Illegales Autorennen

Zwei kleine Jungen sterben - "Ich wollte das nicht"

Eine Entschuldigung? Sinnlos findet das der verständnislose Vater: Seine Kinder sterben, als zwei Erwachsene mit Autos um die Wette rasen. Das Landgericht Hannover muss etwas klären - schon wieder.

Die Angeklagte bittet unter Tränen um Entschuldigung. Der Vater der beiden bei einem illegalen Autorennen getöten Kinder sagt: "Das bringt gar nichts."

© Michael Matthey/dpa

Die Angeklagte bittet unter Tränen um Entschuldigung. Der Vater der beiden bei einem illegalen Autorennen getöten Kinder sagt: "Das bringt gar nichts."

Von Von Thomas Strünkelnberg, dpa

Hannover - Tränen fließen im Gerichtssaal. "Es tut mir leid, ich wollte das nicht", sagt die 41 Jahre alte Angeklagte mit tränenerstickter Stimme im Landgericht Hannover. Und noch eine Frau blickt zu Boden und weint - schon vor Beginn des neuerlichen Mordprozesses wegen eines verbotenen Autorennens mit zwei toten Kindern: die Mutter der zwei und sechs Jahre alten Jungen. 

Auch der 39 Jahre alte Vater ist aufgelöst, eine Entschuldigung wolle er nicht, nur Gerechtigkeit: "Das bringt gar nichts", sagt er erregt. Seine Kinder würden dadurch nicht wieder lebendig, sein Leben nicht wieder besser. Auch seine Frau "leidet jeden Tag". 

"Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an die beiden Kinder denke"

Dann verliest der Anwalt der 41-Jährigen eine Erklärung: "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an die beiden Kinder denke", sagt demnach die Polin, die selber Mutter ist und einen Enkel hat. Sie meine zwar, für ihr Verhalten verurteilt werden zu müssen - sie könne das Geschehen aber nicht ungeschehen machen. 

Es sei unerträglich, an die toten Kinder zu denken, sie habe "suizidale Gedanken" gehabt. Aber als Mutter könne ihr der Tod der beiden Jungen nicht gleichgültig sein. Auch ihr gleichaltriger Mitangeklagter entschuldigt sich: "Ich trage eine Mitschuld am Tod der beiden Kinder." 

Mit 180 Stundenkilometern in 70er-Zone

Was war passiert? Das Landgericht sah es im April vergangenen Jahres als erwiesen an, dass sich die beiden heute 41-Jährigen nahe Barsinghausen in der Nähe von Hannover ein verbotenes Autorennen liefern. Demnach sollen sie im Februar 2022 mit ihren PS-starken Autos mit bis zu 180 Kilometern pro Stunde nebeneinanderher gerast sein - erlaubt ist dort Tempo 70. 

In einer Kurve verliert die Frau die Kontrolle, es kommt zum Zusammenstoß mit entgegenkommenden Autos. Der Wagen der Familie wird auf eine Pferdekoppel geschleudert, die angeschnallten kleinen Jungen auf der Rückbank sterben.

Bundesgerichtshof hebt erstes Urteil auf

Das Urteil des Landgerichts: Die Frau wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, Ihr Kontrahent beim Autorennen zu vier Jahren - allerdings wegen eines unerlaubten Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge. Angeklagt waren sie wegen Mordes beziehungsweise Beihilfe zum Mord. 

Im Februar hebt der Bundesgerichtshof das Urteil nach einem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung der Frau auch wegen Mordes anstrebt, sowie der Revision der beiden Angeklagten weitgehend auf. Rechtsfehler sehen die Richter des Bundesgerichtshofes, daher muss der Fall neu verhandelt werden. 

Angeklagter sagt, er habe sich provozieren lassen

Auch sei die Persönlichkeit der Angeklagten im ersten Urteil laut Bundesgerichtshof nicht berücksichtigt worden - ihr seien ein riskanter Fahrstil und Empathielosigkeit schon vor dem Unfall attestiert worden, erklärt Richterin Britta Schlingmann. Nun komme auch eine Verurteilung etwa wegen Mordes, versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung sowie wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge in Betracht. Mögliche Mordmerkmale könnten Heimtücke und niedrige Beweggründe sein. 

Die 41-Jährige lässt ihren Anwalt erklären, sie habe eine falsche Entscheidung getroffen - nämlich Gas zu geben statt zu bremsen. Sie sei "erschrocken" gewesen wegen des Gegenverkehrs, habe aber gemeint, den Wagen unter Kontrolle halten zu können. Sie habe nicht aus Egoismus gehandelt, sondern um die Gefahr abzuwenden, liest der Anwalt vor. Der gleichaltrige Mitangeklagte gibt laut Erklärung seines Verteidigers dagegen zu, er habe sich zu einem Rennen provozieren lassen. Das habe er sich erst nicht eingestehen wollen. 

Vater will nur Gerechtigkeit

"Vielleicht hilft es, von mir zu hören, dass das Gericht zum richtigen Ergebnis gekommen ist", sagt der 41-Jährige mit Blick auf das erste Urteil und an die untröstlichen Eltern gewandt. Er erneuert sein Angebot finanzieller Hilfe und bietet 30.000 Euro an - wohl wissend, dass Geld die Kinder nicht zurückbringen könne und in der Hoffnung, dass sein Angebot nicht als Unverschämtheit empfunden werde. Der Vater der beiden Jungen, ein Taxifahrer, weist das Angebot zurück: "Ich will nur Gerechtigkeit." 

Und dann wird es ganz still im Gerichtssaal, Beklommenheit ist fast mit Händen zu greifen: Es gibt einen Mitschnitt des Unfalls von einer Dashcam in einem Auto, das hinter dem Wagen der Familie fuhr - dieses Video wird gezeigt. 

Wie aus dem Nichts und rasend schnell taucht da der Wagen der 41-Jährigen in einer Kurve auf, gefühlt in Sekundenbruchteilen kommt es zu dem Unfall und der Wagen der Familie wird von der Straße geschleudert. Wohl jeder im Saal macht sich in diesem Moment klar, wie sehr auch das eigene Schicksal im Verkehr am seidenen Faden hängt.

 

War es Mord? Bei einem Unfall wegen eines verbotenen Autorennens sterben zwei kleine Jungen. Im ersten Prozess sieht der Richter keinen Tötungsvorsatz, doch der BGH widerspricht. Jetzt muss neu verhandelt werden. (Archivbild)

© Frank Tunnat/dpa

War es Mord? Bei einem Unfall wegen eines verbotenen Autorennens sterben zwei kleine Jungen. Im ersten Prozess sieht der Richter keinen Tötungsvorsatz, doch der BGH widerspricht. Jetzt muss neu verhandelt werden. (Archivbild)

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Erstellt:
18. Juli 2024, 04:16 Uhr
Aktualisiert:
18. Juli 2024, 14:37 Uhr

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