Nopper sieht „große Chance für die Stadt“

Backnangs OB fordert in einem offenen Brief an Riva-Chef Püttmer Antworten auf ungeklärte Fragen zum Quartier Backnang-West

Mit einem offenen Brief hat Backnangs Oberbürgermeister Frank Nopper gestern Nachmittag auf die Pressekonferenz reagiert, die Riva-Chef Hermann Püttmer Anfang des Monats zusammen mit Architekt Helmut Jahn in Sachen „Quartier Backnang-West“ gegeben hat. Nopper schreibt, im Nachgang zu der Pressekonferenz „stellen wir im Wege eines offenen Briefes Folgendes klar“.

Die bisherige Industriebrache rund ums Kaelble-Areal könnte sich in wenigen Jahren zu einem modernen Stadtquartier mausern. Visualisierung: Riva

Die bisherige Industriebrache rund ums Kaelble-Areal könnte sich in wenigen Jahren zu einem modernen Stadtquartier mausern. Visualisierung: Riva

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Die vierseitige Klarstellung umfasst vier Punkte. Zuerst beschreibt das Stadtoberhaupt die Grundlagenermittlung in Sachen Hochwasserschutz und Altlastenbeseitigung. Demnach gab es bereits am 4. Juni – also knapp zwei Wochen, bevor in der legendären Traueranzeige die fehlende Zusammenarbeit mit der Stadt kritisiert wurde – ein „intensives Gespräch“, an dem neben Baudezernent Stefan Setzer und OB Nopper auch Hermann Püttmer, dessen Sohn Markus Püttmer und Architekt Martin Webler teilgenommen haben. Daraufhin haben laut Nopper fünf Vertreter der Stadt Backnang, sieben Vertreter des Landratsamtes Rems-Murr-Kreis und der von Riva beauftragte Architekt Martin Webler am 12. Juli – wie am 4. Juni besprochen – die weitere Vorgehensweise in Sachen Altlastenbeseitigung und Hochwasserschutz über mehrere Stunden hinweg erörtert. Die Erkenntnisse aus den Untersuchungen bezüglich des Hochwasserschutzes und der Altlastenbeseitigung sind laut Nopper deswegen „unabdingbare Voraussetzungen“ für die weitere Planung, weil diese wesentliche Auswirkungen auf die Art und Weise der künftigen Bebauung haben können. So sind beispielsweise bestehende Gebäude entlang der Murr Teil des vom Landratsamt rechtsverbindlich festgestellten Hochwasserschutzes. Bei einem Abbruch müssen diese „wirkungsgleich ersetzt werden“. Ferner sei die Altlastenuntersuchung „eine gesetzlich vorgeschriebene Bedingung für die Erteilung von Baugenehmigungen“, weil bei jedem Eingriff in den Baugrund vorab geklärt werden muss, ob dieser negative Auswirkungen etwa auf das Grundwasser hat. Nopper: „Diese Vorgehensweise ist kein von der Stadt Backnang erfundenes Prozedere zur Verzögerung der Baumaßnahme, sondern vielmehr ein schulmäßiges, zwingend vorgegebenes Verfahren, das republikweit in derartigen Fällen praktiziert wird.“ Im Übrigen soll dies nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch den Bauherrn vor ansonsten unkalkulierbaren Folgen schützen.

Wie viel Zeit die Untersuchung des Landratsamtes Rems-Murr-Kreis in Sachen Hochwasserschutz und Altlastenbeseitigung in Anspruch nehmen wird, könne heute noch nicht gesagt werden. „Auch wenn diese Untersuchungen im Wesentlichen vom Landratsamt Rems-Murr-Kreis begleitet werden, steht die Stadtverwaltung dem Bauherrn gerne flankierend zur Seite und unterstützt ihn dabei, diese Untersuchungen zügig voranzutreiben. Mit welcher Geschwindigkeit die Untersuchungen abgeschlossen werden können, hängt von der Bodenbelastung, aber auch ganz entscheidend vom Bauherrn ab – etwa davon, wie schnell er die notwendigen Fachgutachten in Auftrag gibt.“

Nach Vorliegen erster Zwischenergebnisse aus den Untersuchungen können die Konsequenzen für die zukünftige Bebauung zwischen Stadt und Bauherr erörtert werden. Parallel dazu sollten laut Nopper verschiedenste Fragen geklärt werden:

Welcher Bedarf an Wohnungen besteht in welchen Zeiträumen am Backnanger Wohnungsmarkt unter Berücksichtigung anderer Wohnbauprojekte?

Für welche Zielgruppen sollen Wohnungen gebaut werden?

Von welchen Zielgruppen sollen Hochschule, Veranstaltungshalle und Kunstmuseum genutzt werden?

Sind die Nutzungen dauerhaft gesichert?

Gab es über die mit der Stadtverwaltung am 9. März geführten Gespräche hinaus Schritte in Richtung einer Hochschulkonzeption mit Aussicht auf staatliche Akkreditierung und wenn ja, welche fachliche Ausrichtung soll die Hochschule haben und in wessen Trägerschaft soll sie stehen?

Wie und von wem wird das nach Aussagen von Herrn Architekt Jahn rund 500 Millionen US-Dollar kostende Projekt finanziert?

Welche Auswirkungen hat die intensive Aufsiedlung des rund vier Hektar großen Quartiers auf den Verkehr, auf den innerstädtischen Einzelhandel, auf die Stadtsilhouette und auf die Sichtachsen innerhalb der Stadt?

In dem offenen Brief heißt es weiter: „Nach Klärung dieser Fragen können und wollen wir gemeinsam mit Ihnen auf der Basis der Vision von Helmut Jahn einen zukunftsfähigen Masterplan entwickeln, der zu Backnang passt. Auch aufgrund von Anregungen aus der Mitte des Gemeinderats wollen wir vorschlagen, das Projekt Backnang-West zu einem Vorhaben im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 2027 zu machen, das in die gesamte Region Stuttgart und weit darüber hinaus ausstrahlen könnte.“

Deutlich wie nie zuvor äußerte sich Nopper auch zur Zeitschiene. Er schreibt: „Projekte, die Teil der Internationalen Bauausstellung 2027 werden, sollten bis spätestens zum Jahr 2027 abgeschlossen sein.“

Im vierten Punkt der Klarstellung verdeutlicht Nopper den Standpunkt der Stadtverwaltung. Auch diese wolle eine Vitalisierung, Aufwertung und Neuordnung des Quartiers Backnang-West. Nopper: „Die Stadtverwaltung hat weder Angst vor dem Projekt, noch will sie die Planungen verzögern, aber sie muss zunächst in einem schulmäßigen Verfahren ein geordnetes Fundament für die Planungen schaffen. Das Projekt kann – wenn richtig vorbereitet, geplant und dimensioniert – eine große Chance für die Stadt sein.“ Allerdings müssten auch die Auswirkungen auf die Gesamtstadt angemessen berücksichtigt werden. Es dürfe durchaus eine einzigartige Architektur entstehen, allerdings sollte sie sich in die gewachsene Backnanger Baustruktur einfügen. Nopper: „Wir haben Verständnis dafür, dass Bauherr und Architekt in der Regel so schnell wie möglich bauen wollen, aber ein Vorhaben dieser Dimension und Komplexität erfordert Geduld und langen Atem. Das Projekt ist ein solches mit großer öffentlicher Ausstrahlung, mit enormen Auswirkungen auf das gesamte Umfeld. Deswegen verlangt es von allen Projektbeteiligten Mut, Weitsicht und Verantwortungsbewusstsein für die gesamte Stadt. Wir sind überzeugt, dass das Vorhaben nur durch ein konstruktives Zusammenwirken von Stadt und Bauherrschaft gelingt, zu welchem wir nach wie vor gerne bereit sind.“

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Erstellt:
17. August 2018, 06:00 Uhr

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