Neue Coronaimpfung ist im Rems-Murr-Kreis stark nachgefragt

Der Sprecher der Ärzteschaft Backnang, Jens Steinat, impft ab Oktober das angepasste Covid-19-Vakzin. Der Hausarzt aus Oppenweiler und einstige Pandemiebeauftragte des Rems-Murr-Kreises appelliert daran, vorsichtig zu sein. Infektionen sollten auf alle Fälle vermieden werden.

Ein kleiner Pieks, der Leben retten kann: Die Stiko empfiehlt besonders Gefährdeten die Boosterimpfung. Foto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Ein kleiner Pieks, der Leben retten kann: Die Stiko empfiehlt besonders Gefährdeten die Boosterimpfung. Foto: Jörg Fiedler

Von Matthias Nothstein

Backnang/Oppenweiler. Im Augenblick spielt Corona auch im Rems-Murr-Kreis noch keine große Rolle. Wobei die Betonung auf „noch“ liegt. Deshalb appelliert Jens Steinat mit Nachdruck für eine Auffrischungsimpfung für alle älteren Menschen, für Vorerkrankte oder für Bewohner, Patienten oder Mitarbeiter von Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Der Hausarzt aus Oppenweiler, der bis ins Frühjahr auch Pandemiebeauftragter des Rems-Murr-Kreises war, warnt nicht ohne Grund. Vielmehr berichtet er von einigen Covid-19-Infektionen in den vergangenen Tagen. Darunter seien auch Infektionen mit schweren Verläufen gewesen und in mindestens einem Fall auch eine mit tödlichem Verlauf. Zwar hatte der Verstorbene Steinats Angaben zufolge auch andere Vorerkrankungen, aber der letztendlichen Ausschlag für das tragische Geschehen ging auf das Virus zurück. Auch bei den jüngeren Menschen ist die Infektionsrate zuletzt sehr stark angestiegen. Und Steinat macht deutlich: „Auch wenn diese das zum Teil gut wegstecken, so sind sie doch ein paar Tage richtig schwer krank.“

Nachfrage nach Impfstoff ist groß

Insofern bewertet es der Mediziner als sehr positiv, dass die Nachfrage nach dem Impfstoff und das Bewusstsein für die Gefahr einer Covid-19-Infektion sehr groß sind. Konsequenterweise bereitet sich seine Arztpraxis daher auf die Impfwilligen vor, „ich habe den Impfstoff bereits bestellt“, sagt Steinat. Er plant mit den ersten Impfungen ab Anfang Oktober. Ärgerlich für ihn ist, dass das Serum immer noch in Fläschchen geliefert wird, aus denen er sechs Impfdosen gewinnen muss. Da die Ampullen, wenn sie einmal geöffnet sind, nur einen Tag haltbar sind, muss er immer den übrig gebliebenen Impfstoff vernichten, wenn sich an einem solchen Tag keine weiteren Impfwilligen den Schutz abholen wollen. Vorerst erhält Steinat zwei bis vier Serumfläschchen pro Woche, was dann für 12 bis 24 Impfungen ausreicht. Sollte der Andrang größer sein, was Steinat freuen würde, so könnte er jederzeit nachordern, „wir können so viel bestellen, wie wir wollen“.

Die Folgen einer Infektion und die Langzeitfolgen können gravierend sein

Im Rückblick auf die Pandemie und die Folgen rät der Mediziner entsprechend der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) dringend zur Impfung und zur Vorsicht. „Es gilt, jede Infektion zu vermeiden. Denn die möglichen akuten Folgen und die Langzeitfolgen können gravierend sein.“ Der 46-Jährige spricht dabei aus eigener Erfahrung. Herzrhythmusstörungen, Kreislaufbeschwerden, Blutdruckschwankungen, Ermüdung – trotz vierfacher Impfung musste der sportliche Doktor all dieses durchleben. Dass ihn das Virus so niederstreckte, wertet er nicht als Indiz, dass das Vakzin nichts taugt. Vielmehr äußert er die Vermutung, dass er die Infektionen ohne diese Unterstützung möglicherweise gar nicht überlebt hätte. Mindestens ein halbes Jahr lang laborierte er an Langzeitfolgen, bevor er wieder sein altes Leistungsniveau erreicht hatte.

