Nachtkrabb und Wasserfratz auf der Spur
Zum schmotzigen Donnerstag startet in Murrhardt ein Sagen- und Fasnetsweg. Murreder Henderwäldler, Naturparkführer und Stadt haben sich zusammengetan, um Klein und Groß einen Erlebnisrundgang mit vielen Mitmachstationen zu bieten. Verkleiden ist ausdrücklich erwünscht.

© Alexander Becher
Wasserfratz und Nachtkrabb an der Station, an der sich klangvoll der Winter austreiben lässt. Wie gut sie beim Scheppern waren, können die Besucherinnen und Besucher mit einem Phonometer kontrollieren. Fotos: A. Becher
Von Christine Schick
Murrhardt. Nachtkrabb und Wasserfratz zücken die Wasserspritzen und feuern auf die Flammen hinter Stadt- und Walterichskirche sowie Rathaus. Die sind zwar nur aufgemalt, aber es dauert eine Weile, bis die Attrappe umklappt. „Kein Wunder, dass die Stadt abgebrannt ist“, lautet der etwas strenge, aber mitnichten ernst gemeinte Kommentar. Er verweist auf den Murrhardter Stadtbrand von 1765 und das Thema der zweiten Station des Sagen- und Fasnetswegs. Der Feuerbarthl als Gruppenfigur der Murreder Henderwäldler verkörpert sozusagen dieses einschneidende Ereignis, nachdem die Walterichstadt praktisch komplett neu wieder aufgebaut werden musste. Gleichsam steht er symbolisch für Wärme und Energie, erinnert an die damaligen Möglichkeiten wie Pottascheherstellung, Köhlereien und Glashütten und eine Zeit, in der das Feuer neben dem Wasser – das Terrain des Wasserfratz – die einzige Energiequelle der armen Bevölkerung war.
Die Gruppen- und Einzelfiguren der Murrhardter Narrenzunft haben alle ihre historischen Bezüge, bei denen auch die eine oder andere Sage mit hineinspielt. Eine Verbindungslinie, die auch beim Erlebnisrundgang gezogen wird. Auf ihm können sich Familien mit Kindern genauso wie Erwachsene nun Fasnet und alte Erzählwelten anhand von Mitmachstationen erschließen.
Für das Projekt haben sich drei Partner zusammengetan: die Murreder Henderwäldler, die Stadt und die Naturparkführer Walter Hieber und Manfred Krautter. Die beiden erfahrenen Themenwegematadoren, wie Bürgermeister Armin Mößner sie spontan bezeichnet, mussten sich erst einmal mit der schwäbisch-alemannischen Fasnet und der Murrhardter Narrenzunft auseinandersetzen, umgekehrt hatten deren Mitglieder die Möglichkeit, die Brücke zur Sagenwelt und Gestaltung eines Fasnetspfads zu schlagen. „Das Projekt hat Spaß gemacht“, sagt Walter Hieber. Bereits im Dezember haben sie mit den Henderwäldlern auf dem Murrhardter Trimm-dich-Pfad in der Nähe von Freibad und Stadion angefangen, Ideen für die Stationen zusammenzutragen.
Und der Sagen- und Fasnetsweg hat sich als wertvolle Alternative entwickelt. Für die Murreder Henderwäldler und Stadt war klar, dass die fünfte Jahreszeit wie schon 2021 nicht wie gewohnt gefeiert werden kann, sagt Armin Mößner. Der Nachtumzug in Murrhardts Altstadt mit vielen Menschen in engen Gassen stellte vor dem Hintergrund hoher Coronazahlen und einer noch nicht absehbaren Entwicklung keine Option dar und wurde im Dezember abgesagt. Zwar scheint sich die Lage nun allmählich zu entspannen, aber letztlich ist für alle Beteiligten der Gedanke, dass der Pfad als unbedenkliches Freizeitangebot mit einer guten Portion Fasnetstradition genutzt werden kann, ebenfalls sehr entspannend.
Vis-à-vis der gelöschten Stadtbrandkulisse steht ein Feuerbarthl als Pappkamerad und Bildanker. „Die Besucher sind eingeladen, verkleidet zu kommen. Hier können sie sich dann positionieren und ein Foto machen“, erläutert Thomas Zeeb von der Stadt, gleichzeitig auch Zunftrat bei den Henderwäldlern. Die eingesandten Bilder sind Teil eines Wettbewerbs, werden begutachtet und „es findet eine digitale Kostümprämierung statt“. So können Mädchen und Jungen, die sonst zum Kinderumzug gepilgert wären, nun ihre Eltern zum Sagen- und Fasnetsweg bitten.
Bei den insgesamt 19 Stationen geben sich die beiden Themen immer wieder die Hand, sind inhaltlich verzahnt. Ohne zu viel verraten zu wollen: Es gibt einen Narrenbaum, der geschmückt werden darf und dem Manfred Kautter zum Ansporn eine kleine Auswahl „seiner schönsten Krawatten“ hat angedeihen lassen. Anderenorts kann mit Zapfen geworfen und den Tannenzapfenhurglern, die jüngste Henderwäldlerfigur, nachgeeifert werden. Rund um den Nachtkrabb, dessen reales Vorbild der Waldrapp ist, gibt es eine launige Suchaufgabe und in Sachen Hotz sind einige Bäume reserviert, die im übertragenen Sinne sagenhaft gestaltet werden können. Außerdem kann man genussvoll lärmen mit einer Auswahl an Haushaltsutensilien, um den Winter auszutreiben, und den Erfolg mit einem Phonometer messen. Für eine Bastelsession lässt sich ein kompletter Satz der Henderwäldlerfiguren mitnehmen, damit sie gemütlich zu Hause vollzogen werden kann. Auch an das große Landesnarrentreffen in Murrhardt erinnern die Henderwäldler. Genauso gibt es Gelegenheit beim Burgenbau oder am Vorleseplatz, in die Fasnets- und Sagenwelt einzutauchen und dabei an der frischen Luft unterwegs zu sein. Insofern sagt Thomas Zeeb: „Ruhig Zeit mitbringen, zwei bis drei Stunden sind auf der rund 2,5 Kilometer langen Strecke schnell vorbei.“

