Wiesen, Wald und Kühe: Nawalny hält sich im Schwarzwald auf

dpa/lsw Stuttgart. Die Anwesenheit des russischen Oppositionellen Nawalny versetzt einen beschaulichen Schwarzwald-Ort in Ausnahmezustand. Die meisten nehmen es gelassen - und gönnen ihm einfach nur Ruhe.

Kremlkritiker Alexej Nawalny sitzt auf einer Parkbank. Foto: Uncredited/navalny/Instagram/dpa/Aktuell

Kremlkritiker Alexej Nawalny sitzt auf einer Parkbank. Foto: Uncredited/navalny/Instagram/dpa/Aktuell

Jede Menge Polizei und Personenschutz, Hubschrauber und viel Geraune - der kleine Schwarzwald-Ort Ibach (Kreis Waldshut) ist seit dieser Woche in einer Art Belagerungszustand. Grund: Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat sich hier, am Rande des Hotzenwaldes mit grandiosem Blick auf die Alpen, mit seiner Familie einquartiert. Nach seiner Behandlung in der Berliner Charité wegen eines Giftanschlags sucht der russische Oppositionelle zwischen Wiesen, Wald und Kühen Erholung. Der beschauliche 400-Seelen-Ort ist damit unverhofft in die Schlagzeilen geraten.

Dass es tatsächlich Nawalny ist, wird offiziell nicht bestätigt. Das Stuttgarter Innenministerium teilt auf Nachfrage wie auch die Polizei lediglich mit, dass sich eine Schutzperson in Baden-Württemberg befinde. Das Polizeipräsidium Freiburg habe - entsprechend der Gefährdungsbewertung der Schutzperson - mit anderen Dienststellen der Landespolizei umfangreiche Schutz- und Einsatzmaßnahmen getroffen. Weitere Angaben könnten aufgrund von Vorschriften über die Geheimhaltung und zum Schutz privater Interessen nicht gemacht werden.

Der russische Kreml-Kritiker Nawalny war am 20. August während eines Inlandsflugs in Russland zusammengebrochen. Nach einer Notlandung in der sibirischen Stadt Omsk wurde er auf Drängen seiner Familie in die Berliner Charité verlegt. Dort lag er wochenlang im Koma.

„Seit dieser Woche weilt ein Gast, eine Person öffentlichen Lebens und des öffentlichen Interesses, mit seiner Familie in Ibach. Diese benötigen einen sehr hohen Personenschutz“, heißt es nun auf der Homepage von Ibach nahe St. Blasien. Bürgermeister Helmut Kaiser (CDU) wirbt dort um Verständnis für Einschränkungen. Schließlich berichte die Presse ja, „dass es sich um den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny handeln soll“. Er selbst habe ihn noch nicht gesehen. Doch es hat sich unter den Einwohnern herumgesprochen. Mancher will Nawalny auch schon beim Spaziergang mit Sicherheitsleuten gesehen haben.

Polizei und Sicherheitsleute haben Teile des Rathauses und der Gemeindehalle besetzt. Die Vereine können dort nun nicht mehr proben, es gibt viele Kontrollen, die Ibacher müssen die Ausweise parat halten. Seit Montag sei „Remmidemmi“ berichtet eine Anwohnerin. Die einen finden es unheimlich, andere schimpfen, und wieder andere haben Verständnis und heißen den Gast ausdrücklich willkommen, berichtet Kaiser, der von der prominenten Einquartierung ebenso überrascht wurde wie der Rest des Ortes.

Dass die Wahl Nawalnys auf Ibach fiel, wundert den Bürgermeister jedoch nicht: „Schauen Sie sich doch um, wie es hier aussieht. Hier finden Sie Ruhe, Erholung und Natur.“ Dass es in diesem Hochtal des Südschwarzwaldes besonders schön ist, hat sich schließlich schon bei anderer Politprominenz herumgesprochen: Die früheren Bundespräsidenten Karl Carstens und Horst Köhler (beide CDU) waren schon hier, erzählt Kaiser. Und auch die Landesregierung sei bereits da gewesen. Bekannt wurde das Dorf auch als Domizil der gestorbenen Sektenchefin „Uriella“.

Doch so viel Polizei hat auch Kaiser noch nie in seinem Ort gesehen. „Wir sind ein kleines, beschauliches Dorf.“ Der Alltag habe sich von einem auf den anderen Tag sehr verändert. Doch, so Kaiser: „Alles geht vorbei.“ Er will dafür sorgen, dass Nawalny und seine Familie sich in seinem Ort in Ruhe erholen können. Kaiser ist seit zwölf Jahren Bürgermeister von Ibach. Er musste selbst schon beim Betreten seines Rathauses den Ausweis zeigen. Doch das störe ihn nicht. „Das habe ich dann halt gemacht. Nun kennen sie mich“, schmunzelt der 62-Jährige.

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Erstellt:
15. Oktober 2020, 12:21 Uhr

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