Nur schön oder unkalkulierbare Gefahr?
Über die Frage, ob man Kinderfotos im Internet posten soll, gehen die Meinungen weit auseinander. Einerseits bieten soziale Medien die Möglichkeit, Freude mit Freunden zu teilen. Andererseits sind Eltern und Kinder nicht immer glücklich über die Folgen.

© Alexander Becher
Ein Schnappschuss vom Kinderspielplatz? In Nullkommanix kann das Foto weltweit weitergereicht werden. Nicht immer zur Freude der Fotografierten oder ihrer Angehörigen. Foto: A. Becher
Von Simone Schneider-Seebeck
BACKNANG. Nicht erst seit den Kontaktbeschränkungen durch Corona werden sie gern genutzt, um andere teilhaben zu lassen – Dienste wie beispielsweise WhatsApp, Instagram oder Facebook sind ein Mittel, um mit Freunden und Verwandten, die zum Teil in der ganzen Welt verstreut sind, Kontakt zu halten. Und das nicht nur in schriftlicher Form, sondern vor allem über Fotos. Bilder vom vergangenen Urlaub oder auch vom Weihnachtsfest oder vom Geburtstag finden sich etwa häufig beim Status von WhatsApp. Eigentlich eine gute Idee. Denn erstens muss hier nicht viel Datenvolumen verbraucht werden, damit man die geposteten Fotos anschauen oder verschicken kann. Zudem löschen sie sich nach 24 Stunden, man muss sich also nicht darum kümmern, das selber zu erledigen. Und über die Einstellungen kann ganz klar geregelt werden, wer diese Bilder sehen darf. Das ist für Eltern wichtig. Denn besondere Ereignisse wie ein Kindergeburtstag, ein Auftritt beim Schultheater oder ein schöner Ausflug sind beliebte Anlässe, um Fotos von sich selbst oder den Kindern einzustellen und so andere daran teilhaben zu lassen. Dabei sind Eltern sensibler geworden, nicht alles wird überall und für jeden sichtbar veröffentlicht. „Ich poste meine Jungs nur über WhatsApp, weil da nur diejenigen sie sehen können, die zu meinen Kontakten gehören“, so eine junge Mutter. Stellt sie die Bilder ihrer Kinder in anderen Medien ein, so achtet sie darauf, dass die Gesichter nicht zu erkennen sind, beispielsweise, indem ein Smiley darüber gesetzt wird.
WhatsApp ist auch für eine andere Mutter das soziale Medium der Wahl: „Ich zeige nur hier im Status Kinderfotos, da ich nur Kontakte habe, denen ich vertraue. Und auch hier ist die Sichtbarkeit für manche Kontakte unterbunden, da ich nicht all meinen Kontakten den Status zugänglich machen möchte. An anderer Stelle (Instagram, Facebook & Co.) poste ich keine Kinderfotos.“
Auch Sonja Epp, Leiterin zweier Kindertagesstätten in Kirchberg an der Murr, konnte feststellen, dass Eltern mit dem Thema Veröffentlichung von Fotos ihrer Kinder sensibler umgehen als noch vor Jahren. Eines der Formulare, das Eltern bei der Anmeldung für die Kita unterschreiben müssen, bezieht sich auf das Abbilden der Kinder, etwa bei Aktivitäten oder Festen. Ob sie überhaupt auf die Fotos dürfen, ob das Foto im örtlichen Mitteilungsblatt oder in der Zeitung veröffentlicht werden darf. „Eltern geben eher ihre Zustimmung dafür, dass ihr Kind auf einem Foto im Mitteilungsblatt erscheinen darf als in der Zeitung“, ist ihr aufgefallen.
Doch wie sieht es eigentlich im privaten Bereich mit dem Recht am Bild aus? Dürfen Eltern einfach Bilder ihrer Kinder ins Netz stellen? Rechtsanwalt Torsten Früh von der Rechtsanwaltskanzlei Bonse, Häuser und Früh aus Backnang erklärt: „Rechtlich gesehen kann ich kein Foto ohne die Zustimmung meines Kindes posten, wenn dieses 14 Jahre oder älter ist. Dann gehen die Juristen davon aus, dass das Kind die notwendige Einsichtsfähigkeit hat, also die Fähigkeit, Bedeutung und Tragweite seiner Einwilligung zu überblicken.“ Früh gibt zu bedenken, dass manche Eltern auch deshalb Bilder ihrer Kinder posten, um so durch Likes oder anerkennende Kommentare Bestätigung zu erhalten, denn „gerade Kinderfotos haben einen hohen emotionalen Wert und lösen die größte Aufmerksamkeit und Anerkennung aus. So handeln sie nicht zum Wohle des Kindes, sondern sind auf der Suche nach Anerkennung für sich selbst. Man spricht hier inzwischen auch vom digitalen Narzissmus der Eltern.“ Er rät dazu, Plattformen zu nutzen, bei denen „der Adressatenkreis begrenzt und für mich überschaubar und kontrollierbar“ bleibt, etwa eine Cloud oder andere sichere Programme. Und er empfiehlt, auf jeden Fall mit Kindern darüber zu sprechen, ob ihre Bilder eingestellt werden dürfen oder nicht. Wobei er zu bedenken gibt, dass Kinder nicht unbedingt einschätzen können, ob „sie als Volljährige diese Entscheidung immer noch mittragen“ würden.
Und was, wenn die Kinder selbst unbedingt etwas von sich posten möchten? Sogenannte Influencer, die auf YouTube, Instagram oder TikTok Videos oder Fotos einstellen, üben gerade auf jüngere Internetnutzer, wie der Name schon sagt, großen Einfluss aus, und die Anzahl ihrer Follower, Likes und Kommentare erwecken doch im ein oder anderen Jugendlichen den Wunsch, der Internetgemeinde zu zeigen, dass es ihn oder sie gibt.
Die 13-jährige Lena hat seit etwa einem Jahr einen TikTok-Account und auch auf Instagram und im WhatsApp-Status postet sie gern Bilder von sich. Dabei lässt sie sich auch einiges einfallen, gern setzt sie Bildbearbeitungseffekte ein. Dann glitzert es etwa überall oder auf einmal wachsen ihr Hundeohren. Für Lena stehen die kreativen Möglichkeiten im Vordergrund: „Ich mag es, meine Videos auf Instagram oder Tiktok hochzuladen, weil man seinen Ideen freien Lauf lassen kann.“ Um ihre Bilder zu bearbeiten, nutzt sie vor allem Snapchat, „weil es da verschiedene Filter gibt und man da alles Mögliche machen kann“.
Ganz so glücklich sind ihre Eltern darüber nicht. Allerdings haben sie ein waches Auge auf das, was ihre Tochter ins Netz stellt und schreiten schnell ein, wenn ein Video oder Bild ihrer Ansicht nach unpassend ist. „Sie sieht es nicht so wie wir als Erwachsene. Und sie ist sich leider nur bedingt der Gefahren bewusst, die das Internet birgt“, so Lenas Mutter. Wenn sie nicht kontrollieren könnten, was sie einstellt, würden sie es ihr auch nicht erlauben. Denn eines ist sicher – für die Kinder und Jugendlichen von heute gehört das Internet und Social Media mit positiven und auch negativen Seiten einfach dazu. Einen vernünftigen Umgang damit zu finden, dabei können die Eltern helfen und durch ihr eigenes verantwortungsvolles Handeln unterstützen.