Pflegehilfskraft muss Geldstrafe wegen Verleumdung zahlen
Angeklagte erhebt schwere Vorwürfe gegen Pflegedienstleiterin. Amtsgericht Backnang stellt Verfahren ein.
Von Christoph Zender
Backnang. Welche Form der Beschwerde von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über Missstände am eigenen Arbeitsplatz ist noch angemessen? Wann kann man hierdurch mit dem Gesetz in Konflikt geraten? Beides Fragen von hoher Relevanz im Arbeitsalltag, mit denen sich das Amtsgericht Backnang im Fall der Verleumdungsklage gegen eine Pflegehilfskraft aus dem Backnanger Umland auseinanderzusetzen hat.
Was war konkret geschehen? Vor etwa einem Jahr schickte die Angeklagte anonym einen handgeschriebenen Beschwerdebrief an die Zentrale eines deutschlandweit aktiven Pflegeanbieters. Hierin wies sie auf ihrer Meinung nach gravierende Unzulänglichkeiten in dem hiesigen Seniorenheim hin. Neben Fehlern bei der Behandlung von Bewohnern prangerte sie insbesondere das persönliche Verhalten ihrer Pflegedienstleiterin an, von der sie sich gemobbt und massiv unter Druck gesetzt fühlte.
Dem Leiter der Pflegeeinrichtung gelang es anhand von Handschriftproben, die junge Frau als Verfasserin des Schreibens ausfindig zu machen. In einem anschließenden Personalgespräch bekannte sie sich zu dem Schreiben, bekräftigte jedoch die darin erhobenen Vorwürfe. Angesichts dessen einigten sich beide Parteien darauf, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Losgelöst hiervon erstattete die Pflegedienstleiterin, die sich schwer in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sah, Anzeige wegen Verleumdung gegen ihre ehemalige Untergebene. So landete der Fall nicht vor dem Arbeitsgericht, sondern jetzt als Strafsache vor dem Backnanger Amtsgericht.
Pflegedienstleiterin zeigt sich schockiert über die Vorwürfe
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Als Zeugin vorgeladen, zeigt sich die weiterhin als Pflegedienstleiterin tätige Frau auch ein Jahr später noch schockiert über die Kritik. „Ich erkannte mich in dem Brief nicht wieder und war mental so fertig, dass ich für eine Woche nicht arbeitsfähig war“, erinnert sich die Zeugin. Diesen Eindruck bestätigt der Leiter der Pflegeeinrichtung, der ebenfalls als Zeuge vor Gericht aussagen muss. Die fachlichen Vorwürfe, die die Angeklagte in ihrer Beschwerde erhoben hat, sieht er als unbegründet an. „Unser Haus wurde seitdem dreimal von externen Prüfern unter die Lupe genommen. Jeweils ohne Beanstandungen und mit befriedigenden Ergebnissen“, so der Zeuge. Dies träfe auch auf die von der Angeklagten explizit kritisierten Personalengpässe zu. Diese seien dem Fachkräftemangel im Pflegebereich geschuldet, hätten in seinem Haus aber kein kritisches Ausmaß erreicht. Wie er als Führungskraft denn grundsätzlich mit internen Beschwerden umgehe, möchte die Staatsanwaltschaft von ihm wissen. Er verfolge eine transparente Vorgehensweise und führe Gespräche mit allen Beteiligten, so der Heimleiter. Zudem gebe es im gesamten Konzern ein sogenanntes „Whistleblowing-System“, das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen könnten.
Für die Staatsanwaltschaft steht fest, dass Kritik am Arbeitsplatz erwünscht und wichtig ist. Im konkreten Fall sei die Angeklagte aber zu weit gegangen. Sie habe ihre damalige Vorgesetzte persönlich angeprangert, ohne die Möglichkeit sich zu rechtfertigen. Dies sieht auch der Vorsitzende Richter so: „Ihre Kritik war durchaus zulässig. Aber der anonyme Brief war nicht okay“, resümiert er den Fall.
Auf die von der Verteidigung aufgeworfene Frage, ob der anonym verfasste Brief bereits eine strafbare Handlung darstelle, finden die Verfahrensbeteiligten schnell eine übereinstimmende Antwort: Da die angeklagte Frau bislang unbescholten ist, wird das Verfahren gegen sie vorläufig eingestellt. Zum Ausgleich muss sie bis Ende August eine Geldauflage in Höhe von 750 Euro an die Staatskasse entrichten.