Offene Gruppe für Väter in Backnang
Einmal im Monat bieten der Verein Kinder- und Jugendhilfe und die Familienberatungsstelle des Kreisjugendamts eine offene Vätergruppe an. Die Teilnehmer schätzen den Austausch, die Perspektiverweiterung und Reflexion. Hauptsächlich geht es um Themen aus dem Erziehungsalltag.
Von Nicola Scharpf
Backnang. Das Cadu im Famfutur wird einmal im Monat zum Männertreff. Zwischen sechs und acht Väter – der eine 60 Jahre, der nächste erst 30 Jahre alt, der eine alleinerziehend, der andere im Vater-Mutter-Kind-Klassiker lebend, die Hälfte durch Trennung oder mit Partnerschaftskonflikten belastet – kommen dann zusammen, um sich untereinander und mit den beiden Leitern der offenen Gruppe auszutauschen – nicht über Gott und Welt, aber über das, was sie im Familien- und Erziehungsalltag bewegt. „Unsere Frage ist: Was habt ihr mitgebracht?“, sagt Gruppenleiter Holger Mangold von der Familienberatungsstelle des Kreisjugendamts.
Hauptsächlich gehe es um Themen, die die Kindererziehung beträfen – angefangen beim Umgang mit dem Wutanfall des Dreijährigen über Unsicherheiten beim Setzen von Grenzen bis zu Problemen mit der pubertierenden Teenie-Tochter und mehr. Aber es geht auch um Tiefgreifenderes oder um Verzweiflung, zum Beispiel bei gerichtlich angeordneten Umgangsregelungen, oder um „hochtherapeutische Fragen“, so Mangold. Am Beginn eines jeden Gruppentreffens steht eine aktuelle Runde. „Wer kommt mit was, es ist jedes Mal ein neues Experiment“, sagt der zweite Gruppenleiter Artur Urschel vom Verein für Kinder- und Jugendhilfe.
Die ersten Gruppentermine übertrafen die Erwartungen
Dass es die offene Vätergruppe seit eineinhalb Jahren gibt, bezeichnet der Sozialpädagoge und Transaktionsanalytiker Urschel als „glückliche Fügung“. Die Idee zu einem solchen Gruppenangebot habe er schon lange gehabt. Alleine habe er eine Gruppe aber nicht aufziehen wollen und an einem weiteren Mann als Leiter habe es gefehlt – bis der Sozialarbeiter und systemische Familientherapeut Holger Mangold die gleiche Idee hatte und damit im Herbst 2021 an den Verein als möglichen Kooperationspartner herantrat. Den ersten Treffen über Konzeption, Räumlichkeiten und Finanzierung folgte ein erster Block mit sechs Gruppenterminen, der die Erwartungen übertraf. „Wir hatten mit einem schleppenderen Anlauf gerechnet“, erinnert sich Mangold. Aus den Teilnehmerreihen heraus kam der Wunsch, nach Ablauf der sechs Treffen weiterzumachen. „Das ist dankbar für uns Gruppenleiter. Die Väter wollten es selbst“, sagt Urschel. Mittlerweile ist die Gruppe Teil im Landesprogramm „Stärke“ und hat sich fest etabliert.
Manche Väter sind von Anfang an dabei. Sie schätzen den Austausch, die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, die Selbstreflexion, den Perspektivwechsel, den ihnen die Gruppe bietet. Ein Vater sagt, es ist die „persönliche Horizonterweiterung zu einer guten Entwicklung im Umgang mit den Kindern und der Partnerin“, die ihn motiviert, zur Gruppe zu kommen. Seit sie den Treff besuchen, haben viele Väter Veränderungen an sich selbst und am Familienleben registriert. Einer sagt: „Ich bin in Situationen entspannter. Das ist ein Gewinn für alle.“ Ein anderer schildert: „Man nimmt reichlich Informationen mit, wie man reagieren soll. Es verbessert den Umgang mit den Kindern. Meine Partnerin sagt auch, dass man das im Alltag merkt.“
Der nächste registriert Fortschritte in der Erziehung der Kinder und dass sich Probleme auflösen. Ein weiterer Vater beschreibt die Wirkung der Treffen auf ihn: „Es gibt mir ein Gefühl von Sicherheit, wenn Väter ähnliche Herausforderungen haben und sich weiterentwickeln wollen. Es stärkt mich, mit meinen Herausforderungen nicht alleine zu sein. Von jedem Vater kann ich etwas lernen.“
Die Gruppe ist eigenverantwortlicher geworden
„Es ist wie eine gegenseitige Supervision“, beschreibt Mangold den Charakter der Gruppe. „Anfangs haben wir einen theoretischen Input gegeben. Das hat sich verändert, die Gruppe ist eigenverantwortlicher geworden“, sagt Urschel. Ihre Aufgabe sehen die Leiter darin, steuernd ins Gespräch einzugreifen oder mal einen Impuls zu geben und dafür Sorge zu tragen, dass Diskussionen nicht ausufern. Die beiden mögen die herzliche, freundschaftliche, vertrauensvolle Kultur, die in der Gruppe entstanden ist. „Die Männer sind gut im Integrieren neuer Teilnehmer. Das ist schön“, sagt Urschel. Und: „Es gibt schon mal schwere Themen. Aber es ist uns dennoch eine Leichtigkeit gelungen. Es werden auch Witze gemacht, aber keine verletzenden.“
Mangold und Urschel wollen den Vätern nicht sagen, wie sie sich in welcher Situation richtig verhalten würden. „Es geht um Vorschläge, Perspektivwechsel und -erweiterung. Man öffnet seine Themen nach außen und bekommt einen neuen Blick darauf“, schildert Mangold. „Es gibt auch Aha-Effekte. Das ist für mich als Gruppenleiter schön.“ Das Anliegen von Mangold und Urschel ist, dass Kinder gut erzogen werden. Die Gruppe ist ein Mittel, das dafür zur Verfügung steht. Sie wollen die Väter motivieren, mit ihren Partnerinnen und Kindern im Gespräch zu bleiben und nicht von vornherein zu sagen: Das bringt ohnehin nichts. „Der größte Effekt ist, dass die Teilnehmer gegenseitig voneinander lernen und Relativierung erfahren durch jemand anderen“, so Mangold. Urschel ergänzt: „Mal über Probleme und Fragen zu reden hat oft schon eine lindernde Wirkung.“
Vor ein paar Wochen hatten Teilnehmer die Idee, dass sich die Gruppe zum Grillen trifft. Urschel brachte einen Ball mit und die Männer spielten Volleyball. „Wann haben wir das zuletzt gemacht? Unter Erwachsenen?“ Das Spiel endete unentschieden, nicht mit einem Siegerteam und einer Verlierermannschaft. „Alle waren zufrieden. Das ist bezeichnend für die Gruppe.“
Offenes Angebot Wer Interesse an der Vätergruppe hat, kann sich an Holger Mangold von der Familienberatungsstelle telefonisch unter 07191/895-4039 oder per E-Mail an familienberatung-backnang@rems-murr-kreis.de wenden.