Oppenweiler wird Regenbogengemeinde
Die evangelische Gemeinde in Oppenweiler will die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ermöglichen und ist damit in der Vorreiterrolle im Kirchenbezirk Backnang. Anstoß hierfür war eine Anfrage eines Kirchenmitglieds.

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Seit 2019 erlaubt die württembergische Landeskirche die Segnung homosexueller Paare im Rahmen eines Gottesdiensts. Die Gemeinde Oppenweiler möchte dies nun anbieten. Foto: Adobe Stock/Tony Marturano
Von Lorena Greppo
Oppenweiler. Seit 2017 gibt es die Ehe für alle in Deutschland, gleichgeschlechtliche Paare können sich also standesamtlich trauen lassen. Für eine kirchliche Hochzeit sind die Hürden hingegen vielerorts (noch) nicht abgebaut. Vor vier Jahren hat die evangelische Landessynode beschlossen, dass in bis zu einem Viertel der württembergischen Kirchengemeinden Gottesdienste zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare möglich werden können (siehe Infotext). 110 Gemeinden in der württembergischen Landeskirche haben – Stand Mai – das notwendige Verfahren hierfür durchlaufen, darunter finden sich Waiblingen und seit Neuestem auch Schorndorf. Aus den Gemeinden im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung ist keine diesen Schritt gegangen – bis vor Kurzem. Denn der Kirchengemeinderat in Oppenweiler hat sich mit einer Mehrheit von mehr als drei Vierteln des Kirchengemeinderats (KGR) dafür ausgesprochen, die Segnungsgottesdienste anzubieten, und wartet nun auf grünes Licht vom Oberkirchenrat. „Sobald wir das Okay bekommen, ändern wir unsere Gottesdienstordnung und bieten die Segnungen an“, so die KGR-Vorsitzende Sabine Hoffmann.
Da derzeit die Stelle des Dekans vakant ist, gehört Pfarrer Hans Joachim Stein aus Murrhardt zu den Stellvertretern. Er ist sich ziemlich sicher, dass keine andere Gemeinde im Kirchenbezirk Backnang sich auf den Weg gemacht hat, die Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare anzubieten. „Davon hätte ich sonst gehört“, sagt er. Meistens beginne dieser Prozess, wenn eine konkrete Anfrage vorliegt, das war auch in Oppenweiler so. „Für die meisten ist es dann ein Thema, wenn man ein Gesicht dazu vor Augen hat.“ Sabine Hoffmann weiß allerdings, dass beispielsweise die Gemeinde Fellbach kurz vor Oppenweiler auch einen Gemeindeabend zu diesem Thema veranstaltet hatte.
Schon früh Offenheit signalisiert
Offenheit für die Segnung homosexueller Paare hatte die Kirchengemeinde in Oppenweiler schon weit früher signalisiert. Ende 2017 hatte sie sich der Initiative Regenbogen angeschlossen – als Einzige im Bezirk. Die Initiative setzte sich dafür ein, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare zu schaffen und das Zusammenleben von homosexuellen Pfarrerinnen und Pfarrern mit ihrer Partnerin/ihrem Partner im Pfarrhaus zu ermöglichen. „Es war zwar nur ein symbolischer Schritt, aber uns war es wichtig“, sagt Sabine Hoffmann. Zum einen hätten die Pfarrerinnen dieses Anliegen unterstützt, außerdem hätten auch viele Mitglieder nachgefragt: Wie steht ihr dazu?
Nachdem die Landessynode dann die Segnungen ermöglicht hatte, wollte sich die Kirchengemeinde Oppenweilers schon 2019 dafür bewerben. Doch dann kam die Coronapandemie, die vieles ins Stocken brachte. Und angesichts des Großprojekts Kirchturmsanierung (wir berichteten) rückte das Vorhaben weiter in den Hintergrund.
Moderation durch externe Theologin
Doch dann kam die erste konkrete Anfrage eine homosexuellen Paares, das gerne in der Kirche gesegnet werden möchte. „Dann mussten wir uns mit großer Priorität damit befassen“, erklärt Sabine Hoffmann. Sie macht gleich zu Beginn klar, wo die Schwierigkeit hierbei liegt: „Es ist ein ganz sensibles und emotionales Thema.“ Dieses habe viel mit dem eigenen Bibelverständnis zu tun. Gemeindemitglieder, die sich gegen die Segnung aussprechen, täten dies meist nicht aus homophoben Gründen, sondern weil sie manche Stellen in der Bibel wörtlich nehmen. Umso erfreuter zeigt sich die KGR-Vorsitzende, dass der Gemeindeabend zum Thema von Respekt geprägt gewesen sei. „Es wurde auch von den Mitgliedern als würdevoller Umgang wahrgenommen“, führt sie aus. Beide Seiten wurden von zwei verschiedenen Pfarrern vertreten, die Moderation hat eine externe Theologin übernommen. Recht schnell habe sich gezeigt, dass die Mehrheit für die Segnungen war. Daher war es wenig verwunderlich, dass der Konsens (die Landeskirche schreibt eine Mehrheit von mehr als drei Vierteln) im KGR erreicht wurde.
In Schorndorf kann bereits gesegnet werden
Den entscheidenden Schritt weiter ist die Kirchengemeinde Schorndorf. In der Stadtkirche sind die Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare bereits möglich. Anfang des Jahres war der Antrag beim Oberkirchenrat gestellt worden. Auch hier hatte zuvor eine vertiefte inhaltliche Befassung mit dem Thema stattgefunden und ein Konsens wurde erzielt. „Für uns war klar, wir sind eine offene Bürgerkirche“, sagte Pfarrerin Dorothee Eisrich den „Schorndorfer Nachrichten“. „Bei uns haben alle Platz.“ Sie kritisiert hingegen, dass es eben nur eine Segnung der Paare ist, keine kirchliche Trauung. Das sei unbefriedigend. In anderen Landeskirchen gibt es diese Möglichkeit bereits (siehe Infotext). „Ich würde gerne in einer Kirche leben, in der es eine klare Linie zu homophoben Positionen gibt“, sagt sie. Aber immerhin sei nun auch in der Landeskirche Württemberg eine Tür offen. Um Gesetze in Synoden zu ändern, brauche es Mehrheiten. „Momentan gab es für eine andere Position keine Mehrheit in der Landessynode“, erinnert sie. Sie wünschte sich, dass viele Gemeinden sich aufmachen und diesen Weg beschreiten, damit es endlich weitergeht. „Ich glaube, viele warten auf ein klares Ja.“ Denn noch gebe es viele Verletzungen bei denen, die sich geoutet haben. Das Signal, nicht so sein zu dürfen, wie man ist, finde sie schlimm: „Das widerspricht zutiefst dem, was ich in der Bibel finde.“
Gesetzesänderung 2019 hat die 15. Landessynode ein Gesetz beschlossen, nach dem in bis zu einem Viertel der württembergischen Kirchengemeinden Gottesdienste zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare möglich sind. Wenn diese Zahl erreicht ist, befasst sich die Landessynode erneut mit dem Thema. Das Gesetz ist zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten.
Voraussetzungen Damit eine Gemeinde Segnungsgottesdienste feiern kann, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein: eine vertiefte inhaltliche Befassung der jeweiligen Kirchengemeinde mit dem Thema, die Zustimmung des Kirchengemeinderats mit Dreiviertelmehrheit, die Zustimmung der für die Kirchengemeinde zuständigen Pfarrpersonen mit Dreiviertelmehrheit sowie die Zustimmung der zuständigen Stelleninhaber der Pfarrämter.
Prälaturbeauftragte In jeder der vier Prälaturen gibt es Pfarrerinnen und Pfarrer als Ansprechpartner für alle Fragen zum Thema Kirche und Homosexualität. Sie sind als Seelsorger und Seelsorgerinnen für all jene Menschen in der Kirche tätig, die Fragen zum Thema Homosexualität haben, vermitteln Kontakte zu Gruppen von Lesben und Schwulen in der Kirche sowie zu Referentinnen und Referenten für kirchliche Veranstaltungen.
Trauung Die Segnung homosexueller Paare ist übrigens nicht mit einer Trauung gleichzusetzen. Diese ist bisher innerhalb der Landeskirche Württembergs nicht möglich. In anderen Landeskirchen in Deutschland, etwa in Baden, ist sie hingegen möglich.