Nichtwähler und Überzeugungstäter

Ioannis Sakkaros ist der Kopf der Protestbewegung gegen die Dieselfahrverbote

Demo - Zunächst war es nur ein Scherz im Freundeskreis, doch daraus wurde Ernst: Ein Stuttgarter Kfz-Mechatroniker hat die ersten Demos gegen das Dieselfahrverbot auf die Beine gestellt.

Stuttgart Der Kumpel kriegt die Krise. „Oh Mann, du musst jetzt wirklich einen Terminkalender führen und dir die Telefonnummern aufschreiben, wir müssen das alles koordinieren“, schimpft Serkan Senol seinen Freund Ioannis Sakkaros aus, der mitten in den Vorbereitungen für die dritte Stuttgarter Demo gegen das Fahrverbot für ältere Diesel steckt. Aber nur ein bisschen. Denn richtig böse kann er seinem Kumpel nicht sein. „Er macht das alles, weil er es gut meint“, attestiert Senol, als Sakkaros schon wieder ans Handy muss, da sein Zeitplan aus den Fugen geraten ist. Zweieinhalb Stunden hinkt er den Terminen am Mittwochnachmittag hinterher. „Es ist krass viel Arbeit“, sagt der junge Mann aus dem Stuttgarter Westen, der am Wochenende aus dem Nichts zu einer kleinen Berühmtheit wurde. Ioannis Sakkaros, 26 Jahre alt, Kfz-Mechatroniker von Beruf, nach Feierabend leidenschaftlicher Bastler und Schrauber in der Garage, Autofan und Technikfreak, ist der Kopf der Bewegung, die gegen das Dieselfahrverbot auf die Straße geht.

„Einmal bis Mitternacht, dann noch länger, wir arbeiten nach Feierabend die ganze Zeit für die Demo“, sagt er. Entstanden sei alles „eigentlich aus ’nem Scherz heraus“, sagt er. Mit Kumpels habe er sich vor einem halben Jahr unterhalten, was für ein Auto man sich am besten kaufen soll, „denn die verbieten ja jetzt eins nach dem anderen“, dachten sich die Freunde. Erst Diesel mit Euro 4 und schlechter, dann Euro 5. „Und irgendwann vielleicht auch mal Benziner.“ Deswegen habe er erst eine Facebook-Seite aufgesetzt. Und dann, als das Fahrverbot in Kraft war, über diese zur ersten Demo aufgerufen. „Hey, wie sieht’s aus, machen wir ’ne Demo?“, habe es im Freundeskreis geheißen. Und dann ging es ab. „Mit so vielen hatte ich erst nicht gerechnet. Aber wir werden immer mehr, denn es betrifft ja so viele“, sagt er. Rund 250 Teilnehmer bei der ersten, dann etwa 700 bei der zweiten Demo. Für diesen Samstag werden noch mehr erwartet. Deswegen trifft man sich auch nicht mehr am Neckartor, sondern auf dem Wilhelmsplatz, das ist das Ergebnis eines Kooperationsgesprächs mit Vertretern der Stadt und der Polizei.

So richtig in den Fokus gerückt ist Sakkaros erst, als es nach der zweiten Demo politischen Zoff gab. AfD-Anhänger und Amtsträger mischten mit. Das wollte der junge Grieche nicht. „Das soll von Bürgern für Bürger sein. Und wenn da Rechte mitmachen, dann bleiben die Leute ja weg. Das geht nicht“, sagt er. Deswegen bat er die AfD, ihre Transparente abzukleben, und ließ auch keine Politiker ans Mikrofon. Überhaupt die Politik, das ist so gar nicht sein Thema. Wählen dürfte er als griechischer Staatsbürger und damit EU-Bürger bei Kommunal- und Europawahlen in Deutschland. „Mach ich nicht“, sagt Sakkaros. „Da ist niemand, mit dem ich mich identifizieren kann. Ich finde da nix. Und dann machen die eh, was sie wollen, und nicht das, was für uns Bürger gut ist.“

Das Fahrverbot ist für ihn ein gutes Beispiel für die von ihm beobachtete Realitätsferne der Politiker. „Man hätte einen Ring um Stuttgart bauen müssen wie in München. Und mit Öffentlichen kommt man auch nicht überallhin“, nennt er zwei Punkte, die seiner Meinung nach zuerst geklärt gehört hätten. Nicht fahren zu dürfen mit Euro 5 und älter, das komme einer „Enteignung“ der Autofahrer gleich. „Um mich geht es da nicht“, sagt Sakkaros. Weder um sein Auto – „Diesel, aber Modell und Marke sag ich nicht“, erläutert der Porsche-Mitarbeiter –, noch um seine Person.

Im Gegenteil: „Ich will nicht so im Mittelpunkt stehen“, sagt er. Er arbeite mit zehn bis 15 Freunden bei der Organisation der Demos zusammen. „Ich glaube nicht, dass das mit den Grenzwerten für Stickstoffdioxid richtig ist“, argumentiert Sakkaros für die freie Fahrt, die er und seine Mitstreiter fordern. Deswegen sieht er auch keinen Widerspruch in seinem Engagement „für die Bürger“, an dem manche kritisieren, er helfe nur Autofahrern – und nicht den von Abgasen geplagten Anwohnern am Neckartor. „In der ARD kam eine Sendung, da haben sie Messungen vom Fraunhofer-Institut gezeigt. Demnach ist das alles nicht so, wie es dargestellt wird. Das ist meine Meinung“, betont Sakkaros.

„Ich hab da was losgetreten, was schon lange jemand hätte machen müssen“, sagt er. „Ich treffe den Kern der Leute“, fügt er selbstbewusst hinzu. Den Vergleich mit den Anfängen des Protests gegen S 21, den manche pathetisch bemühen, mag er nicht. „Das hat doch ein anderes Ausmaß“, sagt er. Und eilt mit dem Handy am Ohr davon. Die Termine rufen. „Im Kalender aufschreiben!“, ruft Freund Serkan Senol hinterher. Dann hasten sie davon.

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Erstellt:
25. Januar 2019, 03:14 Uhr

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