Ohne Migration geht es nicht

Nicht nur in der Pflegeversicherung besteht Handlungsbedarf – dort ist er aber akut.

 

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Von Tobias Peter

Berlin - Ist die Pflegeversicherung ein Pflegefall? Ist die Krankenversicherung ein Fall für die Intensivstation? Zeigt die Rentenversicherung dramatische Zeichen von Altersschwäche? In dieser Zuspitzung sind alle drei Aussagen falsch. Dennoch gibt es keinen Zweifel: In allen drei Fällen gibt es erhebliche Probleme. Und: Es wird in den nächsten Jahren teurer. In Zeiten des demografischen Wandels ist das auch wenig überraschend.

In der Pflegeversicherung ist der Handlungsbedarf akut. Die Gesellschaft altert, nun sind die Kosten noch stärker gestiegen als erwartet. Wer für seine Angehörigen eine gute Pflege will, sollte sich gegen höhere Beiträge nicht stemmen. Zumal es auch um eine anständige Bezahlung der Pflegerinnen und Pfleger geht. Sie ist nicht nur eine Frage des Anstands. Es geht – Stichwort Fachkräftemangel – auch darum, dass sich überhaupt genug Personal für diese Aufgabe findet.

Wenn sich das Gewicht zwischen Alten und Jungen verschiebt, wird unweigerlich auch die Krankenversicherung teurer. Unterm Strich bedeutet das die Wahl, Leistungen zu kürzen oder aber die Beiträge zu erhöhen. Die große Mehrheit der Versicherten wird es eher in Kauf nehmen, mehr zu zahlen. Gleichzeitig gilt: Das Gesundheitssystem ist so kompliziert, dass die politisch Verantwortlichen es immer wieder daraufhin durchforsten müssen, wo es unsinnige Ausgaben gibt und wo sich die Effizienz steigern lässt.

Die Rentenversicherung wiederum steht zwar aktuell finanziell stabil da. Mit ihr sind aber große Zukunftssorgen verbunden. Denn die geburtenstarken Jahrgänge gehen nach und nach in Rente. Das geplante, aber in der Koalition umstrittene Rentenpaket II verfolgt die richtige Idee, das Rentenniveau zu stabilisieren. Es ist richtig, die Renten nicht von den Löhnen abzukoppeln. Sonst werden mehr Menschen von ihrer Rente nicht mehr leben können. Nur: Wenn das Rentenpaket kommt, wird es den Trend zu steigenden Rentenbeiträgen bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts noch einmal verstärken. Deshalb werden künftige Regierungen es kaum vermeiden können, das Renteneintrittsalter noch einmal zu erhöhen. Wenn die Menschen älter werden, ist es nur fair, diese Zeit zwischen Erwerbsarbeitszeit und Rentenzeit aufzuteilen.

Die eine einfache Lösung gibt es nicht. Es ist klug, die gesetzliche Rente auch mit Hilfe von Aktiengewinnen zu stärken. Die bisherigen Pläne der Ampel für ein Generationenkapital fallen hier noch zu klein aus. Doch die Risiken müssen begrenzt bleiben.

Ein weitere Reformmöglichkeit: Es wäre gerecht, in die gesetzlichen Versicherungen auch Beamte einzubeziehen – ein Projekt, an das sich bislang keine Regierung getraut hat. Der entsprechende Umbau würde sehr lange dauern. Das Wundermittel, für das ihn manche halten, ist er nicht.

Ein Beitrag zur Lösung, auf den auf keinen Fall verzichtet werden kann, ist die qualifizierte Migration in den Arbeitsmarkt. Je mehr Menschen arbeiten und in die Sozialkassen einzahlen, umso leichter ist es, die Beiträge unter Kontrolle zu halten. Die Debatte darüber, wie sich die irreguläre Migration besser begrenzen lässt, ist richtig. Es geht darum, die Überlastung von Kommunen zu beenden und den gesellschaftlichen Frieden zu sichern. Eines darf jedoch nie aus dem Fokus geraten: Deutschland braucht ebenso Menschen, die ins Land kommen und hier arbeiten wollen. Es muss sich sogar um sie bewerben.

Das bedeutet auch: Wer im Alter pflegebedürftig ist, sollte weltoffen sein. Schon jetzt stammen viele Pflegekräfte und Ärzte aus dem Ausland. Für die Gesundheitsversorgung in Deutschland ist es wichtig, dass es noch mehr werden.

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Erstellt:
7. Oktober 2024, 22:05 Uhr
Aktualisiert:
8. Oktober 2024, 21:57 Uhr

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