Ohne Sorge ins neue Jahr entlassen
Traditionelles Konzert mit der Original Wiener Strauss-Capelle unter der Leitung von Rainer Roos im Backnanger Bürgerhaus
Alle Jahre wieder gastiert die Original Wiener Strauss-Capelle seit nunmehr 15 Jahren in Backnang. Und jedes Mal gibt Dirigent Rainer Roos neben der exquisiten Darbietung von Wiener Walzer- und Polkaklängen noch ein Bonbon dazu. Dieses Mal den Wiener Zitherspieler und Sänger Roman Martin. „Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust“ lautete das Motto des Konzerts.

© Pressefotografie Alexander Beche
„Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust“: So lautete das Motto beim Neujahrskonzert im Backnanger Bürgerhaus. Foto: A. Becher
Von Thomas Roth
BACKNANG. Von pianissimo bis maximal mezzoforte spielen die Musiker, wenn sie sich, wie bei Josef Strauss’ relativ langsamer Polka „Die Nasswaldlerin“, zu den Klängen der Zither gesellen. Und so erfüllt den seit Langem restlos ausverkauften Walter-Baumgärtner-Saal des Backnanger Bürgerhauses hier so eine Art orchestrale Stubenmusi. Ebenso wie bei den „G’schichten aus dem Wienerwald“, neben der Ouvertüre zu „Nacht in Venedig“ und dem Donauwalzer eines der wenigen Stücke von Johann Strauss.
Der Rest des offiziellen Programms stammt von Josef Strauss, über den der „Walzerkönig“ Johann meinte: „Ich bin der bekanntere, er der begabtere.“ Der Musik von Josef Strauss wird ein Schuss Melancholie zugeschrieben. Davon war am gestrigen regnerischen Sonntagvormittag aber nicht ein Hauch zu spüren. Gilt Maestro Roos selbst auf der Bühne seinerseits schon als lockerer Typ mit Hang zum spitzen Wort, als Garant für entkrampfte Unterhaltung, so wurde er beim Konzert heuer von Roman Martin diesbezüglich massiv unterstützt. Dessen Problem sei, dass Roman Martin eigentlich Zitherspieler sei, aber immer singen wolle. Mit diesem Satz eröffnet das humoristische Showgeplänkel zwischen ihm und seinem Gast. Ausgangspunkt für jede Menge humoristische Einlagen ist „Die Schwätzerin-Polka“. Genüsslich erzählt Roos etwas von seiner Oma, die meinte, die Schwätzerin sei die Zeitung im Dorf, und murmelt anschließend noch einen Satz über Frauen und gut kochen. Dünnes Macho-Eis, auch angesichts der MeToo-Debatte, dachte sich hier Roman Martin und konfrontiert Roos mit der Nachricht, im Internet sei ein Shitstorm losgebrochen. Zur Besänftigung der (weiblichen) Gemüter singt er kurzerhand „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“ aus Emmerich Kálmáns „Csardasfürstin“. Und nach der Pause gleich noch die Arie „Aber meine Herrschaften“ aus Ralph Benatzkys „Im Weißen Rössl“, als Rainer Roos zum Weitermachen mahnt. Martin: „Rainer, bitte hetz mich nicht.“
Der Wiener, der auch die dortigen weltberühmten Philharmoniker mit seiner Zither komplettiert, spielt „Der dritte Mann“, das Zitherparadestück, zunächst solistisch und in gänzlich ungehetztem Tempo. Gegen Ende steigt die Capelle dezent mit ein. Sehr gelungen. Bei der schnellen und temperamentvollen Plappermäulchen-Polka brilliert Roos parallel zu seinem Dirigat an der Rätsche, ebenso wie zuvor bei der Jockey-Polka an der „Peitsche“, hier fast immer richtig unterstützt vom Publikum.
Bei aller guten Laune der Protagonisten, bei allem humorigen Beiwerk, kommt das feine Musizieren jedoch keinesfalls zu kurz. Beim Donauwalzer spielen Horn und Cello so wunderbar zusammen, dass sie von Roos und dem Publikum einen Extrabeifall bekommen. Der gebührte allerdings nicht nur diesen beiden Musikern, sondern allen. Nach dem obligaten Radetzkymarsch ist nicht Schluss. Großen Beifall gibt es nochmals für Roman Martins Interpretation von Anton Karas’ „Café Mozart Walzer“, bevor Rainer Roos sein Publikum mit der Polka „Ohne Sorgen“ ins Neue Jahr entlässt.