Neue politische Heimat für Steffen Degler
Der Backnanger AfD-Stadtrat hat sein Amt niedergelegt und ist nach Stuttgart gezogen. Der Wechsel dürfte nicht nur private Gründe haben, denn im Kreisverband Rems-Murr war der 32-Jährige in Ungnade gefallen.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Tagesordnungspunkt eins der Sitzung am Donnerstagabend war schnell erledigt. Ohne Gegenstimme billigte der Backnanger Gemeinderat das „Ausscheiden von Herrn Stadtrat Steffen Siggi Degler“. Wegen seines Umzugs nach Stuttgart darf der bisherige Vorsitzende der AfD-Fraktion nicht länger Stadtrat in Backnang sein.
Degler selbst war bei der Sitzung schon nicht mehr anwesend. Er weilte zu diesem Zeitpunkt bei einer politischen Bildungsreise in Berlin. Oberbürgermeister Maximilian Friedrich wird darüber wohl nicht unglücklich gewesen sein. So musste er sich keine Gedanken darüber machen, wie man einen Rechtsaußenpolitiker angemessen verabschiedet.
Degler selbst nennt private Gründe für seinen Umzug nach Stuttgart-Ost. Er wolle die Fahrzeit zu seinem Arbeitsplatz im Stuttgarter Landtag reduzieren. Dort ist der gebürtige Backnanger seit Anfang des Jahres als Büroleiter des AfD-Abgeordneten Udo Stein beschäftigt. Für den ehemaligen Taxifahrer ein bemerkenswerter Aufstieg: Das übliche Monatsgehalt liegt in solchen Jobs zwischen 5000 und 7000 Euro.
Dafür nimmt Degler auch in Kauf, für einen Politiker mit äußerst zweifelhaftem Ruf zu arbeiten. Gegen den Abgeordneten Stein aus dem Wahlkreis Schwäbisch Hall ermittelt momentan die Staatsanwaltschaft, unter anderem wegen eines tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz. Die Polizei hatte in Steins Büro ein Jagdmesser und Munition gefunden. Seitdem darf der Abgeordnete den Landtag nur nach vorheriger Sicherheitskontrolle betreten. Degler sagt dazu nur: „Herr Stein ist mein Chef und ich stehe ihm loyal gegenüber.“
Nach Parteiausschluss nimmt ihn der Kreisverband Rems-Murr nicht wieder auf
Unabhängig davon dürfte Steffen Degler aber auch eigene politische Ambitionen haben. Als Vorstandsmitglied der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative engagiert er sich bereits auf Landesebene. Unter anderem moderiert er den Podcast „Neckarwerft“, bei dem er mit AfD-Größen und anderen Vertretern aus dem rechten Lager plaudert, etwa mit Oliver Hilburger, Daimler-Betriebsrat und ehemaliges Mitglied der Rechtsrock-Band „Noie Werte“. Im Mai hielt Degler bei einer „Friedensdemo“ der AfD in Crailsheim eine Rede zur Außenpolitik, in der er unter anderem eine „strategische Partnerschaft mit Russland“ forderte.
Auf die Frage, ob er für weitere Ämter kandidieren wolle, sagt Degler, darüber habe er sich noch keine Gedanken gemacht. „Die Entscheidung für den Umzug war davon unabhängig.“ Klar ist aber auch: In Backnang hätte Steffen Degler in der AfD wohl keine Zukunft mehr gehabt. Bereits vor zwei Jahren war der Stadtrat vom Bundesvorstand aus der Partei ausgeschlossen worden, nachdem er seine Mitgliedsbeiträge nicht rechtzeitig bezahlt hatte. Der hiesige Kreisvorstand nahm ihn allerdings auch nicht wieder auf, nachdem er die Rückstände beglichen hatte. „Herr Degler ist aktuell kein Mitglied bei uns“, bestätigt der stellvertretende AfD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Daniel Lindenschmid. Zu den Hintergründen wollen sich weder er noch Degler näher äußern, das Tischtuch zwischen dem Ex-Stadtrat und dem Kreisvorstand ist aber wohl zerschnitten. Daher ist auch kaum vorstellbar, dass ihn die Partei in Backnang wieder aufgestellt hätte.
