Nicht mit Angst durchs Leben gehen

Besucher der Backnanger Shisha-Bars sind geschockt von der Tat in Hanau, wollen sich davon aber nicht einschränken lassen

Über den Anschlag in Hanau herrscht auch in Backnanger Shisha-Bars Betroffenheit. Aber vermehrte Angst besteht bei den meisten Gästen nicht. So eine Tat hätte überall passieren können, ist der allgemeine Tenor. Gäste betonen, dass Shisha-Bars schon längst Treffpunkte von Menschen mit ganz unterschiedlichen Wurzeln sind.

„In Backnang sind wir multikulturell“, sagen die Gäste der Déjà Vu Shisha Lounge. Sie wollen sich nicht durch die Tat in Hanau einschüchtern lassen.Foto: P. Wolf

„In Backnang sind wir multikulturell“, sagen die Gäste der Déjà Vu Shisha Lounge. Sie wollen sich nicht durch die Tat in Hanau einschüchtern lassen.Foto: P. Wolf

Von Claudia Ackermann

BACKNANG.„Natürlich wird auch bei uns darüber gesprochen“, sagt Taner Bakir am Samstagabend in der Déjà Vu Shisha Lounge. Die Leute fragen sich, wieso so etwas passiert. „Wir haben Gäste aus aller Welt, darunter viele Deutsche.“ Der Geschäftsführer des Lokals hat türkische Wurzeln und ist in Backnang geboren. Genauso wie sein Mitarbeiter Ali Karaca, der unterstreicht: „Deutschland ist auch unsere Heimat.“ Ein Anschlag wie in Hanau, bei dem die tödlichen Schüsse in einer Shisha-Bar fielen, könnte auch in jeder anderen Menschenmenge passieren, wo viele ausländische Menschen sind, sagt er. Zu jenem Zeitpunkt wusste er nicht, dass kurze Zeit später auch in Stuttgart auf eine Shisha Bar geschossen wurde. Verletzt wurde dabei niemand. „Man sollte Respekt vor jedem Menschen haben, egal welche Hautfarbe oder Religion er hat“, findet Karaca.

Nicht nur Ausländer kommen in die Shisha-Bars

Inzwischen haben zwei junge Frauen an einem Tisch Platz genommen. Die deutschen Freundinnen treffen sich hier, weil sie die Atmosphäre mögen. In ihrem Freundeskreis sei Fremdenfeindlichkeit kein Thema, so die 22-jährige Jasmin Schultheiß aus Waiblingen. Schon in der Schule sei man mit verschiedenen Nationalitäten aufgewachsen und habe einen gemischten Bekanntenkreis. Es sei ein Klischee, dass in Shisha-Bars nur Ausländer sind, fügt Leonie Weisenborn aus Erbstetten hinzu.

Ein Pärchen hat es sich in einer Ecke gemütlich gemacht. „Man sollte immer Angst haben, wenn man rausgeht“, ist Isabella Middeke der Meinung, die halb Deutsche und halb Rumänin ist und in Murrhardt lebt. Man wisse nie, wer einem gegenüber stehe und was im Kopf des anderen vor sich gehe. Das hieße aber nicht, dass man nach dem Anschlag in Hanau jetzt vor jeder Shisha-Bar Angst haben müsse. Ihr Freund Theodoros Mavromatidis hat griechische Wurzeln. Er hat in Backnang noch nie Fremdenfeindlichkeit erlebt. In die Shisha-Bar kommt er, weil er sich hier gut entspannen kann, sagt er und zieht an der Wasserpfeife. Marcel Wahl ist Backnanger und kommt regelmäßig in die Shisha-Bar. „Man trifft hier liberale Leute mit Migrationshintergrund“, gefällt ihm besonders gut. „In Backnang sind wir multikulturell.“ Murat Ceylan ist in Istanbul geboren. „Es ist sehr erschreckend, wie manche Leute Hass verinnerlichen und durchdrehen“, sagt er zu den Ereignissen in Hanau. „Unmöglich, dass so labile Menschen mit psychischen Problemen nicht strenger kontrolliert werden und im Besitz von Feuerwaffen sein können.“

Auch in der Hakkooh Shisha Bar & Café zeigt sich, dass das Rauchen der Wasserpfeife mit Aroma längst nicht mehr nur eine Freizeitbeschäftigung für Männer aus dem türkischen oder arabischen Raum ist. Bei jungen Leuten scheint dieser Trend zu boomen. „Wir haben etwa achtzig Prozent deutsche Gäste“, sagt der Geschäftsführer Cihan Sen, der im Alter von fünfzehn Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist. Dass weniger Gäste seit dem Anschlag in Hanau kommen, sei nicht zu verzeichnen. Aber Angst habe er schon zu spüren bekommen. In der Stadt sei er von einem türkischen Vater angesprochen worden, der seinem 18-jährigen Sohn nun den Besuch in der Shisha-Bar verboten hat. Auch die eigene Mutter des Geschäftsführers sei in Sorge. Angst habe er selbst nicht direkt, aber die schreckliche Tat hat auch bei ihm zu Gedanken geführt wie: „Was würden wir tun, wenn so jemand hier reinkommt?“

Die Gäste wollen vor allem entspannen

Eine Gruppe aus Schwäbisch Hall sitzt in einer Wolke von Dunst. Sie besuchen gerne Shisha-Bars in verschiedenen Städten und machen öfters Halt in Backnang. Deutsche sind dabei, aber es fällt auf, dass viele in Deutschland geboren sind und einen Migrationshintergrund haben. Duygu Burgaz‘ Familie stammt aus der Türkei. Sie geht gerne in einer so großen Gruppe aus und fühlt sich dabei sicherer, als wenn sie nur mit Freundinnen unterwegs ist. Vor einem Anschlag schützt sie das natürlich nicht und sie hofft, dass die Tat in Hanau ein Einzelfall bleibt. Artur Tovmasjam, der in Russland geboren ist, weist darauf hin, dass die Gruppe zwar Shisha raucht, aber kaum Alkohol trinkt. Man komme her, um zu entspannen und zu kommunizieren, an einem Ort, wo keiner feindliche Absichten habe. In Bars, in denen viel Alkohol getrunken wird, habe er schon viel mehr Stress und Streit erlebt. Obwohl der Anschlag in Hanau Entsetzen bei den jungen Leuten ausgelöst hat, wollen sie sich in ihrer Freizeitgestaltung nicht einschränken lassen. Kadish Brown, deren Eltern aus den USA stammen, unterstreicht: „Man kann ja nicht mit lauter Angst durchs Leben gehen.“

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Erstellt:
24. Februar 2020, 06:00 Uhr

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