Neues Ärztehaus ist nicht barrierefrei
Ärzte in Althütte mahnen Nachbesserung an – Eingangstür soll nachträglich einen elektrischen Türöffner erhalten
Wer im Rollstuhl, mit einem Rollator oder mit Krücken das neue Ärztehaus in Althütte betreten will, der hat ein Problem: Die Eingangstür muss von Hand geöffnet werden und geht schwer, außerdem muss eine Schwelle am Boden überwunden werden. Nach Beschwerden von Patienten haben die beiden Ärzte Nachbesserungen angemahnt. Bürgermeister Reinhold Sczuka will Abhilfe schaffen.

© Pressefotografie Alexander Beche
Keine Chance: Nicht nur Ines Vorberg im Rollstuhl, sondern auch Patienten mit Krücken, haben Probleme, die Ärztehaustür zu öffnen. Foto: A. Becher
Von Annette Hohnerlein
ALTHÜTTE. Albrecht Block vom Forum Althütte 2000 hat bei einem Arztbesuch festgestellt, dass die Eingangstür am neuen Ärztehaus, das Anfang Januar seinen Betrieb aufgenommen hat, alles andere als barrierefrei ist. Und nicht nur ihm, auch anderen Patienten sei aufgefallen, dass der Zugang für Menschen mit Gehbehinderung „deutlich erschwert“ ist, teilte Block in der letzten Gemeinderatssitzung mit. Reinhold Sczuka gab zu verstehen, dass das Problem bereits an ihn herangetragen wurde: „Wir sind dran.“
Die Eingangstür wurde, wie in der Ausschreibung vorgegeben, eingebaut: Nach außen öffnend und mit einem Türschließer, der die Tür nach jedem Öffnen selbsttätig wieder zuzieht. Diese Funktion bringt es jedoch mit sich, dass die Tür schwerer zu öffnen ist als eine Tür ohne automatischen Schließmechanismus. Jutta-Kristina Metzger, die die Zahnarztpraxis im ersten Stock betreibt, hat festgestellt: „Auch als gesunder Mensch muss man richtig fest ziehen.“ Zudem bemängelt sie die Schwelle unter der Tür: „Es ist nicht eben. Einen Rollator muss man anheben.“ Ihr Fazit: „Da gehört ein elektrischer Türöffner hin“.
„Elektrischer Öffner ist nicht Pflicht, man muss es nicht übertreiben“
Günter Brecht, dessen Büro die Ausschreibung erstellt hat, ist da anderer Ansicht: „Ein elektrischer Türöffner ist nicht Pflicht bei einem Ärztehaus. Wir haben es nicht mit ausgeschrieben, weil wir es nicht für zwingend notwendig hielten“, sagt der Architekt, „Man muss es nicht übertreiben“.
Ähnliche Erfahrungen wie die Zahnärztin, hat Benjamin Tscheuschner gemacht, der im Erdgeschoss als Nachfolger von Walter Mast die Allgemeinarztpraxis weiterführt. „Ich habe viele nicht so mobile Patienten. Die müssen klingeln, damit ihnen die Angestellten die Tür öffnen“, berichtet er.
Als erste Maßnahme wurde inzwischen die Öffnungsfeder des Schließmechanismus an der Tür auf die schwächste Stufe eingestellt. Dennoch ist es für einen Besucher im Rollstuhl immer noch schwer, die Tür zu öffnen, wie sich der Bürgermeister vor Ort überzeugen konnte. Die Schwelle von zwei Zentimetern sei im Rahmen der Barrierefreiheit erlaubt, so Sczuka. Sie sei notwendig, damit die Tür die Vorschriften der Energieeinsparverordnung erfüllt. Demnächst würden noch Schmutzteppiche verlegt, durch die sich die Schwelle auf zirka 1,2 Zentimeter verkleinere. Damit sei sie für jeden Rollstuhlfahrer bequem überfahrbar.
Grundsätzlich stellt sich die Frage: Wie barrierefrei muss ein Ärztehaus sein? Liegt hier ein Planungsfehler vor, wurden Vorschriften verletzt? Letzteres ist nicht der Fall, versichert Brecht und verweist auf die DIN-Norm 18040-1 für öffentlich zugängliche Gebäude. Dort heißt es: „Haustüren sind vorzugsweise automatisch zu öffnen und zu schließen.“ Also ein Gummi-Paragraf. In den Empfehlungen der Stiftung Gesundheit für barrierefreie Praxen, die Brecht ebenfalls anführt, steht nichts darüber, ob eine Eingangstür mit Muskel- oder Motorkraft geöffnet werden soll. Es werden lediglich für sämtliche Türen eine Durchgangsbreite von mindestens 90 Zentimetern und eine Türschwelle von maximal zwei Zentimetern gefordert – Vorgaben, die im Althüttener Ärztehaus erfüllt sind.
„Ich war mega entsetzt darüber, man redet echt gegen Wände“
Eine Frau, die in Althütte an vorderster Front steht, wenn es um die Rechte von Menschen mit Behinderung geht, ist Ines Vorberg. Sie ist stellvertretende Vorsitzende im Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Baden-Württemberg und selbst Rollstuhlfahrerin. Die Frau mit Handicap konnte es kaum glauben wie sie sagt, als ihr zugetragen wurde, dass der Zugang zum Ärztehaus nicht barrierefrei ist: „Ich war mega entsetzt darüber“. Dabei habe sie in der Planungsphase an einer Sitzung des Bauausschusses der Gemeinde teilgenommen und das Thema Barrierefreiheit angesprochen. In der Diskussion mit dem Architekten Brecht habe sie den Eindruck gewonnen, dass dieses Thema als eher nebensächlich abgetan wird: „Man redet echt gegen Wände.“
Nachdem sich abzeichnet, dass die Situation bei den Beteiligten für großen Unmut sorgt, hat die Verwaltung reagiert. „Es wurde sofort veranlasst, sobald wie möglich einen elektrischen Türöffner mit zwei Tasterschaltern einzubauen“, lässt der Bürgermeister auf Nachfrage wissen. Diese Lösung, die die Althüttener Bürger schon vom Rathaus kennen, wird voraussichtlich zwischen 8000 und 10000 Euro kosten.