Trotzdem will Steinat die Kirche im Dorf lassen. So fordert er zum Beispiel keine Kontaktbeschränkungen, wie es vor zwei, drei Jahren der Fall war, „das brauchen wir nicht“. Auch würde er im persönlichen Gespräch keine Maske tragen. Sehr wohl aber im öffentlichen Bereich wie etwa im ÖPNV oder bei großen Menschenansammlungen.

Als Affront gegen die Ärzte sieht der Vorsitzende der Ärzteschaft Backnang einen Hinweis der Kassenärztlichen Vereinigung. Sie hatte vor zwei Wochen darauf hingewiesen, dass die Stiko-Empfehlung für den aktuellen Impfstoff damals noch gefehlt hat und deshalb eine Staatshaftung im Falle eines Impfschadens bei diesem Vakzin noch nicht gegeben war. Die Ärzte hätten zwar impfen dürfen, aber bei Problemen den Schwarzen Peter gehabt. Das hätte man Steinat zufolge auch eleganter lösen können, ohne dass die Hausärzte ihren Kopf hätten hinhalten müssen. Damit nichts falsch verstanden wird, an dieser Stelle nochmals in aller Klarheit: Inzwischen liegt die Stiko-Empfehlung für den Impfstoff vor.

Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine jährliche Auffrischimpfung

Empfehlung der Stiko Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt folgenden Personengruppe eine jährliche Auffrischungsimpfung (Booster) mit dem jeweils neuesten Präparat: allen Menschen, die 60 Jahre oder älter sind

allen, die zu einer Risikogruppe zählen und für einen schweren Covid-19-Verlauf prädestiniert sein könnten; geimpft werden kann ab einem Alter von sechs Monaten

allen, die in Senioren- und Pflegeheimen leben oder beschäftigt sind oder die im Pflege- und Gesundheitsbereich arbeiten.

Neuer Impfstoff Es ist zu erwarten, dass die Coronaimpfpräparate wie bei Grippeimpfstoffen von nun an saisonal zum Herbst hin jeweils auf neue Varianten angepasst werden. Der aktuelle Impfstoff von Biontech/Pfizer trägt den sperrigen Namen „Comirnaty Omikron XBB.1.5“. Er soll vor allem auch besser gegen die neue Coronavirus-Omikron-Variante XBB.1.5 und die Untergattung EG.5 („Eris“) helfen. Für ihn liegt eine Stiko-Empfehlung vor. Laut dem Rems-Murr-Gesundheitsamt sind die Apotheken für die Abwicklung der Bestellung und Auslieferung des Impfstoffs verantwortlich.

Anspruch Die am 8. April 2023 in Kraft getretene Covid-19-Vorsorgeverordnung sieht vor, dass Versicherte über die Schutzimpfungsrichtlinie hinaus einen Anspruch auf Schutzimpfungen gegen Covid-19 haben, wenn ein Arzt die Impfung für medizinisch erforderlich hält.

Kindern und Jugendliche Laut aktueller Stiko-Empfehlung benötigen gesunde Babys, Kinder und Jugendliche, die nicht zu einer Risikogruppe gehören, gar keine (!) Covid-19-Impfung. Neugeborene bis sechs Monate stünden unter dem „immunologischen Nestschutz“ der Mutter, sofern diese grundimmunisiert sei. Und weiter heißt es in der Stiko-Empfehlung: „Bei Kindern und Jugendlichen sind schwere Covid-19-Krankheitsverläufe sehr selten, eine Impfung dagegen ist deshalb unnötig.“

Schutz für alle anderen Unabhängig vom neuen Impfbooster von Biontech/Pfizer empfiehlt die Stiko allen gesunden Menschen zwischen 18 und 59 Jahren eine sogenannte Grundimmunisierung. Eine solche ist erreicht entweder durch drei Coronaimpfungen oder durch zwei Coronaimpfungen plus eine Coronainfektion.

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Erstellt:
21. September 2023, 06:00 Uhr

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