Osternacht: Leben in den neuen Tag hinein
Die frühchristliche Tradition der Osternächte lebt wieder auf. Im Raum Backnang finden die beliebten Feiern auf Friedhöfen und in Kirchen, aber auch in der Natur und in einem besonderen Haus statt.
Von Uta Rohrmann
Rems-Murr. Ort des Geschehens ist ein Friedhof. Es ist noch stockdunkel. Vögel zwitschern. Menschen kommen mit Grablichtern. Und wer genau hinschaut, sieht aus der Ferne noch etwas von dem Osterfeuer leuchten, das bei der Steinbacher Grube um 4.30 Uhr entzündet wurde. Ein Kreis junger Erwachsener aus der örtlichen Kirchengemeinde hatte die nächtliche Zusammenkunft auf dem „Stückle“ von Familie Kugler vorbereitet. Trotz Zeitumstellung waren es in diesem Jahr mit rund 50 Personen noch etwas mehr als bisher, die bereits um 5 Uhr um das Feuer saßen, gemeinsam Loblieder zur Gitarre sangen und beteten.
„Wir erleben gemeinsam, wie die Natur wach wird und das Licht den Tag begrüßt“, sagt Jona Hofer. Es ist 6.15 Uhr, der Posaunenchor Oberbrüden spielt das erste Auferstehungslied auf dem Steinbacher Friedhof, wo zu den Leuten, die vom Osterfeuer kommen, noch etwa 20 dazugefunden haben. Pfarrerin Ulrike Heinrich erzählt die biblische Ostergeschichte, von den Frauen, die am frühen Sonntagmorgen dem toten Jesus mit Salbölen die letzte Ehre erweisen wollten und dann das Grab leer vorfanden, weil Jesus auferstanden war. Mittlerweile ist über den Steinbacher Gräbern die Sonne aufgegangen. Viele Besucher bleiben noch, um in den unteren Räumen der Kirche das gemeinsame Osterfrühstück zu genießen.
Die Herausforderung ist, das Osterfeuer zu bewachen, damit es die ganze Nacht nicht ausgeht
„Leben und Tod gehören zusammen“, sagt Dekan Rainer Köpf. Daher befänden sich Friedhöfe traditionell mitten im Ort, um die Kirche herum. Jeder Grabstein sei ein Zeichen der Hoffnung, ein Hinweis darauf, dass der Stein am Ostermorgen von dem Felsengrab, in dem Jesus lag, weggerollt wurde und Jesus seinen Nachfolgern versprochen hat: „Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ Jeder Sonntag sei als der Auferstehungstag ein kleines Osterfest.
Vor etwa 30 Jahren hat Köpf die frühchristliche Tradition der Osternacht in seiner damaligen Gemeinde wieder aufleben lassen – zur selben Zeit, als auch in Steinbach damit begonnen wurde. Dass er dieses Jahr nicht beteiligt ist, bedauert er etwas – die Auferstehungsfeier auf dem Backnanger Stadtfriedhof, die er leitet, beginnt erst um 8 Uhr.
Dafür dürfen sein Pfarrkollege an der Stiftskirche, Thorsten Volz, und das Mitarbeiterteam der Jugendosternacht zusammen mit vielen Konfis, Pfadfindern und Trainees die Nacht durchmachen, die bereits am Karsamstag um 20 Uhr beginnt. Vor dem Gemeindehaus im Heininger Weg wird in einer Feuerschale das Osterfeuer entzündet. Die Herausforderung ist, dieses zu bewachen, damit es die ganze Nacht nicht ausgeht. Die Symbolik dahinter: mit Jesus in dessen schwersten Stunden auszuharren. Gemeinsam daran Osterlämmer und Stockbrot zu backen und weitere erlebnispädagogische Elemente wie ein Tischfußballturnier sowie geistliche Impulse prägen diese besondere Nacht.
Zu dem liturgisch gestalteten Osternachtsgottesdienst um 6 Uhr, in dem Konfirmanden das Abendmahl austeilen dürfen, wird das Feuer vor die Stiftskirche gebracht und das Osterlicht daran entzündet. Dann ziehen alle in die noch völlig dunkle Kirche ein. Das Licht bricht an, wenn die Osterkerze hereingetragen wird, mit ihr die Altarkerzen angezündet werden und dann das Licht durch die ganze Kirche zu jedem Einzelnen kommt. Währenddessen singt Bezirkskantor Hans-Joachim Renz das „Exsultet“, „den längsten und schönsten Gesang der großen Osterliturgie“, wie Volz berichtet. Wenn alle Lichter an sind und die ersten Sonnenstrahlen durch das Ostfenster dringen, wird das Osterevangelium gelesen, man ruft einander zu: „Der Herr ist auferstanden“ – „Er ist wahrhaftig auferstanden“ und die Glocken, die am Karfreitag schweigen mussten, erklingen nun nach langem wieder mit vollem Geläut.
In den Sonnenaufgang hinein trifft man sich auf einer Wiese mit Ausblick auf die Täler
Ostern zu erleben bedeutet auch, Wege zu gehen. Viele Sulzbacher und Spiegelbergerinnen aller Generationen treffen sich dazu um 6.15 Uhr auf dem Friedhofsparkplatz Jux, um in der Dämmerung gemeinsam mit Fackeln den Juxkopf zu besteigen. In den Sonnenaufgang hinein trifft man sich auf einer Wiese mit wunderbarem Ausblick auf die Täler. Hier wartet schon der Posaunenchor der Kirchengemeinde, der die Feier musikalisch gestaltet, verstärkt durch einige Bläser der Methodistengemeinde Murrhardt. Andacht, Lieder, Gebet und Segen und anschließend Begegnungen bei Heißgetränken und kleinem Imbiss prägen diese besondere Zeit.
Künstlerisch-kreativ mit liturgischen Elementen erleben elf Personen mittleren Alters aus dem Weissacher Tal und Backnang den frühen Ostermorgen. Man trifft sich in der Dunkelheit vor dem ehemaligen Löwen in Cottenweiler, der nun das Wohnhaus von Silke und Jörg Kriese und der Sitz der künstlerischen Initiative Editha-Geschichten GbR ist. Man betritt die Grabkammer in dem alten Gemäuer, wird mit der Theaterdarstellung des Ehepaars sowie Steffen Eberle in das Auferstehungsgeschehen hineingenommen.
An vier Stationen sind die Besucher eingeladen, sich mit Totem und Lebendigem sowie Zweifeln im eigenen Leben auseinanderzusetzen und als Getaufte einen Segenszuspruch durch den Oberweissacher Pfarrer Jonathan Pfander zu bekommen. „Das ist wichtig, weil jeder hier auch sein persönliches Empfinden einbringen kann“, findet Aymar Mambo, der als Weissacher Kirchengemeinderat für innovative Ideen steht. Wer möchte, kann mitsingen, mitbeten, mittanzen. Das Osterfrühstück in stilvollem Ambiente und familiärer Atmosphäre rundet das Treffen ab.