„Nach dem Fasten ist vieles sehr viel besser“
Interview 2008 hat Rainer Heller zum ersten Mal aus gesundheitlichen Gründen gefastet. Seither ist er ein Fan von Ernährungspausen. Inzwischen ist er selbst zertifizierter Fastenleiter und bietet Fastenbegleitwochen nach Otto Buchinger an.

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Beim Fasten nach Buchinger sind nur Gemüsebrühen, Tees und Säfte erlaubt. Foto: Adobe Stock/Paulista
Winnenden. Beim Fasten nach der Buchinger-Methode, sagt Rainer Heller, hat man keinen Hunger. Dafür setze das Nichtessen positive Effekte im Körper frei. Welche genau das sind, welche Nebenwirkungen es geben kann und wer lieber nicht fasten sollte, erklärt der Fastenleiter im Interview.
Herr Heller, was kann man sich unter dem Fasten nach Buchinger vorstellen?
Die Buchinger-Fastenkur gilt mittlerweile als häufigste angewandte Fastenmethode. Sie ist eine reine Trinkkur: Man nimmt nur Gemüsebrühe, Säfte und Tee zu sich. Zunächst wird der Darm durch die Einnahme von einer Glaubersalzlösung ganz entleert.
Auf wen geht diese Fastenart zurück?
Otto Buchinger (Anm. d. Red.: 1878 bis 1966) war ein Militärarzt. 1917 hatte er ein Gelenkrheuma und hat sich dann einer dreiwöchigen Heilfastenkur unterworfen. Dadurch hat er die Rheumaerkrankung praktisch komplett wegbekommen. 1920 hat er die erste seiner Buchinger-Kliniken gegründet. Dort werden bis heute mehrwöchige Fastenkuren mit ärztlicher Betreuung angeboten, die sich vor allem an Menschen mit Erkrankungen richten. Im Unterschied dazu steht das Kurzzeitfasten für Gesunde, das ich als Fastenleiter anbiete.
Wie sind Sie zum Fasten gekommen?
2008 war ich krank und musste eine Weile Medikamente einnehmen. Eine Bekannte hat mir empfohlen zu fasten. Daraufhin habe ich an einer Fastenwoche im Allgäu teilgenommen. Dabei habe ich gemerkt: Das ist voll meins. Insgesamt habe ich acht- oder neunmal im Allgäu gefastet. Dann habe ich beschlossen, selbst Fastenleiter zu werden, weil ich überzeugt bin davon, dass das das Beste ist, was man für seinen Körper tun kann. Das kann auch jeder bestätigen, der das mal gemacht hat.
Wie wird man Fastenbegleiter?
Die Ausbildung habe ich im Jahr 2019 bei der Akademie Gesundes Leben in Oberursel gemacht, die geht blockweise über ein halbes Jahr. Dabei lernt man wirklich den ganzen Körper kennen. Man widmet sich jedem Organ und schaut natürlich auch: Was passiert mit der Haut, mit der Lunge, mit dem Darm und so weiter beim Fasten?
Wann fand Ihr erstes Seminar statt?
Anfang 2020 hatte ich das erste Seminar in Winnenden. Das ging vom 7. bis 13. März. Und wenn man sich das Datum mal genauer anschaut, weiß man: Das hätte auch keinen Tag später enden dürfen, denn wegen Corona war ab dem Tag danach alles dicht. Auf das Seminar habe ich ganz viele positive Rückmeldungen und neue Anmeldungen bekommen. Wegen der Pandemie konnte das nächste aber erst im September stattfinden, natürlich unter Einhaltung der Coronamaßnahmen und mit weniger Leuten.
Wer fastet mit Ihnen? Ist das eine homogene Gruppe oder ist sie eher divers?
Also man muss wirklich sagen: Beim Fasten trifft man eigentlich immer nette Leute. 85 bis 90 Prozent sind Frauen. Ich sage immer an meinem Infoabend: Deswegen leben die Frauen auch länger, weil sie sich zeitlebens einfach auch mal ein bisschen um sich kümmern. Vielen Männern ist das Thema immer noch ein bisschen suspekt. Aber das ändert sich langsam. In der Gruppe im März machen auch zwei Männer mit. Altersmäßig ist von 30 bis 85 eigentlich alles dabei.
Welchen Effekt hat das Fasten?
Das Fasten nach Buchinger wirkt sich zum Beispiel sehr positiv auf die Haut aus. Eine Teilnehmerin hatte starke Neurodermitis. Nach fünf Tagen Heilfasten war das weg. Jetzt im Kurs ist eine Frau dabei, die möchte schwanger werden. Sie hat mich gefragt, ob sie vorher fasten soll. Das empfehle ich auf jeden Fall, man hat durch das Fasten einfach so einen Reset, einen supergesunden Körper mit tollen Blutwerten. Jetzt bin ich schon mitten im Verkaufsgespräch, gell? (lacht) Aber das ist einfach so. Nach dem Fasten ist vieles sehr viel besser. Zum Beispiel waren beim letzten Mal auch zwei Teilnehmer mit Gelenkschmerzen dabei. Die Schmerzen waren danach weg. Die zwei machen auch dieses Mal wieder mit.
Wie lang hält der positive Effekt an?
Man muss natürlich sagen: Mit fünf Tagen erreicht man nicht das Gleiche wie mit drei oder vier Wochen Heilfasten am Stück. Aber man kann das schon so zweimal im Jahr gut eine Woche machen. Das funktioniert. Und es fehlt einem ja eigentlich gar nichts. Im Gegenteil: Man hat viel mehr Zeit für sich.
Und Sie sagen: Man hungert nicht.
Ja, man hat wirklich keinen Hunger. Das Fasten fängt ja mit zwei Entlastungstagen an. Das heißt: kein Kaffee, kein Fleisch oder Fisch, kein Alkohol. Man schaut, dass man viel Ballaststoffe zu sich nimmt und den Körper auf das Fasten einstimmt. Und dann gibt es den großen Paukenschlag, sage ich immer. Am dritten Tag nimmt man eine Glaubersalzlösung, ein Abführmittel. Das führt innerhalb von zwei bis drei Stunden zu einer kompletten Darmentleerung. Und dann hat man keinen Hunger mehr, weil der Darm leer ist. Da kommt das Hungergefühl her. In den 24 Stunden danach wird Glukose abgebaut. Anschließend gibt es keine Glukose mehr im Körper. Dann setzt die Glukoneogenese ein, ein ganz tolles Wort. Das heißt, der Körper wandelt Fett in Glukose um. Man ernährt sich quasi von sich selbst. Nebenbei erneuern sich die Zellen, der Prozess nennt sich Autophagie. Man kann so bis zu 40 Tage fasten. Das ist kein Thema.
Und man hat wirklich keinen Hunger?
Man hat vielleicht schon Gelüste, wenn man Essen riecht oder sieht. Aber man hat definitiv keinen Hunger. Darüber wundern sich viele. Man trinkt aber natürlich viel mehr als sonst. Zum Abschluss kommen zwei bis drei Aufbautage, bei denen man den Körper wieder aufs Essen vorbereitet.
Fastet man vor allem aus gesundheitlichen Gründen oder um abzunehmen?
Es geht beim Fasten nicht unbedingt um den Gewichtsverlust. Das ist quasi nur das Rahmenprogramm. Wenn man natürlich vorher bei McDonald’s war und danach auch gleich wieder hingeht, hat das Fasten nicht viel gebracht. Aber das entwickelt sich quasi ganz automatisch, dass man beim Fasten darüber nachdenkt: Was nehme ich zu mir in Zukunft? Was will ich ändern?
Gibt es Nebenwirkungen?
Wer viel Kaffee trinkt, bei dem verursacht das Fasten erst mal Kopfweh. Und man hat ziemlichen Mundgeruch, weil die ganzen Giftstoffe aus dem Körper zu 80 Prozent über die Lunge ausgeschieden werden. Aber da kann man einfach einen Zitronenschnitz lutschen, Pfefferminztee trinken oder die Zähne putzen und man hat wieder frischen Atem. Das geht auch bei Berufstätigen gut.
Arbeiten kann man also trotzdem?
Das ist ja gerade das, was ich ermöglichen möchte. Man muss fürs Heilfasten keinen Urlaub nehmen oder irgendwohin fahren, sondern man kann das nebenbei machen, mit einem zertifiziertem Fastenleiter. An meinen Seminaren nehmen sehr viele Berufstätige teil. Deshalb treffen wir uns auch immer abends zum gemeinsamen Austausch und Suppetrinken. Am Wochenende findet außerdem ein Waldbaden mit einer Entspannungspädagogin statt.
Ist man nicht irgendwann zu schwach?
Im Gegenteil! Man muss sich manchmal vielleicht ein bisschen mehr konzentrieren. Aber man merkt auch: Ich hab ja ultraviel Energie, spätestens nach dem dritten, vierten Tag. Da fangen viele an, abends noch Dinge zu erledigen, die schon lange liegen.
Gibt es Leute, die nicht fasten sollten?
Auf jeden Fall. Grundsätzlich nicht fasten sollten Personen unter 16 Jahren, Menschen mit Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen. Schwer Adipöse dürfen auch nicht zum Fasten für Gesunde kommen, sie sollten sich beim Heilfasten ärztlich begleiten lassen. Wer regelmäßig Tabletten einnimmt oder sich nicht sicher ist, ob er fasten sollte, sollte das vorab mit seinem Hausarzt abklären. Schwangere sollten natürlich auch nicht fasten.
Das Gespräch führte Melanie Maier.
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Werdegang Heller wurde 1966 geboren. Er wuchs in Berglen auf. 1982 absolvierte er eine Lehre zum Koch, von 1985 an arbeitete er in verschiedenen Restaurants. Später ließ er sich umschulen zum Außenhandelskaufmann. Seit 1990 ist er im Vertrieb für regionale Fleisch- und Wurstwaren aus artgerechter Tierhaltung im Außendienst tätig.
Fasten Seit 2008 fastet Heller ein- bis zweimal pro Jahr. 2019 absolvierte er eine Ausbildung zum fachärztlich geprüften Fastenleiter. Seit 2020 bietet er Fastengruppen an. Die nächsten Fastenbegleitwochen finden vom 5. bis 10. März und vom 26. bis 31. März statt. Auch im Herbst gibt es Angebote. Mehr Infos unter www.flow-seminare.com.