Pfiffe, Beleidigungen – und ein Abschiedsgeschenk
Waldemar Anton erlebt bei seiner Rückkehr zum VfB Stuttgart ein Pfeifkonzert besonderer Güte. Ist aber nun froh, einen Strich unter die Angelegenheit zu machen.
Von Gregor Preiß
Stuttgart - Das obligatorische Pfeifkonzert in Richtung des Gegners hatte eine andere Dimension, als die Mannschaft von Borussia Dortmund den Rasen zum Aufwärmen betrat. Es war klar, wem die meisten Pfiffe galten: Waldemar Anton, dem zum BVB abgewanderten Ex-Kapitän des VfB Stuttgart, dem die Anhänger des Clubs aus Cannstatt nicht weniger als Hochverrat vorwerfen. Die Risse konnte auch ein Interview nicht mehr kitten, das der Nationalspieler unserer Redaktion wenige Tage vor der Partie gegeben und in dem er noch einmal seine Beweggründe erläutert hat. Das Kind ist in den Brunnen gefallen.
Übelst beschimpft wurde Anton schon beim Aufwärmen. Im Spielertunnel gab sich der 28-Jährige vor Anpfiff noch locker. Routiniert begrüßte er seine ehemaligen Mannschaftskollegen. Richtig ungemütlich wurde es für den Innenverteidiger dann mit Spielbeginn. Bei jedem Ballkontakt wurde der Nationalspieler in einer Lautstärke ausgepfiffen, wie wohl noch nie ein Spieler im Stuttgarter Stadion ausgepfiffen wurde. Selbst dann, als er nach rund zehn Minuten das Knie von Deniz Undav an den Kopf bekam und behandelt werden musste. Es folgten im Verlauf der ersten Halbzeit weitere Sprechchöre und beleidigende Spruchbänder. „Geldgeil“ war dabei noch eine der harmloseren Zuschreibungen.
Die Fans bewiesen Durchhaltevermögen und ließen auch dann nicht mit dem Pfeifen nach, als das Spiel längst entschieden und die überschäumenden Emotionen über den grandiosen 5:1-Sieg die ganze Arena erfasst hatten. Für Anton waren es schwere 90 Minuten – er spielte komplett durch – war hinterher aber zumindest äußerlich gefasst. „Ich hab gewusst, was auf mich zukommt. Und jetzt hoffe ich, dass die Geschichte vorbei ist. Die Fans haben bekommen, was sie wollten.“
Der Ex-Kapitän bekam zum Abschied dann aber auch noch etwas Nettes aus Stuttgart mit. Eine Bilder-Collage aus seiner VfB-Zeit, in den Katakomben überreicht von Vorstandschef Alexander Wehrle und Sportvorstand Fabian Wohlgemuth. Dasselbe Abschiedsgeschenk bekam auch Serhou Guirassy überreicht, der während der 90 Minuten ohne Pfiffe der VfB-Fans davonkam.
„Er ist ein gestandener Spieler. Er wird damit umgehen können“, sagte Wohlgemuth, der für die beleidigenden Plakate keine, zumindest aber für die Pfeif-Orgie Verständnis zeigte. „Solange es nicht persönlich wird, können unsere Fans ihr Revier gerne markieren. Sie haben die Freiheit, ihren Unmut zu bekunden. Emotionen müssen sein.“
Anders als beim Stuttgarter Anhang überwiege im Club selbst die Dankbarkeit über das sportlich beim VfB Geleistete, betonte Wohlgemuth in Bezug auf Anton und Guirassy. Die nach diesem denkwürdigen Abend von Stuttgart vor allem froh waren, ihn hinter sich gebracht zu haben.