Neues Ausbildungsangebot im Kitabereich
An der Anna-Haag-Schule startet in Kürze der „Direkteinstieg Kita“. Die verkürzte Ausbildung soll Personal für die Kinderbetreuung generieren.

© RioPatuca Images - stock.adobe.com
Symbolfoto: RioPatuca Images - stock.adobe.com
Von Lorena Greppo
Backnang. In der Kinderbetreuung ist das Personal knapp. Das hat unter anderem eine Umfrage unter den Kommunen im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung kürzlich gezeigt. Und nicht nur in der hiesigen Region macht sich der Fachkräftemangel in der Branche bemerkbar. Landesweit wurde daher das Programm „Direkteinstieg Kita“ entwickelt. Der Schulversuch wird im Rems-Murr-Kreis an der Anna-Haag-Schule in Backnang umgesetzt. Mit dem neuen Bildungsangebot wolle man einen Beitrag leisten, um der angespannten Lage in den Kitas entgegenzuwirken, so Landrat Richard Sigel in der jüngsten Sitzung des Verwaltungs-, Schul- und Kulturausschusses des Kreistags. Ob der „Direkteinstieg Kita“ die Problemlage wirklich verbessern kann, darüber waren sich die Kreisrätinnen und Kreisräte uneins. Dennoch votierten sie bei einer Enthaltung für den Schulversuch.
Erste Infoveranstaltungen zum Programm hat es schon gegeben, weitere sind geplant. Tagtäglich gehen in der Anna-Haag-Schule Anfragen von Interessierten wie auch von Trägern ein, die sich nach dem Modell erkundigen. Schulleiterin Ulrike Gebauer hat auch bereits elf Bewerbungen vorliegen. Die Voraussetzungen für eine Aufnahme in das Programm (siehe Infotext) stellen manche Interessenten jedoch vor Probleme. „Die Anzahl der Interessenten, die einen Hauptschulabschluss von 3,0 nicht erfüllen, ist sehr hoch“, berichtet die Schulleiterin. Voraussichtlich reagiere das Kultusministerium noch darauf und senke die Anforderungen. Von der vorliegenden Bewerbungen sei etwa ein Fünftel von Personen mit Hauptschulabschluss, der Großteil habe einen Realschulabschluss. „Etwa ein Viertel arbeitet bereits als Zusatzkraft, der Rest wird umgeschult“, so Gebauer weiter. Die Altersspanne reiche von 24 bis 59 Jahre. „Wir sind auf diese Zielgruppe eingestellt“, beschwichtigte die Schulleiterin etwaige Zweifel. Sie machte aber auch klar: Gleichzeitig die Zusatzqualifizierung wie auch den Abschluss des Programms im letzten halben Jahr abzulegen sei eine Mammutaufgabe für die Auszubildenden.
Zweifel an der Qualität
Armin Mößner, Sprecher der CDU-Fraktion und Bürgermeister Murrhardts, bezeichnete den „Direkteinstieg Kita“ als attraktives Angebot. Es sei ein Baustein, um die Personallücke zu schließen und ermögliche es Quereinsteigern, in der Branche Fuß zu fassen. Wolfgang Kölz von der Wilhelm/Klinghoffer-Gruppe sah das Ganze weitaus pessimistischer. Hier würde mit einer Schnellbleiche Erziehungspersonal geschaffen, die Qualitätsstandards zweifle er an. Er plädierte stattdessen dafür, den Betreuungsschlüssel anzupassen. „Vielleicht müssen wir an unseren Standards schrauben.“ Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich (Freie Wähler) lobte das Angebot zwar als toll und unterstützenswert, hob jedoch hervor: „Uns muss bewusst sein, dass es auch damit nicht gelingen wird, die Lücke zu schließen.“ Er verzeichne ein „totales Auseinandergehen von Anspruchshaltung und Wirklichkeit“, welches er am Beispiel der Sportkita Plaisir festmachte. Dort mussten wegen Personalmangels die Betreuungszeiten stark verkürzt werden, Eltern hatten sich deswegen beschwert (wir berichteten). Der Fachkräftemangel in der Kinderbetreuung werde sich noch verschlimmern. „Ich habe ernsthafte Zweifel, ob es gelingen wird, das aktuelle Niveau zu halten.“
Ute Ulfert (CDU) betonte, dass die Qualifikation der Ausbildung stimmen müsse. Sie hob allerdings positiv hervor, dass die Teilnehmer bereits eine Berufsausbildung mitbringen. Auch Ulrike Gebauer betonte: „Die Leute kommen mit einer gewissen Berufs- und Lebenserfahrung, das wollen wir nutzen.“ Der Lehrplan habe die gleichen Themen wie in einer Ausbildung zum Erzieher, nur eine geringere Stundenzahl. Landrat Sigel erklärte, dass die sozialpädagogischen Assistenten die Erzieher nicht ersetzen, sondern vielmehr die Randzeiten der Betreuung mit abdecken sollen. Er verdeutlichte: „Würden wir Kindergarten machen wie vor zehn Jahren, hätten wir kein Problem.“ Der Anspruch auf Ganztagesbetreuung sei die eigentliche Schwierigkeit. Christine Besa, Fraktionssprecherin der Grünen, gab sich optimistisch, dass durch das Programm der Mangel zumindest in Teilen abgedeckt werden könne.
Inhalte Das Programm umfasst 23 Monate schulischer und praktischer Ausbildung mit der Option zur Teilnahme an der Schulfremdenprüfung „Erzieher“.
Ziele Teilnehmer sollen dazu befähigt werden, in Kindertageseinrichtungen bei der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern mitzuwirken. Nach dem Abschluss sind sie „staatlich anerkannte sozialpädagogische Assistenten“, bei zusätzliche Qualifizierung mit mindestens mittlerem Bildungsabschluss „staatlich anerkannter Erzieher“.
Zielgruppe Der Schulversuch ist ausgerichtet für Personen, die bereits als Zusatzkräfte in Kindertageseinrichtungen tätig sind oder die das Berufsfeld wechseln wollen.
Voraussetzungen Aufgenommen wird aktuell nur, wer mindestens einen Hauptschulabschluss (Durchschnittsnote 3,0 und besser, Deutsch mindestens 3,0) vorweisen kann. Zudem müssen Bewerber eine zweijährige abgeschlossene Berufsausbildung oder einen Studienabschluss haben und einen Ausbildungsvertrag mit einem geeigneten Träger vorlegen.