Pauken am Backnanger Tausgymnasium mit den jungen Wilden
Schüler und Lehrer zeichnen ein buntes Bild vom einstigen Schulleben am Progymnasium Backnang, dem späteren Gymnasium in der Taus. Die zumeist recht jungen Pädagogen der ersten Stunde hatten sich gezielt für die neue Schule entschieden. Sie brachten einen frischen Wind mit.
Von Armin Fechter
BACKNANG. „Wir wollten es viel besser machen“, konstatiert Ingrid Schermuly, die aus Waiblingen an das neue Backnanger Gymnasium gekommen war und hier bis 2007 Deutsch und Musik unterrichtete. Mit ihren Kollegen Rolf Raczkowski (Englisch, Französisch, Spanisch – bis 1999), Jörg Hofmann (Englisch, Deutsch, Philosophie – bis 2000) und Ellen R. Benner (Englisch, Deutsch, Sport – bis 2000) hat sie sich bei Schulleiter Udo Weisshaar zu einem Zeitzeugengespräch getroffen. In der Runde mit dabei auch zwei Schüler, die von Anfang an dazugehörten: Jörg Frase (1970 bis 1979, der erste durchgängige Jahrgang) und Martin Windmüller (1972 bis 1981).
Viele der jungen Wilden im Kollegium waren von Schulleiter Franz Strasser bei dessen Kollegen am Max-Born-Gymnasium, Rudolf Jaeschke, abgeworben worden. Nach der Schulteilung galt es für den Ableger zunächst, viele Unannehmlichkeiten und Erschwernisse zu bewältigen. So fand der Unterricht an drei verschiedenen Standorten jeweils in den untersten Geschossen statt: Einige Klassen blieben am Max-BornGymnasium, einige wurden in die Max-Eyth-Realschule ausgelagert und einige sogar in die Schillerschule. „Unser Klassenzimmer war direkt neben dem Lehrerzimmer. Wenn wir einmal etwas lauter wurden, war sofort wer da“, berichtet Frase, der in der Realschule einquartiert war.
Unbändiger Pioniergeist und Leidenschaft bei den Pädagogen
„Wir haben das Pendeln geschafft“, lacht Raczkowski heute über die Zeit – Voraussetzung war aber, dass der Stundenplaner mit seinen Vorgaben auf Zack war. Die Lehrkräfte mussten zudem eine gehörige Portion Leidensfähigkeit mitbringen. Hofmann erinnert sich beispielsweise, wie er Klassensätze von Büchern im Kofferraum seines Autos zum Unterricht von einem Ort zum anderen transportierte –, denn es waren nicht genügend Exemplare vorhanden, um alle Schüler auszustatten. Der Umzug ins neu erbaute Schulhaus im Häfnersweg stellte dann noch einmal einen Kraftakt dar, alle mussten mithelfen, wie die Schüler bestätigen, die beim Packen mit Hand anlegten.
Unter den Pädagogen herrschte ein unbändiger Pioniergeist. „Wir haben viel Schwung mitgebracht und wir hatten auch viel Schwung“, fasst Schermuly zusammen. Mit frischen Ideen im Kopf ging die junge Garde zu Werke, beispielsweise in den Fremdsprachen. Da gab es nicht nur das Sprachlabor, das individuelles Lernen ermöglichen sollte, das aber die Jugendlichen auch zu manchem Nonsens verleitete. Vielmehr war es auch der Unterricht selbst: Während es vielfach noch üblich war, dass der Lehrer Deutsch sprach und nur die Übungen in der Fremdsprache zu absolvieren waren, gestalteten Hofmann und Raczkowski ganze Stunden ohne ein deutsches Wort: „Wir haben englische Grammatik auf Englisch erklärt.“ Und das bei Klassen mit zum Teil über 40 Schülern.
Büchersammlung suchte ihresgleichen
Dass am Tausgymnasium eine Art Aufbruchstimmung herrschte, spürten auch die Schüler. „Ich wurde beneidet“, erinnert sich Windmüller an Aussagen von Freunden: „Ihr habt lauter so junge Lehrer.“ Und dann das Schulhaus: „So ein tolles Gebäude.“ Es durfte aber auch gelacht werden. Das große G, das außen an der Schule aufgemalt war, stehe für „Geschafft!“, wurde laut Raczkowski gewitzelt. Derweil widmete sich Hofmann mit Herzblut den Bücherbeständen und baute eine Sammlung auf, die ihresgleichen suchte. Unter anderem verfügte die Schule über die Encyclopedia Britannica, ein wissenschaftliches Mammutwerk, das, wie Raczkowski noch weiß, dem Engagement des seinerzeitigen Konrektors Fritz Kübler zu verdanken war. In der Schülerbibliothek waren interessierte Helfer stets willkommen, Windmüller war einer von ihnen. Besonders in Erinnerung ist ihm noch der eifrigste Ausleiher: Jens Weidmann, späterer Bundesbankpräsident.
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Den Schülern sind manche Lehrer besonders in Erinnerung geblieben. Etliche Anekdoten ranken sich beispielsweise um Otto Munz, der vom Max-Born-Gymnasium übernommen worden war und längst nicht mehr zur jungen Truppe zählt. „Dolan“, wie er genannt wurde, hatte eine spezielle Art, unvermittelt innezuhalten und ein entschlossenes „Frage!“ in den Raum zu stellen. Was Jörg Frase ein ums andere Mal aus der Fassung brachte, weil er dachte, er werde aufgerufen. Es kam auch vor, dass Munz sein Glasauge herausnahm und dann trocken bemerkte: „Ich seh’ alles!“
Freilich, an dem neuen Schulhaus war nicht alles Gold, was glänzte. Zum Beispiel die beiden Musiksäle im Erdgeschoss, getrennt durch eine Ziehharmonikatür: „Es war unmöglich, nebeneinander zu unterrichten“, blickt Schermuly zurück. Planerisch gedacht war dort eine „Ebene der Begegnung“, die einen eigenen Festsaal überflüssig machen sollte, was faktisch aber doch nicht funktionierte und bis heute kritisch gesehen wird. Weisshaars strenges Urteil: „Das Tausgymnasium war ein Billigbau.“ Gleichwohl fand Benner damals, die kleinen Lehrerzimmer seien gut gedacht. Allerdings wurden diese mit dem Wachstum der Schule dann doch immer enger.
Eine Besonderheit am Taus war der sogenannte Aufbauzug, an den sich Raczkowski gern erinnert. Realschulabgänger bekamen dabei die Chance auf die Reifeprüfung, die allerdings mangels einer zweiten Fremdsprache für die Absolventen kein Vollabitur brachte.
Einige Abischerze sind auch nach Jahrzehnten noch gut in Erinnerung
Legendäre Qualität haben einige Abischerze. „Wir waren der erste Jahrgang, der es geschafft hat, dass ein kompletter Schultag frei war“, blickt Windmüller zurück. Allerdings hatten die Absolventen die Schulleitung im Vorfeld eingeweiht. Am großen Tag erschien in der BKZ dann sogar eine Notiz mit dem Hinweis, dass der Unterricht heute ausfällt, dass aber trotzdem alle in die Schule kommen sollten, denn das war der Deal: Die Abiturienten sollten für ein entsprechendes Programm sorgen. Also wurde als Erstes Schulchef Strasser daheim prunkvoll und mit Motorradeskorte abgeholt, dann gab es den ganzen Vormittag über ein Fest mit Spielen, bei denen die Lehrer sich bewähren mussten – zum Gaudium der Schülerschaft.