Personalrat steht hinter den Immobilienplänen

Mitarbeitervertretung im Landratsamt weist auf große Raumnot und vielfältige Mängel in den Verwaltungsgebäuden hin

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN. Der Personalrat der Kreisverwaltung hat einen ungewöhnlichen Schritt unternommen: Erstmals ist das Gremium von sich aus an die Öffentlichkeit getreten, um zu einem aktuellen Thema Stellung zu beziehen. Es geht um die Gesamtimmobilienkonzeption des Landkreises für den Standort Waiblingen. Danach soll das Landratsamt am Alten Postplatz saniert und erweitert und zusätzlich an der Rötestraße ein Neubau errichtet werden. Gesamtkosten: rund 100 Millionen Euro. Das sei aber ein Projekt von einer solchen Tragweite, dass auch die Sichtweise der Kollegen dazu dargelegt werden solle, sagte gestern der Personalratsvorsitzende Christoph Narr, als er gemeinsam mit seinen Stellvertretern Alexander Fiedler und Gerhard Neusser sowie dem weiteren Vorstandsmitglied Gabriele Babarro-Fernandez vor die Presse trat.

Narr ließ keinen Zweifel daran, dass der Personalrat die Pläne gutheißt, nach denen die Modernisierung – die dringend notwendig sei – schrittweise umgesetzt werden soll: „Grundlegend stehen wir hinter dem Konzept.“ Die schwierige Situation sei schon seit Jahren ein Thema, es herrsche große Raumnot. Hinzu kommen vielfältige Mängel – vom fehlenden Sicherheitskonzept über störanfällige Aufzüge bis zum Hitzestau im Gebäude.

Immer wieder kommt es laut Narr vor, dass Mitarbeiter von Besuchern beleidigt und bedroht werden oder sogar körperlichen Übergriffen ausgesetzt sind. Eine Kollegin sei einmal von einem wütenden Klienten geohrfeigt worden. Um künftig zu verhindern, dass – wie dies bislang möglich ist – Leute unkontrolliert ins Landratsamt hereinspazieren und direkt ins Büro des Sachbearbeiters durchmarschieren können, soll im Zuge der Modernisierung ein Drei-Zonen-Sicherheitskonzept realisiert werden. Dabei gibt es eine erste, öffentliche Zone, die aus dem Eingangsbereich und einem Wartebereich besteht. Dort melden sich die Besucher mit ihrem Anliegen an und werden dann vom zuständigen Mitarbeiter zum Gespräch abgeholt. Dieses findet in einem der Besprechungsräume in der zweiten, halb öffentlichen Zone statt. In der dritten, nicht öffentlichen Zone schließlich befinden sich die eigentlichen Büroräume und alle weiteren, nur für die Mitarbeiter intern zugänglichen Räumlichkeiten. Zweck dieser Besucherlenkung ist es, dass die Arbeit geschützt und in Ruhe vonstattengehen kann.

Bessere Arbeitsbedingungen fördern Effizienz und Motivation

Aber auch die Räume seien anders zu gestalten. Als Stichwort nannte Narr den Schallschutz, der vor allem in Räumen mit mehreren Arbeitsplätzen besonders wichtig sei. Stress, der beispielsweise durch häufiges Telefongeklingel, ein- und ausgehende Besucher und andere Unruheherde hervorgerufen wird, führe zu höheren Fehlerquoten und mache krank. Wie Arbeitsplätze gestaltet sind, beeinflusse die Arbeitseffizienz ebenso wie die Motivation, argumentierte Narr.

Im Jugendamt, das in einem Haus in der Winnender Straße in beengten Verhältnissen untergebracht ist und in dem ein reger Besucherverkehr herrscht, seien Büros zwei- und dreifach besetzt – und es gebe keine Besprechungsräume. Wollen sich die Mitarbeiter zu einem Gespräch mit Klienten zurückziehen, müssen sie einen Sozialraum benutzen, der dann wiederum nicht für seinen eigentlichen Zweck zur Verfügung steht.

