Prozess um versuchten Mord: Angeklagte hat nur die jüngeren Kinder angeschnallt
Im Prozess um die Frau, die mit ihren Kindern im Auto frontal gegen die Alte Kelter in Weinstadt gefahren ist, sagten nun weitere Zeugen aus.

© Pressefotografie Alexander Beche
Verhandelt wird am Landgericht Stuttgart. Archivfoto: Alexander Becher
Von Heike Rommel
Weinstadt. Die Frau, die mit ihren vier Kindern im Auto frontal auf die Alte Kelter in Weinstadt-Endersbach gefahren ist, steht nun wegen versuchten Mordes vor dem Stuttgarter Landgericht (wir berichteten). Die 37-Jährige hat sich und ihre Kinder möglicherweise töten wollen. Die Schwurgerichtskammer hörte jetzt den Hauptzeugen von der Waiblinger Kriminalpolizei und zwei Sachverständige an.
Die Mutter der Angeklagten schlug Alarm
Der Hauptsachbearbeiter der Kriminaldirektion Waiblingen informierte über die Ermittlungen zu dem Vorfall, bei dem die ein-, zwei-, vier- und fünfjährigen Kinder geschädigt wurden: In den frühen Morgenstunden des 7. Dezember vergangenen Jahres habe sich die Mutter der Angeklagten bei der Kripo gemeldet, um mitzuteilen, dass ihre Tochter nach Äußerung von Suizidgedanken mit ihren Enkelkindern die Wohnung in einer Gemeinde im Schurwald verlassen habe und dass sie nicht wisse, wohin sie gefahren sei. Kaum war die Fahndung eingeleitet, sei auch schon eine Meldung über einen Verkehrsunfall an der Alten Kelter gekommen. In der Erinnerung des Kripobeamten soll die Beschuldigte mit ihrem Van gegen 6.30 Uhr „vorsätzlich bewusst“ in die Kelter gekracht sein. Was die Angeklagte zu einer Helferin gesagt haben soll, die versuchte, mit ihr zu sprechen, hat die Polizei protokolliert: „Ich habe die Kinder auf die Welt gebracht und werde sie auch wieder mitnehmen.“
„Sie kam auf den Felgen daher“, schilderte der Zeuge die Fahrt vom Landgut Burg. Die ging teilweise quer durch die Weinberge, weil die Fahrerin in die Regenrinne und vom asphaltierten Weg abkam, was die Luftaufnahmen von der Rekonstruktion der Fahrt zeigten. Sie beschädigte Flurstücke, Reben und Weinranken. An einem ihrer Räder, von denen zwei nicht nur platt, sondern auch die Felgen deformiert waren, hingen noch ein Stück Draht und ein paar Holzlatten, als sie mit mindestens 60 Stundenkilometern ungebremst gegen die Keltermauer fuhr.
Nach ihrer vorläufige Festnahme wurde die Frau dem Haftrichter vorgeführt, wobei es nach dem Bericht des Kriminalhauptkommissars noch einmal zu einem Suizidversuch gekommen sein soll: „Sie versuchte, sich mit einem Kugelschreiber die Pulsadern zu öffnen.“ Wenig später habe die Frau einem Justizvollzugsbeamten des Gefängniskrankenhauses Hohenasperg erzählt, sie hätte schon einmal mit dem Gedanken gespielt, ihre Kinder nachts umzubringen und sich selbst auch.
Der Vater sei nie da gewesen
Zum Aufprall auf die Kelter habe die ledige Mutter gemeint, „ich wollte das nicht“. Schließlich liebe sie ihre Kinder, doch es sei ihr alles zu viel geworden. Sie habe keine Zeit für sich, der Vater der Kinder sei nie da und sie fühle sich alleine und hilflos. Vom Vorsitzenden Richter der Schwurgerichtskammer, Norbert Winkelmann, zum Verhalten des Kindsvaters befragt, erklärte der Kripobeamte, dieser habe die Sache mit der Kelter ziemlich lange als Unfall abgetan.
Die Fahrerin und die zwei jüngeren Kinder waren angeschnallt, die beiden älteren Kinder nicht: Das stellte Roman Sterk noch an der Unfallstelle fest, technischer Sachverständiger des Automobilprüfwesens Dekra Stuttgart. „Da muss eine ganze Legion von Schutzengeln um dieses Fahrzeug herumgeflogen sein, dass nicht mehr passiert ist“, kommentierte Richter Winkelmann die Beweisbilder und die glimpflichen Verletzungen, mit denen alle Insassen des vorne komplett eingedrückten Vans davongekommen sind. Die schlimmste Verletzung war der gebrochene Unterschenkel eines der Kinder.
„Sie konnte nicht sehen, wo sie hinfährt“, erläuterte der Techniker. Das Fahrzeug hätte schon oben in den Weinbergen umkippen können und die Angeklagte habe wegen der beschädigten Räder ständig gegenlenken müssen. Der Rechtsmediziner Hans-Thomas Haffner sagte zur Lebensgefährdung der Kinder, diese sei für die nicht angegurteten Älteren größer gewesen als für die gesicherten Kleinen. Die älteren Kinder flogen in dem Achtsitzer beim Aufprall gegen die Rückenlehnen der Sitzreihen vor ihnen. Vor der Angeklagten ging der Airbag auf.
Zurzeit befindet sich die Angeklagte im Frauengefängnis Schwäbisch Gmünd. Darüber, was sie zu der mutmaßlichen Todesfahrt getrieben hat, soll am Montag, 12. Juni, der psychiatrische Sachverständige Peter Winckler sprechen.