In Stuttgart ist Steffen Degler offenbar besser gelitten. Hier hatte ihn die Partei bereits vor zwei Jahren für die Landtagswahl nominiert. Die Kandidatur blieb aber erfolglos. Jetzt ist der Stuttgarter Kreisverband, wie man hört, nicht nur bereit, Degler wieder in die Partei aufzunehmen, sondern ihm auch einen aussichtsreichen Listenplatz bei der Gemeinderatswahl im kommenden Juni anzubieten. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür nicht: „Über personenbezogene Daten geben wir grundsätzlich keine Auskunft“, teilt der Stuttgarter AfD-Sprecher Andreas Mürter mit. Es würde aber den Zeitpunkt des Umzugs erklären: Kandidieren darf für den Gemeinderat nur, wer seit mindestens drei Monaten seinen Hauptwohnsitz in der jeweiligen Kommune hat.
Verfassungsschutz bewertet Degler-Zitat als antisemitisch
Die Frage, wie weit rechts Steffen Degler politisch tatsächlich steht, ist schwer zu beantworten. Im Backnanger Gemeinderat ist er in den vier Jahren seiner Amtszeit nicht mit radikalen Äußerungen in Erscheinung getreten. Hier fiel er nur dadurch negativ auf, dass er während der Coronapandemie die vom Ältestenrat beschlossene Maskenpflicht im Sitzungssaal ignorierte.
Aber es finden sich auch bei Degler Hinweise auf extremistisches Gedankengut. So zitiert der Landesverfassungsschutz in seinem Jahresbericht 2022 etwa eine Äußerung bei einer Podiumsdiskussion in Esslingen. Dort habe Degler gesagt: „Es wird nicht ausreichen, wenn wir die Politiker vom Hof jagen, wir müssen uns auch konsequent den Heuschrecken aus der Hochfinanz in den Weg stellen, die unser Land Stück für Stück ausbluten lassen.“ Aus Sicht der Verfassungsschützer deutet insbesondere die Formulierung „Heuschrecken aus der Hochfinanz“ auf ein „antisemitisch geprägtes, verschwörungstheoretisches Weltbild hin“. Degler bestreitet das: Er habe lediglich den Einfluss von Hedgefonds und Großinvestoren kritisieren wollen. „Nichts liegt mir ferner als Antisemitismus und Rassismus“, sagt er auf Nachfrage. Von Björn Höcke und anderen Parteimitgliedern, die laut Verfassungsschutz „erwiesen rechtsextrem“ sind, will sich Degler aber nicht distanzieren. „Höcke ist für mich kein Rechtsextremist. Er ist ein hochintelligenter Mensch“, sagt Degler. Ein Foto, das ihn gemeinsam mit dem Thüringer Landeschef zeigt, hat er aber trotzdem von seiner Facebook-Seite gelöscht. Gleiches gilt auch für einen Post mit Symbolen der Verschwörungsideologie QAnon. Davon hat sich Degler inzwischen auch inhaltlich distanziert: Ihm seien die Ansichten und Ziele dieser Bewegung zum damaligen Zeitpunkt nicht im Detail bekannt gewesen.
Ehepaar Malcher nun gemeinsam im Gemeinderat
Den frei gewordenen Platz im Backnanger Gemeinderat nimmt nun Betty Malcher ein, die zusammen mit ihrem Mann Michael Malcher das neue AfD-Duo bildet. Aber wohl nur bis zur nächsten Kommunalwahl. Denn auch Michael Malcher ist laut Daniel Lindenschmid kein AfD-Mitglied mehr. Er war nach dem Streit um Deglers Ausschluss selbst aus der Partei ausgetreten. Man sei gerade dabei, eine neue Liste für die Kommunalwahl zusammenzustellen, sagt der stellvertretende Kreisvorsitzende: „Herr Malcher steht bis jetzt nicht drauf.“ Wer die Partei in die Kommunalwahl führen wird, ist also noch offen. Lindenschmid selbst wird es wohl nicht tun, obwohl er seit 2019 in Backnang wohnt. Das Amt als Stadtrat und sein Landtagsmandat seien zeitlich nur schwer zu vereinbaren.