Stuttgarter Immobilien-Influencer

Noch mehr Ärger um „Immo Tommy“

Im August brachten Betrugsvorwürfe den Social-Media-Star „Immo Tommy“ in Bedrängnis. Inzwischen haben sich weitere potenziell Geschädigten gemeldet.

Immobilienkauf – nicht immer ein gutes Geschäft.

© Christin Klose/dpa-tmn/Christin Klose

Immobilienkauf – nicht immer ein gutes Geschäft.

Von Hannes Breustedt

Überteuerte Schrottobjekte, hohe Provisionen, riskante Finanzierungsmodelle: Die Anschuldigungen gegen den Social-Media-Star „Immo Tommy“, der mit richtigem Namen Tomislav Primorac heißt, klingen heftig. Im August sorgten Berichte über ein dubioses Vertriebsnetz für Aufsehen, danach wurde es jedoch rasch wieder still. Was ist dran an den Vorwürfen? Das lässt sich auch zwei Monate später noch nicht mit Sicherheit sagen. Jedoch verläuft der Fall keineswegs im Sande – die Anzahl der Problemimmobilien und der potenziell Geschädigten nimmt zu.

„Es haben sich etwa 50 Betroffene gemeldet, etwa 20 hiervon haben ein Mandat erteilt“, sagt Rechtsanwalt Georgios Aslanidis von der Kanzlei AKH-H aus Esslingen im Gespräch mit unserer Zeitung. Dabei beschränkten sich die Beschwerden und Bedenken nicht mehr nur – wie es anfangs schien – primär auf ein einzelnes Miethaus. „Es sind im Moment sieben unterschiedliche Objekte mit Bezug zu Immo Tommy“, so Aslanidis. Konkret gehe es um Immobilien in Tuttlingen und Albstadt.

Immobilienkäufer fühlen sich abgezockt

Ein aktuelles Statement von Primorac lag zunächst nicht vor. Er wollte sich nur unter der Bedingung äußern, den Artikel vorab gegenlesen und freigeben zu können – das entspricht nicht den Standards journalistischer Unabhängigkeit unserer Zeitung. Primorac’ Sprecher begründete die Forderung damit, „in letzter Zeit das Vertrauen in guten Journalismus etwas verloren“ zu haben.

„Immo Tommy“ bezeichnet sich selbst als „Europas größten Immobilien-Influencer“, auf Internetplattformen wie Instagram, Tiktok und Youtube folgen ihm insgesamt fast zwei Millionen Nutzer. Immobilienkäufer, denen über das Vertriebsnetz von Primorac Eigentumswohnungen vermittelt wurden, fühlen sich jedoch abgezockt. Eine größere Öffentlichkeit hatten diese Vorwürfe durch eine Recherche des „Spiegel“ und des NDR erreicht.

Verdruss mit „Rundum-Sorglospaket“

Während Primorac nach den Berichten zunächst von wenigen Einzelfällen sprach, denen Hunderte zufriedener Kunden gegenüberstünden, geht Anwalt Aslanidis von einer wesentlich größeren Dimension problematischer Fälle aus. Hinter dem mit „Immo Tommy“ verbundenen Vertriebssystem habe viel Aufwand gesteckt, diverse Parteien seien involviert gewesen – von der Vermittlung über die Finanzierung bis hin zu Notaren, Sanierung und Vermietung der als „Rundum-Sorglospaket“ vermarkteten Immobilien hätten offenbar alle unter einer Decke gesteckt.

„Die Immobilienkäufer wurden über Social Media von Immo Tommy geködert“, sagt Aslanidis. „Die Vermittler haben sich als Experten aus dem Netzwerk von Immo Tommy vorgestellt oder auch als Verkaufsberater vom Team von Herrn Primorac.“ Die Gespräche seien stets nach dem selben Schema verlaufen: „Es wurde eine Musterberechnung erstellt, wonach sich die Immobilie mit einem Plus von selbst finanzieren würde.“ Um zu zeigen, wie die Kapitalanlagen „schöngerechnet“ worden seien, gewährte der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht unserer Zeitung Einblick in die Finanzierungskalkulationen. Etliche Interessenten ließen sich offenbar leicht von den Rechenspielen der Vermittler beeindrucken, sie kauften Wohnungen angeblich unbesehen und meist ohne oder mit wenig Eigenkapital.