Die Mitarbeiter leiden auch darunter, dass sich die Räume bei sommerlichen Temperaturen stark aufheizen. In den zurückliegenden warmen Tagen seien am Alten Postplatz ab dem zweiten und dritten Stock über 30 Grad gemessen worden, der Spitzenwert lag bei 35,5 Grad. Narr selbst hat im Personalratsbüro, das sich im sechsten Stock befindet, sogar schon einmal 38 Grad gemessen.

Veraltete Gebäudetechnik sorgt immer wieder für Ärger, Leute seien schon im defekten Aufzug stecken geblieben. Das Haus in der Winnender Straße hatte einen Wasserschaden. Und schließlich mangelt es auch an der Barrierefreiheit. Bis zum fünften Stock geht es mit dem Aufzug, weiter führt der Weg aber nur über eine Treppe. Ein Leitsystem für Blinde? Fehlanzeige.

Die Konzentration der Kreisverwaltung an zwei statt bisher zehn Standorten bringe Zeitersparnisse im internen Betrieb und sei auch für die Bürger besser, nannte der Personalratsvorsitzende Vorteile der Immobilienkonzeption. Käme hingegen die Modernisierung nicht, so könnte das gravierende Folgen in personeller Hinsicht haben, warnte Narr. Denn schon jetzt sei es im Raum Stuttgart schwer genug, Fachkräfte zu gewinnen. Fällt das Landratsamt aber bei den Arbeitsbedingungen gegenüber anderen Arbeitgebern zurück, würden sich noch mehr potenzielle Bewerber gegen den öffentlichen Dienst entscheiden. Das sei insbesondere deshalb bedenklich, weil in den nächsten fünf Jahren rund 150 Mitarbeiter altersbedingt ausscheiden.

Der Personalrat macht sich auch stark dafür, die Arbeitsplätze am Bedarf der Mitarbeiter auszurichten – und auch genug Reserve für die Zukunft einzuplanen. Es bestehe nämlich immer die Gefahr, so warnte Narr, dass aus Kostengründen an den Räumen gespart wird. Aber: „Wir werden einen Mitarbeiterzuwachs haben“, ist er überzeugt. In diesem Zusammenhang verweist er auf das Landratsamt in Ludwigsburg. Dort sei ein Neubau errichtet worden, bald habe sich aber gezeigt, dass die Bürokonzeption nicht mehr hingehaut habe, und nun stehe ein zweiter Neubau daneben.

Nichts hält Narr vom Kalkül, dass mit einer verstärkten Einführung von Homeoffice-Arbeitsplätzen in Zukunft auf Büroräume verzichtet werden könnte: „Das kann’s nicht sein“, warnte er vor solch einem isolierten Arbeiten, bei dem die Bindung zum Landratsamt verloren geht. „Jeder muss auch hier arbeiten können.“

Auch in Backnang gibt es noch

einen offenen Eingangsbereich

Die Außenstellen des Landratsamts in Schorndorf und Backnang stehen zurzeit nicht zur Debatte. So wurde in der Daimlerstadt erst im März vergangenen Jahres ein neues Domizil für Kfz-Zulassung, Jugendamt und Jobcenter bezogen. In der Erbstetter Straße in Backnang allerdings werde es in Zukunft Diskussionsbedarf geben: Dort gibt es noch einen offenen Eingangsbereich wie zurzeit in Waiblingen und kein Sicherheitskonzept.

Der Personalrat vertritt rund 1700 Mitarbeiter. Davon haben derzeit 455 am Alten Postplatz ihren Arbeitsplatz. Geplant ist, dass künftig 180 Mitarbeiter in dem projektierten Neubau an der Rötestraße und 760 am Landratsamt am Alten Postplatz untergebracht werden.

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Erstellt:
15. Juni 2018, 06:00 Uhr

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