Naturschönheit geht verloren
Alter Walnussbaum wird zu groß – Evangelische Kirchengemeinde Burgstall lässt ihn beseitigen
Die Entscheidung fiel dem Burgstaller Kirchengemeinderat nicht leicht, aber dennoch einstimmig: Der Walnussbaum zwischen Kirche und Pfarrhaus muss weg. „Der Baum ist zu groß geworden. Wenn man ihn stutzt, geht er ein“, sagt Thomas Ludwig. Keine Frage für den Vorsitzenden: „Dort pflanzen wir wieder einen neuen Walnussbaum.“

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Bald ein Bild aus vergangenen Tagen: Der rund 25 Meter hohe Walnussbaum bei der Kirche wird in den kommenden drei Wochen gefällt. Foto: F. Muhl
Von Florian Muhl
BURGSTETTEN. Der Aufschrei bei einigen Bürgern im Ort ist groß. So ein schöner Baum – warum müsse der denn weg? Der spende so schönen Schatten und biete Vögeln reichlich Nistmöglichkeiten. Und warum lässt ihn die Kirche beseitigen, die doch bestrebt sein sollte, um jede Schöpfung Gottes zu kämpfen?
Hoffnungen, dass der Baum schutzwürdig ist und deswegen stehen bleiben muss, bestehen für sie nicht. Erst ab 1. März und dann bis zum 30. September ist das Fällen von Bäumen in der Regel verboten. In diesem Zeitraum schützt das Bundesnaturschutzgesetz nistende Vögel. Bei dem Walnussbaum handelt es sich auch nicht um ein sogenanntes Naturdenkmal; diese Auszeichnung würde ihn vor dem Abholzen bewahren. Zudem hat die Gemeinde Burgstetten auch keine Baumschutzsatzung beschlossen, wie es sie in Gegenden mit hoher Besiedlungsdichte häufig gibt (siehe Kasten). Dort nämlich stehen Gehölze ab einer bestimmten Größe oder einem bestimmten Alter oft unter einem besonderen Schutz.
Warum nun muss der schöne, alte Walnussbaum weg? „Der ist zu groß“, sagt Ludwig. „Das Problem ist, den haben wir vor fünf Jahren eingekürzt. Beim Nussbaum ist ja immer das Problem: Wenn man den zu stark schneidet, geht er meistens in den nächsten Jahren kaputt“, so der Vorsitzende des Kirchengemeinderats Burgstall weiter. Der Baum produziere Seitentriebe, aber die Tragäste würden kaputtgehen. Ludwig schätzt die Größe des Nussbaums auf mittlerweile 20 bis 25 Meter. „Der streift bei Wind auf der einen Seite an der Dachrinne beziehungsweise am Ortgang der Kirche entlang und auf der anderen Seite geht er schon übers Pfarrhaus drüber, wo man dringend wieder zurückschneiden muss.“ Wenn man ihn aber jetzt wieder stark einkürzen würde, sei damit zu rechnen, dass er absterben werde.
Zum Alter des imposanten Nussspenders sagt Ludwig: „Ich schätze den Baum auf 200 Jahre. Und irgendwann ist halt Feierabend.“ Er habe mit einem Mann aus dem Ort gesprochen, der viele Jahre beim Wasserwirtschaftsamt tätig war, und der habe gesagt, dass der Baum schon vor zehn Jahren hätte beseitigt werden müssen, weil er abgängig sei. Und auch bei Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz sei er gewesen. Die Frage, ob etwas dagegen spräche, den Baum zu entfernen, habe sie verneint. Auf Anfrage unserer Zeitung konnte sich Wiedersatz nicht an ein solches Gespräch erinnern. Sie finde es schade, dass der Walnussbaum wegkomme, freue sich aber über die Pflanzung eines neuen Baums.
„Dann ist es nicht mehr möglich, den Baum zu beschneiden“
Ein weiteres Argument führt Ludwig an: Die Kirchengemeinde beabsichtigt, den Kirchplatz in diesem Jahr zu sanieren und neu zu gestalten. Am Ausgang der Kirche soll es eine Geländeabstufung geben, sodass der Zugang dann behindertengerecht ist. „Dann ist es im Prinzip nicht mehr möglich, den Baum mit dem Steiger zu beschneiden.“ Darüber hinaus rechne er damit, dass der Baum auch nicht mehr ganz gesund sei.
Im Rahmen der geplanten Kirchplatzsanierung sei Anfang Januar auch Elke Jacob vom Backnanger Stadtplanungsamt vor Ort gewesen. Die Expertin für Denkmalschutz und Stadtpflege habe gesagt, dass nichts gegen das Entfernen des Baums spreche, wenn man dort wieder etwas Neues pflanzen würde. „Natürlich kommt da wieder ein neuer Baum rein“, verspricht Ludwig. Ihm ist es wichtig, zu sagen, dass der Baum nicht wegkommt, „weil wir Lust drauf haben, sondern weil die Notwendigkeit da ist“. Jetzt sei die Aktion noch machbar, mit einem vertretbarem Kostenaufwand. Er gab Kosten von 2000 bis 3000 Euro an. Und weiter sagt der Vorsitzende: „Ich bin ja auch jemand, der sehr der Natur verbunden ist.“ Er selbst habe eine kleine Hobbylandwirtschaft und Selbstversorgung sei bei ihm ein wichtiges Thema.
In Frankfurt ist beispielsweise geregelt: „Die Baumschutzsatzung gilt für Laubbäume, Ginkgobäume und Walnussbäume mit einem Stammumfang von mehr als 60 Zentimetern (...). Der Umfang wird in einem Meter Höhe gemessen. Es ist verboten, diese Bäume ohne Genehmigung zu fällen oder zu zerstören.“ Die ungenehmigte Beseitigung geschützter Bäume kann mit einer Geldbuße bis zu 100000 Euro geahndet werden.
Auch in Stuttgart sind in zwei Zonen Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 80 Zentimetern (gemessen einen Meter über dem Erdboden) geschützt. Sie sollen erhalten werden, weil sie
– das Orts- und Landschaftsbild beleben und gliedern,
– zur Verbesserung der Lebensqualität und des Kleinklimas beitragen,
– die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts sichern und fördern,
– der Luftreinhaltung dienen oder
– vielfältige Lebensräume darstellen.
Backnang hat keine Baumschutzsatzung.