„Es wurden Fehler gemacht“

Primorac hatte in einem Video-Statement im August vor allem nicht näher genannte Partner in seinem Netzwerk für den Ärger verantwortlich gemacht. „Es wurden Fehler gemacht, es sind Probleme entstanden seitens verschiedener Firmen, mit denen wir zusammenarbeiten“, sagte der Influencer. Von einigen Firmen habe sich sein Team getrennt, weil Qualitätsstandards nicht eingehalten worden seien. Sein Geschäft sei in den vergangenen Jahren „explodiert“, viele Dinge habe er nicht mehr kontrollieren können: „Wo gehobelt wird, fallen Späne.“ Primorac nahm auch die Kunden in die Pflicht: „Eine Immobilie zu kaufen, da gehört auch ein Stück weit Eigenverantwortung dazu.“

Neben der riskanten Empfehlung, Immobilien auf Pump zu kaufen, findet Anwalt Aslanidis auch die Art der Kaufabwicklung fragwürdig. „Oft fand der Notartermin vor dem Banktermin statt, das heißt die Kunden hatten sich bereits zur Kaufpreiszahlung verpflichtet, bevor die Darlehensverträge unterzeichnet waren“, erklärt er. Die Vermittler hätten Selbstauskünfte und sonstige Informationen für eine Bankfinanzierung von den Kunden in den Beratungsgesprächen eingeholt. Dabei sei eine Sache auffällig gewesen: „Eine alternative Bank wurde nie vorgestellt, die finanzierende Bank scheint vorher fest gestanden zu haben.“ Damit rückten auch die Finanzierungspartner in den Fokus.

Finanzinstitute lassen Darlehensverträge prüfen

Immer wieder tauchen in diesem Zusammenhang die Bausparkasse Schwäbisch Hall und die Volksbank Konstanz auf. Beide verwiesen bei Anfragen unserer Zeitung auf das Bankgeheimnis, das die Auskunftsmöglichkeiten einschränke. Bei Schwäbisch Hall betont man aber, dass das Unternehmen selbst nie mit „Immo Tommy“ kooperiert habe. „Auf Basis dessen, was in der Presse berichtet wurde, stellt sich der Sachverhalt für uns so dar, dass in Einzelfällen über einen selbstständigen Handelsvertreter ein Schwäbisch-Hall-Bausparvertrag vermittelt wurde“ sagte eine Sprecherin.

„Die Presseberichte rund um das Geschäftsgebaren des Finfluencers Tommy Primorac haben die Volksbank Konstanz veranlasst, sämtliche Kreditengagements, die im Zusammenhang mit einzelnen Personen aus dem Netzwerk stehen, umfassend zu überprüfen“, teilte das Geldhaus auf Nachfrage mit. Im Sinne einer konsequenten und objektiven Aufarbeitung habe sich der Vorstand entschieden, hierbei auf externe Unterstützung von Revisionsexperten zurückzugreifen.

Die rechtliche Aufarbeitung des Falls steht noch am Anfang. Ob und inwieweit involvierte Parteien juristisch belangt werden können, ist schwer zu sagen. Anwalt Aslanidis etwa bemüht sich gar nicht um eine Strafverfolgung von Primorac, er strebt für seine Mandanten in erster Linie eine Rückabwicklung der Kaufverträge an. Seine Strategie besteht vor allem darin, wie bei früheren Skandalen um Schrottimmobilien Vergleiche mit den finanzierenden Banken zu erreichen, um seine Klienten von hohen Schuldenlasten zu befreien. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft prüft weiter wegen der Berichterstattung des Betrugsverdachts gegen Primorac. Ob es zu einem Ermittlungsverfahren komme und ob es inzwischen Strafanzeigen gegen Primorac gebe, dazu wollte sich Staatsanwältin Stefanie Ruben gegenüber unserer Zeitung nicht äußern.

Zum Artikel

Erstellt:
24. Oktober 2024, 11:08 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen