Murrsteg an der Backnanger Bleichwiese wird vorerst nicht ersetzt
Seit Oktober 2020 ist die hölzerne Fußgängerbrücke an der Bleichwiese gesperrt und die Stadt will dort auch keinen neuen Steg mehr bauen. Stattdessen gibt es Überlegungen, eine direkte Verbindung von der Bleichwiese zur Postgasse herzustellen. Doch das ist noch Zukunftsmusik.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Wer zu Fuß von der Bleichwiese zum Backnanger Marktplatz kommen möchte, der muss einen Umweg in Kauf nehmen – entweder über die Sulzbacher Brücke oder über den Ernst-Riecker-Steg beim Annonaygarten. Der direkte Weg ist seit zweieinhalb Jahren versperrt. Damals hatte sich bei einer routinemäßigen Kontrolle gezeigt, dass der hölzerne Steg über die Murr in einem so schlechten Zustand ist, dass die Sicherheit der Fußgänger nicht mehr gewährleistet ist. Der Überweg wurde daraufhin notdürftig mit Brettern verbarrikadiert. Wenig später teilte die Stadtverwaltung mit, dass der 1984 gebaute Steg nicht mehr saniert werden kann. Unter anderem sind die hölzernen Lager der Brücke innerlich verfault.
Seitdem hat sich zumindest nichts Sichtbares mehr getan und viele Passanten fragen sich, warum die Brückenruine nicht ersetzt oder wenigstens abgebaut wird.
Positiver Nebeneffekt: Die Trinkerszene ist dort nicht mehr so präsent
Antworten auf diese Fragen kann Tobias Großmann, der Leiter des Backnanger Stadtplanungsamts, geben. Er dämpft die Hoffnungen auf einen schnellen Ersatz des alten Stegs: „Wir sind der Meinung, dass wir eine Verbindung von Ufer zu Ufer dort nicht unbedingt brauchen.“ Die Erfahrungen der vergangenen zweieinhalb Jahre hätten gezeigt, dass die Fußgänger nun eben über die benachbarten Brücken ausweichen, und das habe sogar einen positiven Nebeneffekt. Denn seitdem sei der Uferweg unterhalb des Burgbergs stärker frequentiert, was dazu beigetragen habe, dass die Trinkerszene dort nicht mehr so präsent sei wie früher.
Aus Sicht der Stadtverwaltung gibt es deshalb auch keinen Druck, möglichst schnell einen neuen Steg zu bauen, der in jedem Fall einen höheren sechsstelligen Betrag kosten würde. Stattdessen denken die Stadtplaner über eine größere Lösung nach: „Wir hätten gerne eine direkte Anbindung von der Bleichwiese zur Postgasse“, erklärt Tobias Großmann. Denn die Treppe, die bisher die Innenstadt mit dem Murrufer verbindet, ist dem Amtsleiter ebenfalls ein Dorn im Auge. Müllablagerungen, Schmierereien und Uringeruch machten den Treppenaufgang „zu einem wenig attraktiven Stadtraum“. Ein neues Brückenbauwerk, das von dort oben direkt zur Bleichwiese führt, könnte dieses Problem gleich mit lösen. „Das würde städtebaulich einen großen Mehrwert bringen“, glaubt Großmann. Das Stuttgarter Büro Schlaich, Bergermann und Partner, das auch die neue Stadtbrücke am Backnanger Bahnhof geplant hat, arbeitet gerade an einer Machbarkeitsstudie, die zeigen soll, wie eine solche Fußgängerbrücke aussehen könnte.
Die große Lösung dürfte in die Millionen gehen
Die Idee ist übrigens nicht neu: Bereits im Jahr 2008, als die Bleichwiese neu gestaltet wurde, war eine solche Lösung im Gespräch. Der Stuttgarter Architekt Reginald Eckhoff hatte damals auch schon eine entsprechende Skizze präsentiert, die im Gemeinderat zwar großen Beifall fand, am Ende aber trotzdem nicht realisiert wurde. Auch heute stehen hinter einer Umsetzung etliche Fragezeichen. Zum einen wegen der Kosten, die bei einer solchen „großen Lösung“ in die Millionen gehen dürften. Zum anderen könnte die Stadt diesen Plan gar nicht alleine umsetzen. Denn die Treppe zur Postgasse und der Weg, an dem das Brückenbauwerk andocken würde, sind zum Teil in Privatbesitz. „Wir brauchen dafür also die Bereitschaft der Eigentümer“, erklärt Tobias Großmann. Erste Gespräche hätten bereits stattgefunden.
Um den Immobilienbesitzern die Mitwirkung schmackhaft zu machen, kann sich die Stadt vorstellen, diesen Bereich in ein Sanierungsgebiet aufzunehmen. Dann könnten auch Privatleute Fördergelder für ihre Investitionen bekommen. Doch so etwas hat erfahrungsgemäß einen langen Vorlauf, weshalb Tobias Großmann auch von einer „mittel- bis langfristigen Perspektive“ spricht. Und er macht außerdem deutlich, dass das Projekt aus seiner Sicht momentan nicht die allerhöchste Priorität hat: „Wir haben noch viele andere wichtige Projekte und können nicht alles gleichzeitig machen“, erklärt Großmann.
Gemeinderat favorisiert
eine „große Lösung“
Die Mehrheit des Gemeinderats hat Großmann auf seiner Seite. Zwar betonen die Sprecher der größeren Fraktionen unisono, dass sie sich wieder eine Fußgängerverbindung von der Bleichwiese in die Innenstadt wünschen, allerdings drängt auch hier niemand auf eine schnelle Umsetzung. „Ich sehe bei der aktuellen Haushaltslage keine kurzfristige Lösung“, sagt etwa der Grünen-Fraktionschef Willy Härtner. Er hält andere Projekte wie die Neugestaltung des Bahnhofs oder die Entwicklung des IBA-Areals momentan für wichtiger.
Die CDU-Fraktion wünscht sich laut Sprecherin Ute Ulfert zwar wieder einen Übergang über die Murr, ein bloßer Ersatz des alten Stegs wäre ihr aber zu wenig: „Wir wären sehr an einer Gesamtlösung interessiert, die neben der technischen Herausforderung auch das Stadtbild noch weiter aufwertet“, erklärt die Fraktionsvorsitzende. Auch Heinz Franke würde eine große Lösung begrüßen. „Eine attraktivere Verbindung zur Innenstadt wäre dringend notwendig“, sagt der SPD-Fraktionschef. Allerdings ist ihm wichtig, dass die Stadt festlegt, wann sie dieses Thema angehen will: „Es darf nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden.“
Klinghoffers Idee von einem neuen Parkhaus auf der Bleichwiese hätte einige Vorteile
Noch eine ganz andere Variante bringt Charlotte Klinghoffer ins Spiel. Die Vorsitzende der Fraktion Bürgerforum/FDP/BIG erinnert an ihren Antrag, auf der Bleichwiese ein neues Parkhaus zu bauen. „Von der oberen Etage des Parkhauses könnte man mittels Brücke barrierefrei die Altstadt erreichen.“ Ein Aufzug im Parkhaus könnte dann die zwölf Meter Höhenunterschied zur Bleichwiese überwinden.
Unabhängig von allen Zukunftsvisionen bleibt die Frage, was nun mit dem alten Steg passieren soll. Die Stadt würde ihn gerne abbrechen, doch auch das ist nicht so einfach wie gedacht, denn an seiner Unterseite führt eine Gasleitung über die Murr. Um den Holzsteg abzureißen, müsste zunächst ein sogenannter Düker, also eine unterirdische Leitung, unter der Murr hindurch verlegt werden. Wie teuer das ist, werde gerade geprüft, erklärt Tobias Großmann. Wenn diese Frage geklärt ist, soll der Murrsteg abgerissen werden. Wann es so weit sein wird, will die Stadtverwaltung heute aber noch nicht vorhersagen.