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Mit Wasserspritzen gegen den Stadtbrand: Hier muss gelöscht werden.

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Zunftmeister Matthias Schlichenmaier und Naturparkführer Manfred Krautter (rechts).
Der Rundgang Der Sagen- und Fasnetsweg startet ab heute, 24. Februar, und läuft bis zum Sonntag, 6. März. Die Runde führt entlang des Murrhardter Trimm-dich-Pfads beim Trauzenbachstadion in umgekehrter Laufrichtung. Der Einstieg ist an der Rudi-Gering-Straße und verläuft in Richtung Dentelbach links am Freibad vorbei. Mit einem geländegängigen Kinderwagen ist die Strecke gut befahrbar. Den Weg weisen blaue Filzschuppen des Wasserfratz’ an den Bäumen. Parkplätze gibt es am Heinrich-von-Zügel-Gymnasium, Rudi-Gehring-Straße 1, Murrhardt. Die Veranstalter bitten, die AHA-Regeln einzuhalten.
Die Fasnet 2021 haben die Murreder Henderwäldler angesichts der Coronalage eine Reihe von Veranstaltungen wie den Rathaussturm oder Narrenball in digitaler Form auf die Beine gestellt. Das war für dieses Jahr keine Option, zum einen weil sich eine Parallelplanung als sehr aufwendig erwiesen hat, zum anderen weil das soziale Miteinander so nur zum Teil gelebt werden kann. Zwar sehen die Murrhardter Narren von größeren Zusammenkünften ab, aber die Lockerungen erlauben überschaubare, interne Treffen und kleine Aktionen wie ein coronakonformes Narrenbaumstellen und eine Rathausübernahme mit Delegation.
Vom Waldrapp Der Nachtkrapp verweist auf das reale Vorbild, den Waldrapp. Früher in Deutschland heimisch ist er heute einer der seltensten Vögel der Welt. Als Delikatesse verspeist und stark bejagt, starb er bereits im 17. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa aus, so der WWF. Nur in Marokko, Spanien, Österreich und der Türkei gibt es noch Vorkommen. Er soll in Deutschland wieder als Zugvogel angesiedelt werden. Die größte Herausforderung: Der Waldrapp hat das natürliche Zugverhalten verlernt und wird nun per Ultraleichtflugzeug in sein Überwinterungsgebiet geleitet. Mehr zum Projekt: https://tinyurl.com/35vwa5s8.