledigt werden und Ernte- oder Qualitätseinbußen müssten in Kauf genommen werden. „Das ist die Zukunft“, sagt Marco Holzwarth. „Wer sich dem technischen Fortschritt verweigert, wird mit der Qualität der anderen nicht mehr mitkommen.“

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Erstellt:
19. September 2023, 06:00 Uhr

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